Schnell durchblicken bei Fontanes Roman „Irrungen, Wirrungen“ – Inhalt und Zitate (Mat7178-iuz)

Worum es hier geht:

  • Wir haben vor Jahren den Roman gelesen – und dann ist er für uns ziemlich in der Versenkung verschwunden.
  • Aber jetzt hat sich gezeigt, dass er doch noch in den Schulen gelesen wird.
  • Also versuchen wir, uns erneut einen Überblick zu verschaffen.
  • Und wie in anderen Fällen auch – lassen wir gerne andere daran teilhaben.

Entwicklung von Inhalt und (dramatischer) Handlung

Im folgenden stellen wir den Inhalt der Kapitel knapp vor und achten dabei auf die letztlich doch dramatische Handlung.

Uns hat die Situation von Lene und Botho an die von Luise und Ferdinand in Schillers Theaterstück „Kabale und Liebe“ erinnert. Natürlich ist vieles ganz anders – aber man hat doch eine Vergleichsmöglichkeit.

Wir werden entsprechende Anmerkungen einfach an die Kapitelbeschreibung anhängen – für die, die sich dafür interessieren.

  1. Kap 1 = Exposition: Einführung in die Situation
    • Frau Nimptsch, die Mutter der Protagonistin Lene, unterhält sich mit Frau Dörr, Frau des Besitzers der Gärtnerei
    • Die erzählt von einer früheren gescheiterten Beziehung zu einem Grafen
    • und ist froh, jetzt mit einem einfachen Mann verheiratet zu sein.
    • Sie fürchtet, dass Lene sich zu viel erhofft, erkennt aber auch an, dass deren aktuelle Beziehung feiner aussieht als ihre damals.
    • Im Vergleich zu „Kabale und Liebe“ gibt es hier nicht sofort böse Ahnungen, dass mit der unstandesgemäßen Liebe nur Ärger und Gefahren verbunden sind.
      Es wird eher schon mal deutlich gemacht, dass es eben typische Ausnutzverhältnisse zwischen adligen Männern und bürgerlichen Frauen im 19. Jhdt. gab – und dass es in diesem Falle wohl anders ist, es sich nämlich um wirkliche Liebe handelt. Das löst natürlich eine andere Art von Tragik aus als bei dem adligen Ferdinand, der Luise eher als seinen Besitz ansieht und als Beweis für seine fortschrittliche Gesinnung – die aber genau im Gegenteil endet, nämlich in einem von ihm erzwungenen gemeinsamen Tod.
  2. Kap 2 = Nebenaspekt: Wohnverhältnisse und Vorstellung von Herrn Dörr
    • Typisch episch breiter Ansatz, genauere Vorstellung von Leuten und Situationen
    • hätte im Drama keinen Platz

  3. Kap 3 = Rückkehr zum zentralen Punkt, der Beziehung zwischen Lene und Botho:
    • Lene erzählt Frau Dörr, wie sie und Botho, so heißt ihr Verehrer, sich kennengelernt haben.
    • Er hat sie bei einem Bootsausflug gerettet
    • und Gefallen an ihr gefunden. Jetzt kommt er häufiger vorbei.
  4. Kap 4: Erstmaliger Auftritt Bothos – Kritik an einer gewissen Substanzlosigkeit der Adelswelt
    • Er kommt zu Besuch
    • aus einem Klub
    • erzählt Anekdoten
    • macht deutlich, wie belanglos Gespräche in adligen Kreisen sind.
    • Dann tanzen sie zusammen.
  5. Kap 5: Lene zeigt sich glücklich, aber auch realistisch, was die Zukunft angeht.
    • Lene und Botho begleiten Herrn und Frau Dörr nach Hause.
    • Dort spazieren sie noch durch deren Garten und sprechen miteinander.
    • Dabei erwähnt Frau Dörrs Erfahrungen mit ihrem Grafen.
    • Sie sieht auch für ihre Beziehung zu Botho keine Zukunft in einer Ehe.
    • Deutlich wird, dass sich sich jetzt glücklich fühlt, ansonsten ihre Situation und die Perspektiven realistisch einschätzt.
    • Vergleich mit „Kabale und Liebe“:
      Hier ist es wohl sehr viel mehr eine Beziehung auf Augenhöhe, die wirklich nur an äußeren Umständen  scheitern kann – aber nicht an inneren Ungleichgewichten.
  6. Kap6: Bedeutungsvolle Doppel-Post für Botho:

    • sein Onkel, der ihm später eine lukrative Heirat schmackhaft machen wird
    • Lene, die Botho vermisst und erzählt, dass sie ihn von weitem mit einer anderen Frau gesehen hat
      Sie gibt zu, dass sie etwas eifersüchtig sei – was bei ihr aber kein Vorwurf ist, sondern eher Verstärkung der Bitte, dass er sie bald wieder besucht.
  7. Kap7: Heiratsattacke des Onkels
    • Auf dem Weg zum Treffen mit seinem Onkel
    • Trifft Botho den befreundeten Leutnant Wedell
      lädt ihn ein, ihn zu begleiten.
    • Der Onkel ist auf Überredungstour: Botho soll eine wohlhabende Kusine heiraten und kann ihn überraschen.
    • Damit vergrößert sich natürlich die Gefahr für die Liebesbeziehung mit Lene
  8. Kap 8: Überzeugung der Offizierskameraden: Botho wird Lene aufgeben müssen
    • Wedell wird von seinen Offizierskameraden ausgefragt.
    • Er berichtet von Bothos Dilemma.
    • Die anderen sind der Meinung, dass Botho sich am Ende den gesellschaftlichen (und auch finanziellen und familiären) Zwängen beugen werde.
  9. Kap 9: Botho und Lene zwischen Ausgelassenheit und Sorgen
    • Gemeinsamer Spaziergang von Lene, Botho mit Frau Dörr
    • Zunächst ausgelassene Stimmung,
    • die dann ernster wird, weil Lene zwar an die Liebe Bothos glaubt, aber auch die Realitäten sieht.
  10. Kap 10: Zwischen Grabgestaltung und Planung eines größeren Ausflugs von Lene und Botho

    • Botho bei Lene, die möchte etwas über das Leben im Club wissen, bekommt aber nichts von Bedeutung zu hören.
    • Frau Nimptsch ist mit ihrem Lebensende beschäftigt und träumt von einem Krank von Immortellen auf dem Grab.
    • Botho verspricht ihr, dafür zu sorgen.
    • Lene und Botho planen einen größeren Ausflug, wo sie mehr unter sich sind.
  11. Kap 11: Ausflug nach „Hankels Ablage“ – Blumenstrauß mit Bindung

    • Botho und Lene fahren mit dem Zug zu einem Gasthaus am Fluss.
    • Dort machen sie eine Bootsfahrt:
      Als Lene die Boote sieht, sagt sie: „Oh, mein einziger Botho, wie schön das ist und wie gut ich dir bin.«
      Und die Reaktion:

      „Botho freute sich, Lene so glücklich zu sehen. Etwas Entschlossenes und beinah Herbes, das sonst in ihrem Charakter lag, war wie von ihr genommen und einer ihr sonst fremden Gefühlsweichheit gewichen, und dieser Wechsel schien ihr selber unendlich wohlzutun.“

    • Anschließend bindet Lene einen Blumenstrauß
      und nimmt, da sie nichts anderes hat, ein Haar zum Binden.

    • Sie macht das trotz ihrer Sorge, dass das eine zu enge Bindung bedeute.

      Botho zu ihr:
      Aber ich will kein ander Band um den Strauß als ein Haar von dir. Und du wirst doch nicht so eigensinnig sein und mir’s abschlagen.«
      Sie sah ihn an, zog ein Haar aus ihrem Scheitel und wand es um den Strauß. Dann sagte sie: »Du hast es gewollt. Hier, nimm es. Nun bist du gebunden.«
      Er versuchte zu lachen, aber der Ernst, mit dem sie das Gespräch geführt und die letzten Worte gesprochen hatte, war doch nicht ohne Eindruck auf ihn geblieben.“

  12. Kap12 Lene zwischen „Stich ins Herz“ und „Ausdruck höchsten Glücks“
    • Lene geht es nicht so gut, sie muss sich erst mal erholen. Die Wirtin hält sie für schwanger. Dass sie die Gemälde an der Wand nicht versteht, gibt ihr einen „Stich ins Herz, weil sie sich der Kluft dabei bewusst wurde, die sie von Botho trennte.“
    • Botho isst allein, der Wirt erzählt ihm von der Einsamkeit, die jahreszeitenabhängig ist.
    • Danach geht Botho zu Lene aufs Zimmer – der geht es inzwischen wieder besser – und Botho bemerkt bei ihr den „Ausdruck höchsten Glückes“.
  13. Kap13: Lene zwischen Alltagsnormalität einer Magd und unpassendem Besuch
    • Am nächsten Morgen: Botho zu Lene: „Ich finde kein anderes Wort, du siehst so glücklich aus.
    • Kurz darauf ist Lene aber auch wieder „ganz blass geworden„, als sie eine Magd bei der ganz normalen Arbeit sieht.
    • Sie kommt nicht zu einer Erklärung, aber man kann vermuten, dass das eben die normale Ordnung ist, aus der sie gewissermaßen ausgebrochen ist durch die Liebe zu einem Adligen.
    • Das Problem wird noch dadurch verstärkt, dass plötzlich drei Offizierskameraden mit ihren Begleiterinnen auftauchen, die alle unter Pseudonymen auftauchen. Botho sucht sich auch eins für seine Lene aus.
    • Später kommt es zu einem Gespräch über die Spitznamen und deren Belanglosigkeit mit der Reaktion: „Lene sah vor sich hin und schwieg.“
    • Als sie dann nach ihrer Situation gefragt wird, schweigt sie nur und verfärbt sich. Die anderen glauben, dass sie schwanger sei, was einen „Kladderadatsch“ gebe. Insgesamt passt Lene nicht in diese Gesellschaft, was von einer der Frauen auch formuliert wird.
  14. Kap 14:
    • Auf der Heimfahrt macht Lene deutlich, dass sie für ihre Beziehung keine Zukunft sieht, sich aber freut über die gemeinsame Zeit, die sie haben.
    • im zweiten Teil des Kapitels wird dann durch einen Brief seiner Mutter für Botho deutlich, dass er aus finanziellen Gründen jetzt eine wohl habende Cousine heiraten muss.
    • letztlich wird ihm deutlich, dass er lieber bei dem natürlichen Leben mit Lene bleiben würde, aber seine wirtschaftliche und wohl auch gesellschaftliche Situation ihm das nicht erlaubt.
Kap15:
  • Botho besucht Lene noch einmal und sie gehen gemeinsam spazieren.
  • Lene entlastet Botho, denn er sei ja immer ehrlich zu ihr gewesen.
  • sie will einfach die schöne Erinnerung an ihre gemeinsame Zeit behalten und wünscht auch Botho für seine Zukunft. alles Gute.
Kap 16:
    • Lene bekommt anonym die Hochzeitsanzeige von Botho und Käthe zugeschickt.
    • Botho wiederum merkt schnell, dass seine frisch angetraute Frau zwar sehr fröhlich ist, aber wenig Tiefgang bei ihren Gefühlen und Gedanken hat.
    • Das Ehepaar bezieht eine gemeinsame Wohnung, die nicht weit von dem Haus entfernt ist, in dem Lene wohnt.
Kap17:
    • Lene sieht durch Zufall Botho mit seiner Frau von weitem und beschließt daraufhin, in eine neue Wohnung zu ziehen.
    • Dort bekommt ihr Leben eine neue Perspektive durch einen sehr bodenständigen und christlich orientierten Mann namens Gideon Franke
    • Der zieht in die Nachbarwohnung und interessiert sich zunehmend für Lene .
    • Parallel dazu wird bei Käthe deutlich, dass sie ihr Leben durch eigene Kinder nicht einschränken lassen will.
Kap18:
    • Katie scheint es gesundheitlich nicht so gut zu gehen. Deshalb soll sie eine Kur machen.
    • vorher verbringt das Ehepaar noch einmal einen gemeinsamen Abend mit Freunden.
    • dabei wird deutlich, dass Botho und Käthe recht unterschiedliche Interessen haben.
  1. Kap19:
    • während es mit der alten Frau Nimptsch langsam zu Ende geht, erfährt sie von Lene, zumindest noch, dass der Nachbar jetzt um ihre Hand angehalten hat.
    • allerdings hat er etwas verstört auf Lenes Hinweis reagiert, sie habe schon mal Verhältnisse mit zwei Männern gehabt.
    • Frau Nimptsch äußert noch ihre Wünsche im Hinblick auf die Beerdigung und stirbt dann.
Kap20:
    • Während Käthe Foto aus dem Urlaub Karten schreibt, bekommt der Besuch von diesem Gideon.
    • Der will jetzt von Botho hören, was er von Lene hält. Daraufhin bekommt er nur positive Einschätzungen.
    • Am Ende erfährt Botho noch, dass Frau Nimptsch inzwischen gestorben ist.
Kap21:
    • Botho erfüllt sein Versprechen und legt einen Blumenkranz auf das Grab von Frau Nimptsch.
    • Botho hört unterwegs ein Lied, das er früher zusammen mit Lene gesungen hat – das löst bei ihm entsprechende Gefühle aus.

Kap22:

    • Zu Hause verbrennt Botho alles, was ihn an Lene erinnert. Er hat bisher Briefe in einer Art Tresor aufgehoben.
    • Er will also mit seiner Vergangenheit endgültig fertig werden.

Kap23:

    • Gespräch zwischen Botho und einem Offizierskameraden, der ein ähnliches Problem hat: Er liebt eine Frau aus dem Bürgertum und will diese Beziehung leben, ohne allerdings zu heiraten.
    • Botho gibt ihm den Rat, der seiner eigenen Situation und Entscheidung entspricht: Eine solche Beziehung habe keine Zukunft, sie solle schnell bendet werden, um sich wenigstens eine schöne Erinnerung zu bewahren.
    • Kommentar: Hier könnte man kritisch ansetzen, indem man Fälle heranzieht, in denen sich Adlige anders entschieden haben, aber damit durchaus glücklich waren. Allerdings kann man die Vermutung hegen, dass sich das nur Leute mit Macht, Ansehen und Einfluss haben leisten können. Man denke etwa an Goethe.
      Und der gute Botho verschweigt hier natürlich, dass er seine Cousine Käthe nur geheiratet hat, weil er sonst pleite gewesen wäre.
      Außerdem gibt es im Roman Hinweise, dass er eine ziemlich schwache Figur ist.
    • Siehe dazu auch den Klausurvorschlag:
      https://textaussage.de/klausur-zum-roman-irrungen-wirrungen-analyse-des-gespraechs-zwischen-botho-und-bogislaw-von-rexin

Kap24:

  • Rückkehr Käthes aus der Kur.
  • Bothos Frau schildert ihre Erlebnisse aus ihrer Perspektive.
  • Bezeichnend ist, wie das Kapitel endet:
    • „‚Nun, Botho‘, sagte sie schelmisch und kokett und ohne sich nach ihm umzusehen.
    • Und ihre liebenswürdige Koketterie war klug genug berechnet, und er umarmte sie, wobei sie sich seinen Liebkosungen überließ.
      Und nun umspannte er ihre Taille und hob sie hoch in die Höh. ‚Käthe, Puppe, liebe Puppe.‘
      ‚Puppe, liebe Puppe, das sollt ich eigentlich übelnehmen, Botho. Denn mit Puppen spielt man. Aber ich nehm es nicht übel, im Gegenteil. Puppen werden am meisten geliebt und am besten behandelt. Und darauf kommt es mir an.'“

       

  • Mehr muss man zu dieser Beziehung nicht sagen.
    Kommentar: Was mag daraus werden, wenn diese Käthe mal nicht mehr auf ihre besonderen Fähigkeiten dieser Art zurückgreifen kann und dann andere gefragt sind.

Kap25:

    • Kein Wunder, dass Käthe am nächsten Morgen ihrem Botho etwas von einem Gentleman vorschwärmt, den sie während der Kur kennengelernt hat und der anscheinend viel besser als Botho zu ihr gepasst hätte.
    • Botho langweilt sie dann wahrscheinlich mit Geschichten aus dem preußischen Königshaus, die seinen Vorstellungen entsprechen.

Kap26:

    • Ebenso bezeichnend für die berechnende Leichtfertigkeit von Bothos Ehefrau ist ihre Reaktion, als sie die verbrannten Liebesbriefe an Lene entdeckt.
    • Botho gibt sogar zu, um was für Briefe es sich gehandelt hat.
    • Käthes Reaktion: „Das war recht. Nun kann ich mich beruhigen. Liebesbriefe, zu komisch. Aber wir wollen sie doch lieber zweimal verbrennen: erst zu Asche und dann zu Rauch. Vielleicht glückt es.“
    • Man könnte auch sagen: Von Eifersucht keine Spur – nicht mal das, was der gute Gideon im Hinblick auf den Lene-Anteil an dieser Vergangenheit für sich geklärt haben wollte.
    • Interessant auch, womit Fontane den Roman enden lässt.
      Käthe macht sich – ohne den Zusammenhang zu kennen – bei Lenes Heiratsanzeige über den Namen „Gideon“ lustig – und Botho kommentiert das doppeldeutig mit:
      „»Was hast du nur gegen Gideon, Käthe? Gideon ist besser als Botho.“.
    • Das kann man gut als Selbstkritik verstehen.

Weitere Infos, Tipps und Materialien