Schnell durchblicken bei: Heinrich Heine, „Ich wollte bei dir weilen“ (Mat8454)

Worum es hier geht:

Vorgestellt wird ein Gedicht von Heine, das mit einer Trennung sehr locker umgeht – oder zumindest den Anschein erwecken will.

Spannend ist die Frage, wen man in diesem Gedicht wirklich für überlegen hält.

Erläuterung der 1. Strophe

Heinrich Heine

Ich wollte bei dir weilen

Ich wollte bei dir weilen

Und an deiner Seite ruhn;

Du musstest von mir eilen;

Du hattest viel zu tun.

  • In der ersten Strophe wird ein Gegensatz deutlich. Das lyrische Ich betont zunächst einmal sein Bedürfnis nach Nähe des geliebten Gegenübers.
  • Von daher passt es auch recht gut, dass die erste Zeile auch gleichzeitig als Überschrift dient.
  • Dementgegen steht der Wille oder auch die Notwendigkeit des geliebten Gegenübers, sich anderen Dingen zuzuwenden.
  • Dass hier keine Rede davon ist, worum es geht und das Gegenüber offensichtlich auch nicht versucht, sich zu erklären, lässt auf eine nicht optimale Liebesbeziehung schließen.

Erläuterung der 2. Strophe

Ich sagte, dass meine Seele
Dir gänzlich ergeben sei;
Du lachtest aus voller Kehle,
Und machtest ´nen Knicks dabei.

  • Dass hier zwei völlig unterschiedliche Auffassungen aufeinander prahlen, wird auch in der zweiten Strophe deutlich. Dort beteuert das lyrische Ich zunächst die Größe und Intensität seiner Liebe.
  • Das Gegenüber lacht nur darüber und zeigt durch einen gespielten Knicks, dass ihm das alles nicht so wichtig ist, es sich eher auf der Ebene als höflichen Miteinanders bewegen will

Erläuterung der 2. Strophe

Du hast noch mehr gesteigert
Mir meinen Liebesverdruss,
Und hast mir sogar verweigert
Am Ende den Abschiedskuss.

  • In der 3. Strophe verwendet das lyrische Ich das Wort, dass auch den dramatischen Prozess dieser Beziehung ausdrückt, nämlich Steigerung.
  • Als solche angesehen wird die Verweigerung des Abschiedskusses.
  • Leserlenkung:
    Man weiß nicht, ob das Verhalten des Gegenübers aus echtem Desinteresse oder erotischem Spiel gespeist ist.

Erläuterung der 3. Strophe

Glaub nicht, dass ich mich erschieße,
Wie schlimm auch die Sachen stehn!
Das alles, meine Süße,
Ist mir schon einmal geschehn.

  • In der letzten Strophe gibt es dann eine Reaktion des lyrischen Ichs, wie man sie bei Heine fast schon erwartet
  • Offensichtlich ist jetzt eine rote Linie überschritten und das lyrische Ich selbst reagiert darauf auch auf der Ebene einer Art Partnerschaftsspiel: Es macht deutlich, dass die Verweigerung ihm real (oder angeblich) nicht viel ausmacht.
  • Als Begründung angegeben wird die Erinnerung an vergleichbare Fälle.
  • Leserlenkung:
    Man hat das Gefühl, dass das lyrische Ich am Ende sagen will: Na gut, wenn du keine Lust (mehr) hast, ich kenne das schon und finde mit Sicherheit auch noch eine andere.

Zusammenfassung

Insgesamt ein Gedicht, das die gespielte oder reale Oberflächlichkeit einer Beziehung zeigt oder auch im Rahmen eines erotischen Spiels zeigen soll.

Typisch für Heine ist die Kombination von ausgedrückter Liebesintensität und der Fähigkeit, dann auch ins Ironische, Distanzierte zu wechseln.

Wieder ein Beleg dafür, wie Heine zwischen den Epochen Romantik und Ende der Kunstperiode und Einstieg in einen Realismus, der in der Tendenz die Neue Sachlichkeit vorwegnimmt.

Das Gedicht kann man gut vergleichen mit:

Paul Fleming,: „Zur Zeit seiner Verstoßung“
https://textaussage.de/paul-fleming-zur-zeit-seiner-verstossung