Schnell durchblicken bei: Paul Fleming, „Zur Zeit seiner Verstoßung“ (Mat8455)

Worum es hier geht:

Normalerweise verbindet man Barockgedichte vor allem mit einer Verurteilung des Diesseits zugunsten einer religiösen Vorstellung vom christlichen Himmel.

Hier stellen wir ein Gedicht vor, das fast schon auf moderne Weise den ganz persönlichen Schmerz über das eigene Schicksal in den Vordergrund stellt.

Es geht um das Gedicht „Zur Zeit seiner Verstoßung“ von Paul Fleming. Es ist während des 30jährigen Krieges entstanden – hat aber mit dem weniger zu tun als mit einem persönlichen Desaster.

Gefunden haben wir das Gedicht hier:

https://www.gedichte7.de/zur-zeit-seiner-verstossung.html

Erläuterung des Titels und der 1. Strophe

Paul Fleming

Zur Zeit seiner Verstoßung

  • Der Titel ist zunächst etwas unklar. Man könnte an eine Verbannung zum Beispiel aus politischen Gründen denken – oder jemand wird aus der Familie verstoßen.
  • Dann aber geht es um etwas Allgemeineres, eine Lebensweisheit.
  1. Ein Kaufmann, der sein Gut nur einem Schiffe traut,
  2. Ist hochgefährlich dran, indem es bald kann kommen,
  3. Daß ihm auf einen Stoß sein ganzes wird genommen.
  4. Der fehlt, der allzuviel auf ein Gelücke traut.
    • Das lyrische Ich beschreibt in der ersten Strophe die gefährliche Situation, die ein Kaufmann dadurch für sich erzeugt, dass er alles auf eine Karte sitzt.
    • Am Ende dann das, was das Beispiel aussagen soll: Man soll nach Meinung des lyrischen Ichs sich nicht zu sehr auf das Glück verlassen.

Erläuterung der 2. Strophe

  1. Gedenk ich nun an mich, so schauret mir die Haut:
  2. Mein Schiff, das ist entzwei, mein Gut ist weggeschwommen.
  3. Nichts mehr, das ist mein Rest; das machet kurze Summen.
  4. Ich habe Müh und Angst, ein andrer meine Braut.
    • Die zweite Strophe macht dann deutlich, was hinter dieser Erkenntnis steckt, nämlich eine absolut negative Erfahrung mit diesem Fehler.
    • Am Ende ist dem lyrischen Ich nichts mehr übrig geblieben, außer “Müh und Angst“.
    • Als einziger Verlust angedeutet wird die Braut, die nun ein anderer hat.

Erläuterung der 3. Strophe

  1. Ich Unglückseliger! mein Herze wird zerrissen,
  2. Mein Sinn ist ohne sich; mein Geist zeuche‘ von mir aus.
  3. Mein Alles wird nun Nichts. Was wird doch endlich draus?
    • Im ersten Terzett (3-Zeilen-Strophe) beklagt ds Lyrische Ich sein Schicksal und fragt sich am Ende, wie es mit der Zukunft aussehen kann.

Erläuterung der 4. Strophe

 

  1. Wär eins doch übrig noch, so wollt ich alles missen.
  2. Mein teuerster Verlust, der bin selbselbsten ich.
  3. Nun bin ich ohne sie; nun bin ich ohne mich.
    • In der letzten Strophe wird der Blick gelenkt auf den größten Verlust, den ein Mensch erleiden kann.
    • Mit dem Verlust der Braut hat das lyrische Ich nach seinem Empfinden auch sich selbst verloren.

Zusammenfassung

  • Insgesamt drückt dieses Gedicht auf fantasievolle und zugleich intensive Weise aus, was es für jemanden bedeutet, die geliebte Frau kurz vor der Hochzeit zu verlieren – und zwar an einen anderen Mann.
  • Auch unabhängig von dieser speziellen Situation kann das Gedicht sicherlich jeder gut nachvollziehen, der gerade eine schmerzliche Form einseitiger Trennung hinter sich hat.
  • Deutlich wird – und darüber kann man diskutieren – wie sehr man sich abhängig machen kann oder auch soll von einem Gegenüber. Das kann natürlich jeder nur für sich selbst entscheiden

Weiterführende Überlegungen

Eine Möglichkeit des Umgangs mit einer solchen Situation wird in einem Gedicht Heines deutlich. Dort tut das lyrische Ich so, als käme es mit einer solchen Trennung gut klar.

Heinrich Heine: „Ich wollte bei dir weilen“
https://textaussage.de/schnell-durchblicken-bei-heinrich-heine-ich-wollte-bei-dir-weilen

Weitere Infos, Tipps und Materialien