Worum es hier geht:
Vorgestellt wird das Gedicht „Geistliche Spiegelbereitung“ von Jesajas Rompler von Löwenhalt, einem Barockdichter.
Das Gedicht ist nicht einfach zu verstehen, wenn man sich nicht in den religiösen Vorstellungen der Barockzeit auskennt.
Hier wird versucht, den Gedankengang und die Aussagen des Gedichtes verständlich zu machen.
Anmerkungen zur Überschrift
- Die Überschrift ist schon erklärungsbedürftig, denn kaum jemand weiß heute noch, was früher unter „geistlich“ gemeint war. Das Wort bezog sich auf christliche Vorstellungen von Religion. Man unterschied zum Beispiel „weltlich“ (wir würden heute sagen „normal“) von einer religiösen Betrachtung, meistens ausgehend von der Bibel.
- „Spiegelbereitung“ ist für uns heute ein Neologismus und lässt sich aus sich selbst kaum erklären. Man könnte annehmen, dass damit eine Art Zubereitung oder Vorbereitung gemeint ist, die sich auf einen Spiegel bezieht.
Anmerkungen zu Strophe 1
Du musst ein Spiegel sein, mein Herz! Es schickt sich eben,
Dass dich der Glaub erhellt; die Trübsal schleift dich glatt;
Ich unterlag alsdann aus Gottes Wort ein Blatt,
Bestreich es mit der Lieb, auf dass es an mag kleben.
- Das Gedicht beginnt mit einer Aufforderung an das eigene Herz, ein Spiegel zu sein.
- Als Grund wird wird die Erfahrung angegeben, dass der Glaube für Helligkeit, Klarheit sorgt,
- während die Trübsal, also Traurigkeit, einen „glatt“ macht. Das versteht man am besten, wenn man es auf einen Spiegel bezieht, der durch ständige Benutzung und im Laufe der Zeit seine Klarheit verliert.
- In der 3. Zeile beschreibt das lyrische Ich wahrscheinlich das, was gegen dieses falsche Glatt-Werden hilft: Es will aus der Bibel dem Spiegel ein Blatt unterlegen
- und mit Liebe bekleben, damit es kleben bleibt.
- Gemeint ist damit wahrscheinlich die Liebe zu Gott (als dem Kern des Glaubens).
- Die Aussage der ersten Strophe wäre also kurz zusammengefasste:
- Der Mensch soll ein Spiegel sein, der einem ein klares Bild von sich selbst verschafft.
- Diese Klarheit ist durch Abnutzung bedroht.
- Deshalb soll man sich eine Art Erinnerungsblatt auf den Spiegel kleben: Nach dem Motto: Das Bild von dir, das du siehst, ist nur „hell“, wenn du es im Licht der Bibel betrachtest.
Anmerkungen zu Strophe 2
Die Rahm’ mach ich von Holz, an dem der Herr sein Leben
Hier für die Sünder ließ; ich fass sie: brauch anstatt
Des Gold-Grunds Gottes-Huld; vergüld mit Tugend-Tat;
Dadurch wird diesem Werk die rechte Zier gegeben.
- Die zweite Strophe macht dann deutlicher, was mit „Spiegelbereitung“ gemeint ist, nämlich die Herstellung oder Optimierung eines Spiegels.
- Der Rahmen soll aus Holz gemacht werden – und zwar aus einem, das an das Kreuz von Golgatha erinnert, an dem Jesus als der Heiland des barocken Christentums sterben musste und damit sein Leben „für die Sünder“ opferte. Heutige Menschen denken dabei am besten an ein Kruzifix, um eine ungefähre Vorstellung von dem zu bekommen, was hier wohl gemeint ist.
- Zum Christentum gehört ja der Glaube, dass dieser Tod des Gottessohnes die Vergebung aller Sünden ermöglichte.
- Auf jeden Fall will das lyrische Ich das nicht mit irdischem Gold einfassen, sondern mit Gottes „Huld“, also Gnade.
- Die richtige Vergoldung wird dann durch „Tugend-Tat“, also gute Werke erreicht.
- Am Ende wird festgestellt, dass das gewissermaßen die richtige Antwort bzw. Gegenleistung ist für das, was da auf Golgatha für die Menschen getan worden ist.
Anmerkungen zu Strophe 3
Kannst du nun, liebes Herz, ein solcher Spiegel sein,
So wird die wahre Sonn (Gott selbst) mit seinem Schein,
Wohin ich dich nur halt, sich gegenüber finden.
- Nachdem nun in den beiden Quartetten das „Zubereitungsprogramm“ für den menschlichen Spiegel beschrieben worden ist, erwartet man hier eine Art Weiterführung oder Konsequenz.
- Tatsächlich kommt jetzt die Frage an sich selbst, ob man so ein Spiegel sein könne.
- Die zweite Zeile macht dann klar, dass es sich dabei eher um eine Bedingung handelt – nach dem Motto: Wenn du das bist, dann wird in diesem Spiegel „die wahre Sonn“, also Gott zu sehen sein – und zwar überall.
- Das heißt: So wird sichergestellt, dass das ganze Leben „geistlich“ verläuft, also im Sinne Gottes bzw. der Bibel.
Anmerkungen zu Strophe 4
Mit dessen Widerschein blend ich die böse Lust,
Daraus die Sünd entspringt; ja, wenn der schwarze Wust*
(Der Lästerer) selbst kommt, muss er daran erblinden.
- Die letzte Strophe beschreibt dann weiter die positiven Folgen einer solchen „Spiegelbereitung“:
- Damit wird nämlich „die böse Lust“ geblendet, besser: ausgeblendet. Gemeint ist damit alles, was zur Sünde führt.
- Am Ende dann noch ein Hinweis auf den Teufel als den Hauptförderer alles Bösen:
Erinnert wird man hier an so etwas wie „Gotteslästerung“. Nicht von ungefähr spricht man von Todsünden – und gemeint ist damit der geistliche Tod, die ewige Verdammnis. Für die stehen Teufel und Hölle – und davor will man bewahrt werden. - Dieser Spiegel ist dann so stark, dass selbst der Inbegriff alles Bösen davon geblendet und letztlich vertrieben oder gar ausgeschaltet wird .
Zusammenfassung:
- Das Gedicht zeigt die Jenseitsorientierung des barocken Menschen.
- Das ganze Leben ist auf „Geistlichkeit“, also die Beachtung der Vorgaben des Christentums bzw. der Bibel ausgerichtet.
- Deutlich wird die Unterscheidung zwischen Klarheit bzw. Helligkeit und Unklarheit.
- Hinter allem steht die Angst vor Sünde und indirekt vor dem Teufel und letztlich der ewigen Verdammnis.
- Insgesamt präsentiert sich hier ein Rigorismus, der den meisten heutigen Menschen fremd ist. Man könnte allenfalls überlegen, wo es heute noch Einstellungen und Verhaltensweisen gibt, die einem bestimmten Denken und Handeln absoluten Vorrang einräumt, so dass man jeden Tat fast schon zwanghaft daran erinnert werden will.
Weitere Infos, Tipps und Materialien
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