Schnell durchblicken bei der Kurzgeschichte „Die Schauspielerin“ von Katherine Brush (Mat8476)

Worum es hier geht:

Im Folgenden stellen wir eine Kurzgeschichte vor, die wir hier gefunden haben. Sie lebt vor allem von dem überraschenden Ende und lässt auch viele Fragen offen.

Anmerkungen  zur Geschichte

  1. Die Kurzgeschichte hat einen direkten Einstieg, denn man bekommt nur mit, wie eine Schauspielerin unter mehreren anderen Briefen einen entdeckt, der dann die ganze Geschichte bestimmt.
  2. Sie vermutet, dass er von einem jungen Mann kommt.
  3. Der Schreiber outet sich als jemand, der zum ersten Mal in seinem Leben einen Fanbrief schreibt
  4. und berichtet dann ausführlich, wie er, seitdem er diese Schauspielerin zum ersten Mal gesehen hat, von ihr so fasziniert ist, dass er sich alle Vorstellungen anschaut und sich auch sonst umfassend über sie informiert.
  5. Als Leser hat man bald den Eindruck, dass es sich hier um eine sehr einseitige Leidenschaft handelt, die schon nicht mehr ganz normal ist.
  6. Auf jeden Fall kann man sich schwer vorstellen, dass diese hell lodernde Verschlingungswelt in einen ausgeglichen Kontakt zu jemandem kommen kann, dem das alles absolut fremd, seltsam und möglicherweise auch gefährlich vorkommen muss.
  7. Die Schauspielerin reagiert am Ende auf diesen Gefühlsausbruch mit einem Lächeln und vergisst ihn dann schnell.
  8. Hier kann man als Leser überlegen, warum sie sich so verhält:
    1. Zum einen kann sie im Unterschied zu ihrem Verehrer an Fanpost gewöhnt sein.
    2. Es kann auch sein, dass die zum Teil sehr originelle Schreibweise sie amüsiert.
    3. Aber an mehr denkt sie verständlicherweise nicht, denn sie brennt ja nicht in gleicher Weise,
    4. sondern würde schnell auf den Gedanken kommen, dass da vielfältige Unannehmlichkeiten auf sie warten können, wenn sie ernsthaft darauf reagiert. So weiß sie zum Beispiel überhaupt nicht, wie der junge Mann aussieht, was er macht.
    5. Bedenklich muss sie auf jeden Fall stimmen, dass der über einen langen Zeitraum an nichts anderes mehr denken konnte. Er scheint eben nichts anderes mehr zu haben – eine gefährliche Ausgangslage, wenn dann aus einer direkten Begegnung nichts mehr wird.
  9. Ein recht kurioser Effekt entsteht dadurch, wie die Autorin die Kurzgeschichte enden lässt: Die Schauspielerin braucht nämlich einen Zettel, um sich etwas zu notieren, was sie aktuell stärker beschäftigt als eine mögliche neue Beziehung. Dafür reißt sie sich von einer der Briefseiten einen Streifen ab, so dass sie sich auf der Rückseite Notizen machen kann.
  10. Letztlich sind es zwei Dinge, die diese Geschichte interessant machen:
    1. Zum einen die extrem gefühlige Hingabe des Schreibers an ein „Objekt der Begierde“, das sein ganzes Leben ausfüllt,
    2. zum anderen die Reaktion der Schauspielerin, bei der das Lächeln noch bewusst ist, aber der absolute Absturz in den Kontrast natürlich nur entsteht, weil die Schriftstellerin es so arrangiert hat. Vielleicht wollte sie genau diesen maximalen Kontrast, den sternenweiten Abstand zwischen den Gefühlen von zwei Menschen deutlich machen – und das ist ihr sehr gut gelungen.

Nachträge:

  • Es handelt sich eindeutig um eine Kurzgeschichte – und zwar eine, in der zwei völlig unterschiedliche mögliche Wendepunkte aufeinanderprallen – und zwar der minimale bei der Schauspielerin, die sich schnell entscheidet, wie es für sie sicherlich richtig ist. Und dann der astronomisch große beim Briefschreiber, der aber wie eine riesige Blase in sich zusammenfällt – allerdings weiß er davon nichts.
  • Das macht die Geschichte ein bisschen problematisch, denn was wird aus dem Gefühlshurrican in dem jungen Mann.
    • Wird er sich damit begnügen, dass er keine Antwort bekommt?
    • Wird er versuchen, herauszubekommen, ob die Schauspielerin den Brief überhaupt bekommen hat?
    • Wie wird er sich verhalten, wenn er wieder eine ihrer Aufführungen besucht?
    • Wird er dann einen Schritt weitergehen, auf die Bühne stürmen und vor ihr niederknien?
    • Wird es dann vielleicht zu einem Gespräch kommen, das man sich mal überlegen könnte. Nur eine angemessene „Entzauberung“ kann hier eigentlich Seelenfrieden auf beiden Seiten schaffen.

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