Worum es hier geht:
Vorgestellt wird ein Gedicht von Rilke mit der Überschrift „Der Träumer“, das offensichtlich eine sehr negative Vorstellung von Träumen hat. Die Gegenwelt dazu, die als „Glück“ bezeichnet wird, bleibt aber seltsam unbestimmt.
Gefunden haben wir das Gedicht z.B. hier:
https://gedichte.xbib.de/Rilke_gedicht_Der+Tr%E4umer.htm
Anmerkungen zum Titel
„Der Träumer“
- Die Überschrift benennt nur einen bestimmten oder auch allgemeinen Träumer.
- Leserlenkung:
In dieser Formulierung könnte man auf den Gedanken kommen, dass hier etwas kritische Distanz spürbar ist – nach dem Motto: Der Mann träumt nur – und ist möglicherweise sogar lebensuntüchtig.
Anmerkungen zu Strophe 1
- Es war ein Traum in meiner Seele tief.
- Ich horchte auf den holden Traum:
- ich schlief.
- Just ging ein Glück vorüber, als ich schlief,
- und wie ich träumte, hört ich nicht:
- es rief.
- Die Hypothese, dass das Träumen als negativ angesehen wird, bestätigt sich in der ersten Strophe.
- Dort wird offensichtlich ein Gegensatz aufgebaut zwischen dem Traum, der dem lyrischen Ich gut gefällt, aber dazu führt, dass er das anscheinend reale Glück nicht wahrnimmt, das vorübergeht.
- Zwar ruft es den Träumer an, gibt ihm also eine Chance, aber das lyrische Ich hört das nicht, weil Traum und Schlaf Vorrang haben.
- Leserlenkung:
Offen bleibt,- was das für ein Glück gewesen ist und
- wieso das lyrische Ich von etwas berichten kann, das es anscheinend gar nicht wahrgenommen hat.
Anmerkungen zu Strophe 2 , Teil 1
Teil II
- Träume scheinen mir wie Orchideen. –
- So wie jene sind sie bunt und reich.
- Aus dem Riesenstamm der Lebenssäfte
- ziehn sie just wie jene ihre Kräfte,
- brüsten sich mit dem ersaugten Blute,
- freuen in der flüchtigen Minute,
- in der nächsten sind sie tot und bleich. –
- Der erste Teil der zweiten Strophe macht dann deutlich, dass das lyrische Ich Träume mit Orchideen vergleicht.
- Als Gemeinsamkeit wird hervorgehoben, dass „sie bunt und reich“ sind.
Leserlenkung:
Das klingt erst mal positiv, wird dann aber schnell in Frage gestellt. - Denn dieser bunte Reichtum kann nur entstehen, weil Träume und Orchideen „ihre Kräfte“, also das Positive, Beeindruckende, nur woanders herholen können. Nämlich aus dem „Riesenstamm der Lebenssäfte“.
- Dann geht es eindeutig ins Negative: Präsentiert wird eine Art Existenz als Schmarotzer oder gar Varmpire, die sich auch noch „brüsten“ mit dem, was sie an Lebenssaft herausgesaugt haben, ohne dass sue daraus – über den kurzen Moment einer „flüchtigen Minute“ Dauer gewinnen zu können.
- Am Ende steht der totale Gegensatz zum Leben, nämlich der Tod. Bei den Träumen ist es wohl das Vergessen, bei den Orchideen die natürliche Verwesung.
Anmerkungen zu Strophe 2 , Teil 2
- Und wenn Welten oben leise gehen,
- fühlst dus dann nicht wie von Düften wehen?
- Träume scheinen mir wie Orchideen. –
- Der Schluss ist nicht ganz klar.
- Es ist wohl anzunehmen, dass das leise „gehen“ der „Welten oben“, also in der Wirklichkeit, positiv gesehen wird.
- Schwierig ist jetzt das Verständnis der vorletzten Zeile. Denn diese Düfte beziehen sich ja eher auf die Orchideen. Außerdem wird in der letzten Zeile noch einmal auf den Vergleich zwischen Träumen und Orchideen hingewiesen.
- Es kann aber auch bedeuten, dass wie „Welten oben“, also das reale Leben ebenfalls als Traum angesehen wird – mit dem entsprechenden verlockenden Orchideenduft, der aber nur Vergänglichkeit anzubieten hat.
- Man wird hier erinnert an die Wendung „Das Leben als Traum“, was bedeutet, dass es seine Schönheit hat, aber eben nur eine Vorläufige, Vergängliche.
- Bleibt die Frage, was es mit dem Glück auf sich hat, von dem man angerufen wird, dem man aber in seiner Traumexistenz nicht folgen kann.
- Wenn man Glück hat, kennt man Kafkas Parabel „Eine kaiserliche Botschaft“. Aus dem Vergleich könnte sich die Interpretationshypothese ergeben, dass man als Mensch zwar von einer „kaiserlichen Botschaft“ bei Kafka oder von dem Ruf des Glücks bei Rilke ausgeht, dass es aber dabei bleibt. Bei Kafka kann man sich eine Botschaft, die die Hindernisse der Realität nicht überwinden kann, nur erträumen. Bei Rilke hat man zumindest das Gefühl, dass man von seinem Glück angerufen worden ist, es aber nicht ausreichend wahrnehmen konnte.
- Das Gemeinsame der beiden Texte ist eben die Traumexistenz des irdischen Lebens.
- Man müsste jetzt prüfen, was Rilke ansonsten unter Glück in einem höheren Sinne versteht. Das kann aber hier nicht geleistet werden und würde auch die Fiktionalität des Gedichtes übersteigen.
Weitere Infos, Tipps und Materialien
- Themenseite zu Rilke und seinen Gedichten:
https://textaussage.de/rilke-themenseite
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- Gedichte: Wie interpretiert man sie schnell und sicher?
https://textaussage.de/themenseite-gedichte-interpretieren
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- Infos, Tipps und Materialien zu weiteren Themen des Deutschunterrichts
https://textaussage.de/weitere-infos