Tatjana im Roman „tschick“: Wie charakterisiert man eine Figur? (Mat5351)
Worum es hier geht:
Wir wollen am Beispiel von Tatjana aus dem Roman „tschick“ zeigen, wie man eine solche Figur (Person in einem literarischen Werk) charakterisieren kann.
Dabei gehen wir nicht vor wie einer Personenbeschreibung, sondern wir nehmen den Erzähler ernst. Er lenkt ja den Leser durch das Nacheinander von Signalen. Dadurch ergibt sich ein ständig sich veränderndes und vor allem auch erweiterndes Bild.
Es geht also nicht um eine reale Figur, die als Person beschrieben wird, sondern es geht um die Signale, die eine Figur langsam plastisch aus dem Erzählfluss hervortreten lassen.
Am Ende weiß man dann,
was das Besondere an der Figur ist,
in welchen Beziehungen sie zu anderen Figuren steht
und welche Bedeutung sie hat für die Aussagen des Romans,
unter Umständen auch, was man mit dieser Figur anfangen kann – aber das ist natürlich eine individuell unterschiedliche Angelegenheit.
Seite 8:
Hier wird Tatjana zum ersten Mal beschrieben und zwar als das „schönste Mädchen der Welt“
Interessant der Hinweis von Maik, dass er gar nicht in der Situation wäre, wenn es Tatjana nicht geben würde,
dass sie aber mit der Sache selbst nichts zu tun hat.
Später weiß der Leser dann, dass Maik eigentlich vor seiner Sehnsucht nach Tatjana geflohen ist.
Auf jeden Fall war er am Ende froh, dass er nicht mehr als Langweiler bezeichnet werden konnte. Auf jeden Fall zeigt Tatjana zumindest ein neugieriges Interesse an ihm.
S. 37
Maik versucht beim Hochsprung Eindruck auf Tatjana zu machen,
die bekommt seine Leistung aber gar nicht mit, zeigt also kein Interesse.
Das macht Maik ziemlich fertig und er sieht längere Zeit keinen Ausweg, „bis ich Tschick kennenlernte.“ (39)
S. 57
Hier geht es um Tatjanas Geburtstagsparty in den Sommerferien, wozu die Außenseiter der Klasse – also vor allem Tschick und eben Maik – nicht eingeladen werden.
S. 61:
Maik hoff noch, dass die Nichteinladung nur ein Versehen ist. Tschick muss ihn regelrecht aus dem Warten herausreißen.
Maik gibt sich dann Mühe, eine Zeichnung von Tatjanas Lieblingssängerin zu erstellen, die er ihr schenken kann.
Seite 85:
Tschick bezeichnet Tatjana als „Superstar“ und wundert sich, dass Maik sich scheinbare nicht für sie oder andere Mädchen interessiert. Er hält ihn deshalb sogar für schwul. Später erst merkt er, dass Maik sein Leiden an der Nichtbeachtung von Tatjana so nur bewältigen will.
S. 89
Hier wird im Gespräch mit Tschick deutlich, wieviel Tatjana Maik bedeutet und dass er nicht weiß, wie er – uneingeladen wie er ist – das Geschenk Tatjana zukommen lassen kann.
Letztlich entsteht da die Idee, mit dem Lada zumindest am Ort des Geburtstagsfestes vorbeizufahren und das Geschenk zu übergeben.
S. 91
Das Geschenk wird vorbeigebracht. Tatjana schaut Maik aber nur irritiert an. Bevor sie weiter reagieren kann, hat Tschick Maik schon Richtung Lada gestoßen – es ist richtig eine Flucht.
S. 213
Lange ist Maik mit den Reiseabenteuern beschäftigt.
Dann versucht Tschick Maik klarzumachen, dass Isa, die sie inzwischen kennengelernt haben, sehr viel besser als Freundin zu ihm passen würde.
Tatjana sehe zwar „wirklich superporno“ aus, sei aber im Vergleich zu Isa eine „taube Nuss“. Weiter gehen sie darauf an der Stelle aber nicht ein.
S. 237
Nach der Abenteuerfahrt nimmt im neuen Schuljahr dann Tatjana per Zettelchen plötzlich Kontakt auf zu Maik.
Sie interessiert sich dafür, was mit Maik passiert ist – man sieht ihm seine Abenteuer ja noch an.
Maik weicht aus – Tatjana bohrt nach – und dann landet Maiks Zettel beim Lehrer.
Aus der peinlichen Situation wird er gerettet, weil der Direktor ihn zu einem Gespräch mit Polizisten abholt, was das Interesse an dem ehemaligen Langweiler sicher noch weckt.
Von Tatjana heißt es, sie habe ich bei dieser Zettelgeschichte nicht „amüsiert“ (242)
S. 250
Maik bekommt dann einen Brief von Isa und er überlegt, in welches Mädchen er mehr verliebt ist: „ich wusste es nicht.“
Von Tatjana ist hier keine Rede mehr.
S. 251
Im Gespräch mit der Mutter wird dann deutlich, dass Maik Tatjana nicht mehr liebt, sich bei Isa aber nur unsicher ist, ob sie ihn auch liebt.
Zusammenfassung
Insgesamt wird deutlich, dass Tatjana tatsächlich eine fast „taube Nuss“ ist, aber in einem anderen Sinne, als Tschick das meint.
Sie ist nämlich nur eine Art Projektionsfläche für Maiks Gefühle
und löst dann in gewisser Weise die eigentliche Handlung aus.
Die führt zu einem starken Entwicklungssprung bei Maik, der ihn auch überhaupt nur in die Lage versetzt, seine Geschichte zu erzählen. Am Anfang hat er den Sprung ja schon zum größten Teil hinter sich.
Bei Tatjana ändert sich aber ein bisschen was: Sie interessiert sich jetzt für Maiks Abenteuer, aber nicht wirklich für ihn.
Damit wird deutlich, dass sie insgesamt ein sehr oberflächlicher Mensch ist, der tatsächlich zu Maik überhaupt nicht passt.
Sie hat also eigentlich nur eine passive Rolle in dem Roman und spielt nur in der Hinsicht überhaupt eine Rolle.
