Klärung der Frage, ob Tschick schwul ist (Mat5323)

Worum es hier geht:

Uns interessiert es normalerweise nicht, welche sexuelle Orientierung jemand hat. Das ist seine Privatsache – und wenn er darüber reden oder es zeigen möchte, ist das okay, aber wir wollen in jedem in erster Linie den Menschen sehen.

Aber natürlich kann die sexuelle Orientierung auch in der Literatur eine Rolle spielen – und dann ist es ein Thema für jeden Lesi (Leser und Leserin u.a.), also auch für uns.

So erreichte uns die Frage, ob Tschick in dem gleichnamigen Roman von Wolfgang Herrndorf schwul ist.

Das ist gar nicht so einfach zu klären, weil zwar das Wort „schwul“ recht häufig im Roman vorkommt, vor allem im 16. Kapitel.

Aber das Outing von Tschick geschieht doch sehr einfühlsam indirekt.

Im E-Book, das wir nutzen, ist es auf Seite 214:

Da heißt es nämlich, nachdem Tschick Maik erklärt hat, dass Tatjana im Vergleich zu Isa eine „taube Nuss“ sei:

  • Ich sah Tschick an, und ich glaube, mein Mund stand offen.
  • Ja, ja, du liebst sie. Und sie sieht ja wirklich superporno aus. Aber im Ernst im Vergleich zu Isa ist das eine taube NUSS. Und ich kann das beurteilen, im Gegensatz zu dir.
  • Weil, soll ich dir auch noch ein Geheimnis verraten? , fragte Tschick und schluckte und sah aus, als hätte man ihm eine Bleikugel im Hals versenkt, und dann kam fünf Minuten nichts, und er meinte, dass er es beurteilen könnte, weil es ihn nicht interessieren würde.
  • Mädchen.
  • Dann wieder lange nichts und dann:
  • Das hätte er noch niemandem gesagt, und jetzt hätte er es mir gesagt, und ich müsste mir keine Gedanken machen.
  • Von mir wollte er ja nix, er wüsste ja, dass ich in Mädchen und so weiter, aber er wäre nun mal nicht so und er könnte auch nichts dafür.
  • Und man kann jetzt denken von mir, was man will – aber ich war nicht wahnsinnig überrascht.“

Das ist eine grandiose Leistung des Autors – alles zu sagen, aber eben nicht offen, direkt, sondern so, dass nur das Notwendigste gesagt wird, was nur ein Freund versteht.

Und das Schärfste: Das wird auch noch benutzt, um Maik zu helfen, sich über seine wirklichen Gefühle klar zu werden.

Damit wird in mehrfacher Hinsicht klar, dass es sich bei „tschick“ um einen Roman handelt, der vor allem die Entwicklung von zwei jungen Menschen zeigt.

Maik lernt durch Tschick, dass er kein Langweiler ist und kann das ja später auch auf besondere Art und Weise zeigen.

Außerdem wird er sich über seine wahren Gefühle klar und kann darüber auch reden. Wichtig ist das Zeigen der Zeichnung für Tatjana, die er vorher durchgerissen und dann wieder geklebt hat.

Aber auch dieser selbstbewusste, originelle Tschick schafft es, über ein „Geheimnis“ zu reden, das er nicht jedem erzählen konnte oder wollte. Und das ist eben eine sexuelle Orientierung, die zur Zeit, in der der Roman spielt, noch nicht so eine Selbstverständlichkeit war, wie man es sich heute im Sinne von Toleranz wünscht.

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