Vergleich Goethe, „Prometheus“ und „Seefahrt“: Von der Sammlung der Textsignale zu den Aussagen (Mat8270)

Worum es hier geht:

Es soll gezeigt werden, wie man ein sehr schönes Gedicht der Epoche des Sturm und Drang auf die wichtigen Signale hin abklopfen kann – und wie man daraus am Ende die Aussagen des Gedichtes ermittelt.

Am Ende dann noch ein sich aufdrängender Vergleich mit dem Gedicht „Prometheus“ – auch von Goethe.

Signale und Aussagen des Gedichtes „Seefahrt“

Wir präsentieren erst mal nur das Ergebnis.

Links das Gedicht und rechts daneben die Herausarbeitung der Signale und schließlich ihre Bündelung zu Aussagen.

Unten dann die Textfassungen:

Signale, den Strophen zugeordnet

Seefahrt

(01)
Lange Tag’ und Nächte stand mein Schiff befrachtet;
Günstger Winde harrend, saß mit treuen Freunden,
Mir Geduld und guten Mut erzechend,
Ich im Hafen.

  • Lust auf sinnvolle Tätigkeit, typisch für Goethes Verständnis des Menschen, vgl. Wilhelm Meister = Dienst in/an der Gemeinschaft
  • Einbindung in hilfreiche Freundschaft – Mensch als Teil der Gemeinschaft

(02)
Und sie waren doppelt ungeduldig:
Gerne gönnen wir die schnellste Reise,
Gern die hohe Fahrt dir; Güterfülle
Wartet drüben in den Welten deiner,
Wird Rückkehrendem in unsern Armen
Lieb und Preis dir.

  • Volles Mitgehen, echtes Interesse der Freunde an der bevorstehenden Ausfahrt, in Erwartung regelrechter „Güterfülle“

(3)
Und am frühen Morgen wards Getümmel,
Und dem Schlaf entjauchzt uns der Matrose,
Alles wimmelt, alles lebet, webet,
Mit dem ersten Segenshauch zu schiffen.

  • Eine zu Nr. 1 passende Begeisterung, als es endlich den ersten „Segenshauch“ gibt.
  • Deutlich wird, dass die ganze Mannschaft mitziehet.
  • Aber auch die Freunde bleiben auf der Mitzieh-Linie

(4)
Und die Segel blühen in dem Hauche,
Und die Sonne lockt mit Feuerliebe;
Ziehn die Segel, ziehn die hohen Wolken,
Jauchzen an dem Ufer alle Freunde
Hoffnungslieder nach, im Freudetaumel
Reisefreuden wähnend, wie des Einschiffmorgens,
Wie der ersten hohen Sternennächte.

  • Man fühlt sich in großen kosmischen Zusammenhängen („Sternennächte“)

(5)
Aber gottgesandte Wechselwinde treiben
Seitwärts ihn der vorgesteckten Fahrt ab,
Und er scheint sich ihnen hinzugeben,
Strebet leise sie zu überlisten,
Treu dem Zweck auch auf dem schiefen Wege.

  • Zum Leben gehören auch Widrigkeiten. Dann kommt es darauf an, sein Ziel im Auge zu behalten und die Widerstände und Probleme möglichst zu überlisten (Lebensschicksal wird hier ziemlich sportlich gesehen).

(6)
Aber aus der dumpfen grauen Ferne
Kündet leise-wandelnd sich der Sturm an,
Drückt die Vögel nieder aufs Gewässer,
Drückt der Menschen schwellend Herz darnieder;
Und er kommt. Vor seinem starren Wüten
Streckt der Schiffer klug die Segel nieder,
Mit dem angsterfüllten Balle spielen
Wind und Wellen.

  • Zum Leben gehören auch größere Gefahren, die einem durchaus Angst einjagen können – wird wird aus List Klugheit.

(7)
Und an jenem Ufer drüben stehen
Freund’ und Lieben, beben auf dem Festen:
Ach, warum ist er nicht hier geblieben!
Ach, der Sturm! Verschlagen weg vom Glücke!
Soll der Gute so zugrunde gehen?
Ach, er sollte, ach, er könnte! Götter!

  • Deutlich wird, dass die Freunde, die die Gefahr mitbekommen, mehr Angst haben als der Seemann selbst. Sie wissen ja auch nicht, wie es um ihn steht, und können vor allem nichts machen.

(8)
Doch er stehet männlich an dem Steuer:
Mit dem Schiffe spielen Wind und Wellen,
Wind und Wellen nicht mit seinem Herzen.
Herrschend blickt er auf die grimme Tiefe
Und vertrauet, scheiternd oder landend,
Seinen Göttern.

  • Am Ende zeigt sich eine Herrscher-Haltung absoluter Männlichkeit, die Gefahren können das Herz nicht berühren.
  • Am interessantesten ist am Ende die Bereitschaft, in der richtigen Haltung jede Wendung des Schicksals anzunehmen, das glückliche Anlanden im Hafen genauso wie das Scheitern. Das Vertrauen die die eigenen Götter bleibt erstaunlicherweise davon unberührt. (Guter Anknüpfungspunkt für eine Diskussion)

Formulierung des Aussagen

Bündelung der Signale zu Aussagen des Gedichtes:Das Gedicht zeigt

  1. Lust am Tätigsein – sowohl beim Einzelnen wie auch bei der Gemeinschaft
  2. Bedeutung einer Freundschafts-Community, die einen aufmuntert, sich mitfreut und ggf. auch mitzittert
  3. Die Fähigkeit zu einer unglaublichen Begeisterung
  4. den listigen Umgang mit Widrigkeiten und die Fähigkeite zur Klugheit in wirklich schwierigen Situationen
  5. Die Bereitschaft zur Annahme des Schicksals im Vertrauen auf größere Zusammenhänge (eine positive Variante des Sich-in-sein-Schicksal-Ergeben“)

Vergleich mit Goethe, „Prometheus“

Auf der folgenden Seite sind wir genauer auch auf dieses Gedicht eingegangen:
https://www.einfach-gezeigt.de/goethe-prometheus-aussagen-deutung

  1. Dort haben wir eine ganz andere Ausgangssituation: Ärger über die Behandlung durch den Obergott Zeus
  2. ausführliche Selbstvergewisserung der eigenen Kräfte und Fähigkeiten
  3. und am Ende die trotzige Absicht, selbst eine Art Gott zu werden, indem man Menschen nach dem eigenen Bilde formt.
  4. In „Seefahrt“ dann alles eine Nummer kleiner – keine Rivalität und schließlich sogar teilweise Entthronung der Götter, sondern Vertrauen auf sie, aber vor allem auf die eigene Kraft.
  5. Dazu lustvolle Konzentration auf die ganz normale sinnvolle Tätigkeit und die starke Integration in eine Gemeinschaft von Freunden, die Freud und Leid teilen und sich mitfreuen.

Weitere Infos, Tipps und Materialien