Wie ahmt man den Schreibstil eines Autors nach? Beispiel „Tauben im Gras“ (Mat8123)

Worum es hier geht:

Wenn es um Sprache geht, ist der einfachste Weg des Lernens der der Nachahmung. Das kann man durchaus auch beim Schreibstil eines Autors probieren.

Wir zeigen mal, wie eine Schülerin das bei dem Roman „Tauben im Gras“ geschafft hat.

Was in der Schule manchmal zu kurz kommt:

Fast alle sind sich einig, dass der Umgang mit Literatur in der Schule nicht ausschließlich oder nicht einmal vorwiegend analytisch erfolgen sollte. Aber nur selten ergibt es sich, dass Schüler wirklich durch „nachahmendes“ und zugleich kreatives fortentwickelndes bzw. anpassendes Schreiben einem Dichter gewissermaßen „auf die Spur“ kommen – um nicht zu sagen „auf die Schliche“. Letzteres darf natürlich nicht negativ verstanden werden – es geht eher um ein einvernehmliches Spiel zwischen Autor und Leser.

Ein „nachahmenswertes“ Beispiel:

Das folgende Beispiel zeigt, dass Schüler bzw. Schülerinnen kurz vor dem Abitur durchaus in der Lage sind, große Textvorlagen auch nach-schreibend zu erfassen.

Wir drucken den Text mit dem Einverständnis der Verfasserin hier einfach mal ab – weiter unten gibt es eine PDF-Variante, die auch Aufgabenvorschläge enthält.

Wir würden uns freuen, wenn das Beispiel auch anderen (Lehrern wie Schülern) Mut macht, sich schreibend zu erproben.

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Jule W.

Papageien im Baum

Regen fiel auf das Dachfenster, prasselnd, hämmernd, unentwegt, ohne Erbarmen, der ewige Tropfen auf dieselbe Stelle, schmerzhaft, störend, die Steinigung der Nerven.

Der Lehrer, der Redner, der Mittelpunkt, der Herr des Raumes redete, Anreihungen von Wörtern, inhaltslos, ein Summen im Ohr der Tauben, Gehörlosen, Schüler.

Der Blick, die verzweifelte Hoffnung, auf die Uhr, den schläfrigen Vertrauten, den Feind, den Fels, der Halt. Das Warten in Ungeduld, stiller Hass, auf das Ziel, die Befreiung, Erlösung, das Ablaufen der Zeit, das Ende des Weges, jeden einzelnen Schritt des Zeigers, die stetige Bewegung, das leise Ticken, das Zucken, das plötzliche Erbeben, der Grashalm, an den sie sich klammerten.

Die Gedanken verschwammen, betäubten die Realität, übertönten den Redner ohne Zuhörer, ein Wirrwarr aus Strängen, unzusammenhängend, ohne erkennbares Ziel, grundlos, belanglos, einnehmend, verknotet, fesselnd.

Die Gesichter der Gefangenen, Ausharrenden, Geduldigen schwer, weiß, käsig, emotionslos, leer, hängend, mit verstärkter Schwerkraft. Die Augenlieder der Benommenen fallen, schließen das Fenster zum rastlosen Vakuum, erzählen von Trägheit, frei von Konzentration, schmerzend.

Die Münder leicht geöffnet, geräuschlos, stumm, orientierungslose Fische mit blinden Augen, die nichts und alles sehen. Betäubte Menschen, Geister, Gehorchende, Untertanen des gefolgelosen Königs.

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Arbeitsblatt: Versuch, den besonderen Schreibstil Wolfgang Koeppens in „Tauben im Gras“ nachahmend zu erfassen – mit Aufgaben
Modernisierung Tauben im Gras Papageien.[…]
Mat8123 Modernisierung Tauben im Gras zu Papageien

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