5-Minuten-Tipp zu Brecht, „Vom ertrunkenen Mädchen“ (Mat5461)

  1. Das Gedicht ist zum Beispiel hier zu finden und wird dort auch im Zusammenhang vergleichbarer Texte erklärt. In der Suhrkamp-Ausgabe der Gedichte Brechts steht es auf S. 252 und in der Anmerkung auf S. 1282 wird darauf hingewiesen, dass es ein Bestandteil des frühen Dramas „Baal“ (entstanden 1918/1919) von Brecht ist.
  2. In der ersten Strophe wird man  an andere Gedichte um eine Gestalt aus Shakespeares Drama „Hamlet“ erinnert – ein Mädchen, das seine Liebe nicht leben kann und aus Verzweiflung zu Tode kommt.
  3. In der ersten Strophe schwimmt die Leiche des Mädchens im großen Flusssystem und scheint der Himmel sich für sie noch „begütigend“ zu interessieren, als könnte da etwas gemildert werden.
  4. Wichtig ist der „Opal des Himmels“ – herangezogen wird also als Bild ein Edelstein, der sich entweder wegen Farbe und Struktur auf den ganzen Himmel bezieht oder aber wohl für den Mond steht – denn später ist ja von „nachts“ die Rede.
  5. In der zweiten Strophe wird eine Entwicklung angedeutet, die sie zum einen hinabsinken lässt, zum anderen zu einem Teil der Natur werden lässt.
  6. Die dritte Strophe geht auf einen größeren Zeitraum ein und versucht auch noch, eine positive Atmosphäre zu verbreiten. Das endet schließlich sogar in der Vorstellung, die Natur versuche, die Leiche noch wie etwas Lebendiges zu behandeln.
  7. Die vierte Strophe schließt das dann ab: Die Leiche hat sich aufgelöst, vorbei ist es mit allen Beschönigungsversuchen, es ist sogar von „Aas“ die Rede. Damit ist der Mensch nicht nur zu einem Teil der Natur geworden, sondern in einem für uns negativen Sinne auf die Tierstufe herabgewürdigt.
  8. Am wichtigsten dann der Hinweis, „daß Gott sie allmählich vergaß“. Das bedeutet hier wohl soviel, dass Gott sich eigentlich genauso verhält wie die Natur. Denn die kümmert sich auch nicht mehr um etwas, was sein Leben hinter sich hat. Es kann aber auch sein, dass das Bewusstsein Gottes als Teil der Existenz hier mit dem Leben des Mädchens auch zu Ende geht, also nur in ihr bzw. im menschlichen Bewusstsein existierte.
    An dieser Stelle sei noch auf das literarische Mittel Brechts verwiesen, die schöne „Opal“-Atmosphäre des Anfangs zur „Aas“-Atmosphäre am Schluss zu verändern. Damit zeigt sich auch sprachlich die Veränderung, die die Natur in der Sache betreibt.
  9. Insgesamt ein Gedicht, das im typisch expressionistischen Sinne die negativen Seite des Lebens ohne Beschönigung darstellt und darüber hinaus auch noch alles Schöne als zeitbedingt präsentiert.
  10. Wenn man die entsprechenden Gedichte von Gottfried Benn kennt, sind Übereinstimmungen, aber auch Unterschiede sehr deutlich.
    Auf dieser Seite wird dem Gedicht von Benn das Jahr 1912 zugewiesen. Brecht könnte es also gekannt und um den antireligiösen Aspekt erweitert haben.

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