Anmerkungen zum Gedicht „Vielleicht“ von Lessie Sachs (Mat4321)

Gedichtinterpretation: „Vielleicht“ von Lessie Sachs

  • Für Schüler und Schülerinnen:
    Wir helfen z.B. bei den folgenden Fragen

    • Worauf achte ich bei diesem Gedicht?
    • Was macht es besonders?
    • Was sagt es aus?
    • Und mit welchen Mitteln werden die Aussagen unterstützt?
    • Was kann ich mit dem Gedicht anfangen?

 

  • Für Lehrkräfte:
    • Die Präsentation von Tipps kann helfen, sich konsequent an die Aussagen des Gedichtes heranzuarbeiten.
    • Dazu ein kreativer Impuls.

 

Das Gedicht ist zum Beispiel hier zu finden.

Erste Tipps für die Annäherung ans Gedicht

Tipp 1:
Die Überschrift enthält schon das Thema des Gedichtes, Nämlich die Fragen, die jemand sich stellt, der möglicherweise gerade die Chance zu einer guten Beziehung hat vorübergehen lassen.

Tipp 2:
3 Strophen, Kreuzreim

Tipp 3: Rhythmus: Es beginnt mit einem fünfhebigen Jambus, also der regelmäßigen Abfolge eine und betonten und einer betonten Silbe.

Heut sah ich auf der Strasse einen Herrn,
Er sah mich mutig an, – jedoch vergebens.
Er hatte meinen Typ wahrscheinlich gern,
Vielleicht war er die Chance meines Lebens?

Tipp zu Strophe 1:

Das Gedicht beginnt mit dem Rückblick auf ein Erlebnis, bei dem ein Herr wahrscheinlich das lyrische Ich als Dame „mutig“ angeschaut hat. Das lyrische Ich vermutet, dass dieser Herr einen bestimmten Typ von Frau gern hat und die Chance seines Lebens gesehen hat. Schon in der zweiten Zeile macht dann der Gegensatz von „mutig“ und „vergebens“  deutlich, dass diese Chance nicht genutzt werden konnte.

Vielleicht war er der beste Mann der Welt?
Ich ging vorbei, um’s nachher zu bereuen, –
Ich war so garnicht auf ihn eingestellt,
Man steht manchmal so ängstlich vor dem Neuen.

Tip zu Strophe 2:

  • Hier verfolgt das lyrische Ich das Problem der verpassten Chance weiter, indem es sich vorstellt, was dieser Herr hätte vielleicht bedeuten können: Vielleicht wäre er „der beste Mann der Welt“ gewesen.
  • Dann die Erinnerung an das, was geschehen ist und was inzwischen bereut wird.
  • dann die Erinnerung an das, was geschehen ist und was inzwischen bereut wird.
  • Es folgen am Ende Überlegungen, woran es gelegen haben könnte, dass nichts draus geworden ist:
    • Als erstes geht es um die ungünstige persönliche Situation,
    • In der letzten Zeile dann um ein allgemeines Problem, dass die meisten Menschen „vor dem Neuen“ Angst haben.

Vielleicht war er der Mann, der mir gefehlt,
Vielleicht … hab‘ ich nicht viel an ihm verloren.
Der Zeitpunkt jedenfalls war schlecht gewählt:
Es gibt Momente, welche fehlgeboren …

Tip zu Strophe 3:

  • Die letzte Strophe wiederholte noch einmal die Sorge aus der vorangehenden Strophe. Dann aber geht das lyrische ich zum Gegenteil über und denkt auch an die Möglichkeit, dass es „nicht viel an ihm verloren hat“.
  • am Ende greift das lyrische Ich noch einmal den Aspekt des Zeitpunkts auf und tröstet sich damit, dass die Situation eben ungünstig war.
Tipp zur Aussage des Gedichtes:

Insgesamt zeigt das Gedicht eine besondere Art von Ausgangspunkt für eine mögliche Beziehung und spielt dann den Fall durch, dass man gewissermaßen unvorbereitet war oder nicht geschickt genug reagiert hat.

Tipp: Künstlerische Mittel
  • Gegensatz in I,2
  • Wiederholung des Schlüsselwortes „vielleicht“
  • Die drei Auslassungspunkte, die das Nachdenken und den anschließenden Meinungswechsel deutlich machen.
  • Am stärksten der Neologismus „fehlgeboren“, der die Metapher „Geburt“ für den Beginn von etwas Neuem enthält.
Tipp: Kreativer Impuls

Vielleicht – hast du auch schon mal gezögert?
Du siehst, man muss das gar nicht nur im Hinblick auf Liebe u.ä. betrachten.
Es gibt viel mehr Gelegenheiten, die man vielleicht nicht auslassen oder vorübergehen lassen sollte.

  • Manchmal gibt es Momente, in denen sich eine Chance andeutet – ein Gespräch, eine Begegnung, ein mutiger Schritt. Und trotzdem zögern wir. Vielleicht aus Unsicherheit. Vielleicht aus Angst, etwas falsch zu machen. Und dann ist der Moment vorbei.
  • Das Gedicht „Vielleicht“ von Lessie Sachs spricht genau von solchen Situationen. Ein kurzer Blick. Eine Geste. Etwas, das nicht gesagt wurde – und vielleicht nie wiederkehrt.
  • Kennst du solche Situationen? Hier ein paar Beispiele aus dem Alltag:
    •  Du siehst jemanden in der Bahn oder Mensa, der dich interessiert – aber du sprichst ihn oder sie nicht an.
    • Du willst bei einem Projekt mitmachen oder jemandem helfen – aber du traust dich nicht zu fragen.
    • Du hättest etwas sagen oder schreiben können – aber der richtige Moment schien nie zu kommen.
  • Solche „Vielleicht“-Momente gehören zum Leben – aber man kann daraus auch lernen: den eigenen Mut spüren, bewusster auf andere zugehen oder sogar selbst Gedichte oder Texte schreiben, die solche Gefühle ausdrücken.

Tipp: Achte mal in Filmen, Serien oder deinem Alltag auf diese kleinen Gelegenheiten. Du wirst überrascht sein, wie oft Menschen sich etwas wünschen – und dann schweigen.

Ergänzung: Frage nach der Epoche
  • Die lockere, zum Teil ironische, auf jeden Fall aber sachliche, vielleicht sogar zu sachliche Art und Weise der Darstellung spricht für die Epoche der „Neuen Sachlichkeit“.
  • Von der Lebenszeit der Autorin aus würde es auch passen:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Lessie_Sachs
Ergänzung: Frage nach der Bedeutung der Form

Was die Gedichtform angeht,

  • So hat man drei parallel aufgebaute Strophen mit Kreuzreim
  • Und einem fünfhebigen Jambus.
  • Der passt zu dem oben schon angesprochenen lockeren Ton.
  • Zum Aufbau gehört natürlich auch der Einbau des Titelwortes:
    In den ersten beiden Strophen nur einmal, aber schon in unmittelbarer Nachbarschaft, was den Effekt verstärkt.
  • In der 3. Strophe dann eine ähnliche Wiederholung – nur diesmal innerhalb des Gedichtes.
  • Hier haben wir den „Gag“, den literarischen Einfall, der dem Gedicht eine besondere Würze gibt.
  • Denn die dreifache Wiederholung des Wortes steht anscheinend für so viel Nachdenklichkeit, dass es jetzt reicht, um auch das Gegenteil zu denken.
  • Am Ende dann eine Art Ausklang der Beruhigung, des Sich-Abfindens mit dem, was da inhaltlich steht und so auch durch die Form unterstützt wird.

Wer noch mehr möchte …