5-min-Tipp zu Novalis, „An Julien“ – zwischen Liebesgedicht und Liebesbrief (Mat4331)

Thema als Fragestellung:

  • Thema: Das Gedicht behandelt die Frage, wie eine Liebe gesehen werden kann.

Auswertung der Strophe 1

  • Strophe 1:
    • Zusammenstellung von Dingen, über die das lyrische Ich sich sehr freut.
    • Am Ende dankt es „dem süßen Wesen“ = wohl Gott, der das lyrische Ich und sein geliebtes Gegenüber zusammengeführt hat.

Dass ich mit namenloser Freude
Gefährte deines Lebens bin
Und mich mit tiefgerührtem Sinn
Am Wunder deiner Bildung weide –
Dass wir aufs innigste vermählt
Und ich der Deine, du die Meine,
Dass ich von allen nur die Eine
Und diese Eine mich gewählt,
Dies danken wir dem süßen Wesen,
Das sich uns liebevoll erlesen.

Auswertung der Strophe 2

O! lass uns treulich ihn verehren,
So bleiben wir uns einverleibt.
Wenn ewig seine Lieb uns treibt,
So wird nichts unser Bündnis stören.
An seiner Seite können wir
Getrost des Lebens Lasten tragen
Und selig zueinander sagen:
Sein Himmelreich beginnt schon hier,
Wir werden, wenn wir hier verschwinden,
In seinem Arm uns wiederfinden.

  • Strophe 2:
    • Aufforderung, dem Urheber ihrer Liebe treu zu bleiben.
    • Erwartung, dass dann keine Störung in der Beziehung eintritt
    • und man auch besser „des Lebens Lasten“ tragen kann.
    • Annahme, dass so das Himmelreich schon auf der Erde erreicht wird
    • und man im Jenseits dann bei Gott und zusammen ist.

Zusammenfassung der Aussagen des Gedichtes

  • Das Gedicht zeigt
    • wie sehr das lyrische Ich glaubt, dass sein Liebesglück auf Gott zurückzuführen ist,
    • wie sehr es deshalb auch bereit ist, diesem Gott treu zu bleiben
    • und wie optimistisch es ist, dass so schon der Himmel auf Erden beginnt und man zusammen dann im Jenseits auch noch bei Gott sei wird.

Künstlerische Mittel, die die Aussagen unterstützen:

  • Die „dass“-Aneinanderreihungen in der ersten Strophe
  • und die damit verbundene Hervorhebung des Schlusspunktes in den letzten beiden Zeilen.
  • Wortspiel mit „der Deine“ und „die Meine“ und Wiederholung von „die Eine“, um die Gemeinsamkeit deutlich zu machen.
  • Ausruf „O!“
  • „einverleibt“ als Bild für die enge Zusammengehörigkeit
  • „verschwinden“ = verschleiernde Umschreibung für den Tod

Zusammenfassung und kritische Anmerkungen

  1. Insgesamt eine sehr religiös dominierte Liebesvorstellung,
  2. die ausschließlich vom Mann aus präsentiert wird – auch im Bereich der Forderungen.
  3. Die Frage ist, wie heute eine Beziehung so auf Ewigkeit hin ausgerichtet werden kann, wenn es keine so extreme religiöse Grundlage gibt.

Anregung:

Man könnte sich mit dem Leben von Novalis beschäftigen – dann sieht man, dass dieses Liebesgedicht fast ein Liebesbrief ist, weil er sich an seine zweite Verlobte richtet.

Dazu kommt das Problem, dass dieser Novalis weiß, dass er sich im Jenseits plötzlich zwei Frauen gegenübersieht, mit denen er verlobt war.
https://de.wikipedia.org/wiki/Novalis

  • „Lange Zeit wurde das gesamte Werk des jungen Dichters, in dessen Mittelpunkt die Hymnen an die Nacht gestellt wurden, stark biographisch, vor allem mit Blick auf den frühen Tod seiner ersten Verlobten, Sophie von Kühn, hin ausgedeutet“
  • „Seine zweite Verlobung ging Novalis im Dezember 1798 mit der Tochter des Berghauptmanns und Freiberger Professors Johann Friedrich Wilhelm von Charpentier (1738–1805) ein: Julie von Charpentier (1778–1811).“

Wer noch mehr möchte …