5-Minuten-Tipp zu: Walter Helmut Fritz, „Augenblicke“ mit kreativer Füllung einer Lücke (Mat942)

Die Kurzgeschichte ist u.a. hier zu finden.

Die Fünf-Minuten-Kurzversion:

  1. Die Mutter braucht Hilfe im Alleinsein,
  2. macht aber den Fehler, nicht offen zu sein, sondern so zu tun, als wollte sie nicht stören, um dann doch zu stören.
  3. Die Tochter ist extrem genervt, sie schafft es anscheinend nicht, von sich aus das Problem anzusprechen und dann vielleicht zu lösen.
  4. Sie verhält sich eigentlich ähnlich wie die Mutter, kann nicht offen sein.
  5. Leider erfährt man nichts über die Vorgeschichte, ein offensichtlicher Mangel der Erzählung – denn es ist nicht die Aufgabe des Lesers, dem Autor das Erzählen abzunehmen. Er ist allenfalls zuständig für das Weiterdenken oder auch Andersdenken. Man kann das natürlich auch so sehen, dass diese Geschichte sich nur auf das Genervtsein konzentriert und es dem Leser überlässt, das mit eigenen Erfahrungen zu füllen.
  6. Vor diesem Hintergrund muss man befürchten, dass hier nur noch dritte Personen helfen können, mit dem Ziel, diese beiden traumatisierten Personen erst mal zu trennen, damit sie dann vielleicht wieder zusammenkommen können.

Ausführlicher: Erzählschritte

  1. Direkter Einstieg: Die Tochter steht vor dem Spiegel im Badezimmer, als ihre Mutter unter einem Vorwand hereinkommt.
  2. Unmittelbare Reaktion: Die Tochter hat das schon erwartet – die Mutter stört sie anscheinend ständig oder zumindest häufig.
    • Signal: Es gibt ein Problem zwischen Mutter und Tochter.
  3. Die Tochter, Elsa, ist völlig verspannt, weil die Mutter „voller Behutsamkeit, mit jener scheinbaren Zurückhaltung“ hereinkommt, „die durch ihre Aufdringlichkeit die Nerven freilegt“.
  4. Elsa reagiert darauf „behext, entsetzt, gepeinigt“. Hintergrund ist ihre Furcht vor diesem Auftreten der Mutter.
    • Signal: Die Mutter bemüht sich um Nicht-Störung, erreicht aber das Gegenteil.
    • Leserfrage: Was steckt hinter dieser extremen Reaktion der Tochter?
  5. Elsa will das Problem für sich lösen, indem sie hinausgeht, wird aber anschließend von der Mutter regelrecht verfolgt: „Die Mutter nahm die Verzweiflung ihrer Tochter nicht einmal als Ungeduld wahr.“
  6. Die Tochter reagiert darauf, indem sie eine Wohnungsvermittlung sucht. Das heißt: Sie will das Problem jetzt durch Ausziehen aus der gemeinsamen Wohnung lösen. Das Problem lässt sich aber so nicht lösen, weil Elsa keine Vermittlung findet.
  7. Ihre Reaktion: Orientierungsloses Herumlaufen mit dem Ziel, dass die Mutter schon schläft, wenn sie nach Hause kommt.
  8. Ihre Absicht des Auszugs bleibt.
  9. Dann die Info, dass der Mann der Mutter gestorben ist und die Mutter versucht, ihr Alleinsein durch Sich-Anhängen an die Tochter zu mildern.
  10. Nach der Rückkehr geht Elsa gleich auf ihr Zimmer und möchte am liebsten „schreien“ „in die Nacht mit ihrer entsetzlichenGelassenheit.“

Aussage(n) der Geschichte

Die Geschichte zeigt

  1. die Angst vor dem Alleinsein einer Mutter nach dem Tod ihres Mannes
  2. ihren Versuch, das durch Kontakt zu ihrer Mutter auszugleichen
  3. die extreme Reaktion der Tochter auf ein Missverhältnis zwischen den Bemühungen der Mutter um Nicht-Störung und der real von ihr empfundenen Belästigung,
  4. die Entschlusskraft der Tochter, das Problem für sie durch Auszug aus der gemeinsamen Wohnung zu lösen,
  5. die damit zumindest aktuell verbundenen praktischen Probleme
  6. am Ende die Verzweiflung der Tochter angesichts der Bedürfnisse ihrer Mutter, verbunden mit Krankheit, die ihr zu schaffen machen.
  7. Wichtig: Die Geschichte zeigt aber auch etwas, das nicht stattfindet, auch auf so etwas muss man immer achten:
    Nämlich ein Kommunikationsproblem bei der Tochter und ihre offensichtliche Unfähigkeit, das Problem mit der Mutter zu besprechen.

Kurzgeschichten-Eigenschaft

  • direkter Einstieg ist gegeben
  • Alltagssituation
  • Möglicher Wendepunkt
  • offenes Ende zwischen weiterer Rücksichtnahme – auch angesichts der Schwierigkeiten, eine passende Wohnung zu finden, und Entschlossenheit, das Problem durch Auszug zu beenden.

Kritik und Kreativität

  • Die Geschichte liefert wenige Hinweise zur Vorgeschichte – normalerweise wird das nach dem direkten Einstieg nachgeholt.
  • Allerdings könnte es auch sein, dass diese Geschichte nur das Genervtsein deutlich machen will und es gerade dem Leser überlässt, es mit eigenen Erfahrungen zu füllen. Das würde auch zur Überschrift „Augenblicke“ passen – denn die sind ja punktuell und beziehen die Vorgeschichte normalerweise nicht ein.
  • Den vermeintlichen „Mangel“ könnte man ausgleichen, indem man eine Rückblick-Phase einbaut, in der die Tochter sich zu dem Entschluss durchringt: „Es reicht“.
    [Anmerkung: In der Kurzgeschichte gibt es sehr viel später einige Informationen zum Alleinsein der Mutter, die man einbeziehen kann. Weiter vorne würden sie aber besser passen.]
    Dieser Einschub würde hier passen:

    • „Wenig später allerdings verließ Elsa das Haus, ohne ihrer Mutter adieu zu sagen.“
    • Es reichte ihr jetzt endgültig. Natürlich hatte sie Verständnis dafür, dass ihre Mutter sich einsam fühlte nach dem Tod ihres Mannes. Aber warum konnte man mit ihr nicht offen reden? Immer wenn sie vorsichtig das Problem ansprach, kam die Reaktion: „Ach, lass mal Kindchen, jeder muss sein Päckchen tragen.“ Aber sie trug es eben nicht, sondern übertrug es auf sie, die andere Sorgen und Wünsche hatte. Sie wäre ja bereit gewesen, der Mutter etwas von ihrer Einsamkeit zu nehmen. Sie hätten mal ins Kino gehen können oder ins Theater. Aber so war das unerträglich – immer diese Verlogenheit – so zu tun, als ob nichts wäre und zugleich fürchterlich präsent, regelrecht drängend zu sein. Es reichte jetzt.“
    • „Mit derTram1 fuhr sie in die Stadt, in die Gegend der Post. Dort sollte es eine Wohnungsvermittlung geben …“
  • Jetzt braucht die Tochter selbst Hilfe.
    • Sie könnte sich an eine Freundin wenden –
    • oder professionelle Hilfe in einer psychologischen Praxis einholen – zusammen mit ihrer Mutter. Denn dies Problem hat sich so eingefressen, dass eine dritte Person nötig ist, um zu vermitteln.
    • Die Tochter könnte aber auch die Mutter bewegen, mal wieder eine alte Freundin oder einen Verwandten zu besuchen, womit sich die Fixierung auf sie als Tochter mildern oder gar beseitigen ließe.

Weitere Idee: Ein Innerer Monolog der Mutter

siehe dazu die folgende Seite:
https://textaussage.de/wie-man-einen-inneren-monolog-in-einer-kurzgeschichte-einbauen-kann-beispiel-walter-helmut-fritz-augenblicke

Vergleichs-Tipp

Diese Geschichte kann man gut vergleichen mit:

Bichsel, „Die Tochter“
https://textaussage.de/bichsel-die-tochter-interpretation

Weitere Infos, Tipps und Materialien 

https://textaussage.de/weitere-infos