5-Minuten-Tipps zu Ludwig Tieck, „Ungewisse Hoffnung“ (Mat4282)

Tipp 1: zur Überschrift

  • Die Überschrift ist eigentlich ein Widerspruch in sich, denn jede Hoffnung ist Nicht-Sicherheit.
  • Dennoch drückt die Überschrift natürlich etwas aus, nämlich zunächst einmal eine Hoffnung, die dann wohl erst mal nur ein bisschen eingeschränkt wird.
  • Das gehört zur Hoffnung ja auch dazu, dass sie einem wichtig ist, auch wenn man die Ungewissheit akzeptieren muss.
  • Aber man verdrängt sie natürlich gerne und man fühlt sich dann auch entsprechend besser.

Tipp 2: zu den einzelnen Strophen

Soll ich harren? soll mein Herz
Endlich brechen?
Soll ich niemals von dem Schmerz
Meines Busens sprechen?

  • Die erste Strophe besteht aus drei wachsenden Fragen.
  • In der ersten fragt sich das lyrische Ich, ob es weiter warten soll.
  • Die zweite Frage ist dann in gewisser Weise eine Antwort auf die erste. Denn dort geht es darum, ob das lyrische Ich nicht doch brechen sollte, also die Hoffnung aufgeben.
  • Die dritte Frage geht in eine andere Richtung. Da geht es nämlich darum, ob das lyrische Ich von dem Schmerz in ihm sprechen soll. Das Gedicht ist höchstwahrscheinlich eine positive Antwort darauf.

Warum Zittern? Warum Zagen?
Träges Weilen?
Auf! dein höchstes Glück zu wagen!
Flügle deine Eile!

  • Die Strophe stellt noch einmal drei Fragen, die aber alle sehr kurz sind.
  • Sie stellen eigentlich alles infrage, was dann in den letzten beiden Zeilen positiv angesprochen wird, nämlich sich zu beeilen, um das höchste Glück zu erreichen.
  • Zwischenfazit:
    • Das lyrische Ich analysiert gewissermaßen die eigene Situation, die wohl von unerfüllter Liebe bestimmt ist.
    • Und am Ende fasst es den Entschluss, jetzt alles zu tun, um sein Glück zu realisieren.
    • Anmerkung: Zu diesem Ergebnis kommt man nur, wenn man „induktiv“ vorgeht, d.h. immer nur das zusammenfasst, was man bisher gelesen hat.
    • Nachteil: Man muss sein Urteil möglicherweise ändern. Aber damit folgt man genau der Lenkung des Textes – und das gehört auch zu den künstlerischen Mitteln.
  • Man ist gespannt, welche Möglichkeiten das lyrische Ich hier sieht und wie es die Sache angehen will.

Suchen werd‘ ich: werd‘ ich finden?
Nach der Ferne Ferne,
Treibt das Herz; durch blühnde Linden
Lächeln dir die Sterne.

  • Die letzte Strophe beginnt dann mit einer genaueren Beschreibung der Bemühungen. Die bestehen allerdings nur aus einem sehr allgemeinen Suchen. Übrigens: Von Liebe zu einer Person keine Spur.
  • Dementsprechend macht sich auch gleich wieder Skepsis breit, ob dabei auch etwas gefunden wird.
  • Der Rest der Strophe besteht aus dem typischen romantischen Impuls, die Ferne als verlockend anzusehen und sich dorthin getrieben zu fühlen.
  • Der Schluss ist nicht ganz klar:
    • Wahrscheinlich soll er wohl bedeuten, dass die Sterne günstig stehen.
    • Vielleicht ist hier an Astrologie gedacht, die da in früheren Zeiten eine große Rolle spielte.
    • Wenn irgendwo eine Entscheidung oder eine gefährliche Aktion anstand, befragte man die Sterne oder suchte andere Möglichkeiten, sich die Zukunft voraussagen zu lassen, Uu auf diese Art und Weise möglichst positive Sicherheit zu bekommen.

Tipp 3: zur Aussage des Gedichtes

  • Insgesamt zeigt das Gedicht eine Situation, in der das lyrische Ich sich fragt, ob es warten oder alles wagen soll.
  • Der Leser ist möglicherweise enttäuscht, weil es anscheinend gar nicht um eine Liebe geht, sondern nur um die typisch romantische Sehnsucht nach der Ferne.
  • Dass es sich hier um kein Liebesgedicht handelt, wird am Ende auch dadurch deutlich, dass von der geliebten Person überhaupt keine Rede ist.

Tipp 4: Zu den künstlerischen Mitteln

Tipp 5: zur Kritik des Gedichtes und zu kreativen Möglichkeiten

  • Kritisch könnte man auch fragen,
    • warum das lyrische Ich aus einer relativ einfachen Sache so eine große Frage macht.
    • Bei der Liebe geht es ja um eine weitreichende Entscheidung, bei der es in der Regel keine halben Sachen gibt.
    • Die Sehnsucht nach der Ferne kann man durch aus auch stückweise verwirklichen und dann sehen, wie es einem dabei geht.
  • Insgesamt also ein Gedicht, das etwas aufgesetzt klingt und nicht wirklich überzeugen kann.
  • Man hat ein bisschen den Eindruck, dass der gute Tieck hier von irgend jemandem die Aufgabe bekommen hat, die Sehnsucht nach der Ferne zu beschreiben. Und das hat er dann ein bisschen mit Liebe verwechselt und von daher viel zu stark gefärbt.
  • Auch hier die Möglichkeit eines kreativen Impulses:
    • Man stellt sich vor, der gute Tieck hat das Gedicht gerade vorgetragen und wartet auf Reaktionen:
    • Dann sagt man vorsichtig:
      Lieber Ludwig, wenn du schon solche Probleme mit der Ferne hast, dann verlieb dich bloß nicht, dann wirst du das 100 fache deiner widerstreitenden Gefühle empfinden.
    • Um um dir bei dem kleinen Problem des Fernwehs zu helfen: Gönn dir doch einfach ein bisschen Ferne. Fahr in eine Stadt, die du noch nicht kennst, und schau dich um.
    • Wenn dir das gut tut, wählst du als nächstes eine Stadt, die weiter weg ist – und so machst du solange weiter, bis du in der geliebten Ferne verschwindest oder reumütig zurückkehrst.

 Wer noch mehr möchte …