„Aspektorientierte“ Analyse einer Dramenszene: Schiller, „Kabale und Liebe“, I,3 Gefühlsentwicklung bei einer Figur (Mat5772)

Worum es hier geht:

  • Eine Dramenszene kann man genauso komplett analysieren wie eine Kurzgeschichte oder ein Gedicht.
  • Daneben kann man sich aber auch auf einen bestimmten Aspekt (Fragestellung, Teilproblem) konzentrieren.
  • Das ist besonders interessant im Hinblick auf Klassenarbeiten und Klausuren. Denn dort muss sich – besonders bei langen Szenen – auf etwas beschränken.

Man muss hier nicht das Drama kennen:

Interessant ist in diesem Falle z.B. die Szene I,3 aus Schillers „Kabale und Liebe“. Man kann das Folgende aber durchaus für sich nehmen, wenn man ein paar Dinge weiß, die wir hier kurz vorstellen.

  • Luise ist eine junge Frau aus bürgerlichem Haus, die sich in den adligen Ferdinand verliebt hat und umgekehrt.
  • Ihr Vater, der Geiger Miller, angestellt an einem Fürstenhof um 1800, ist darüber sehr besorgt ist. Er fürchtet, dass daraus angesichts der Vorrechte des Adels nichts wird und seine Tochter – vielleicht sogar mit einem unehelichen Kind – sitzengelassen wird.
  • Kurz zuvor hat er allerdings den Sekretär Wurm, der die rechte Hand des mächtigen Präsidenten ist, als Bewerber für seine Tochter zurückgewiesen. Er glaubt nämlich nicht, dass Luise mit diesem trockenen Bürokraten glücklich wird.
  • In dieser Situation kommt die Tochter gerade aus der Kirche zurück und sie spricht sich mit ihrem Vater über ihre Beziehung aus.

Zusammenfassendes Schaubild der Gefühlsentwicklung bei Luise

Insgesamt insgesamt zeigt sich bei Luise eine Achterbahn der Gefühle mit einem Wechsel von „Auf und Ab“ – das stellen wir hier aber in umgekehrter Reihenfolge vor:

  1. Am Anfang zeigt sich bei ihr ein „Ab“, d.h. sie ist ganz zerknirscht, bezeichnet sich sogar als „schwere Sünderin“, weil sie nur noch an ihren Ferdinand denkt.
  2. Sie erkennt aber, dass ihre Liebe in diesem Leben nicht realisiert werden kann.
  3. Deshalb ist sie bereit, auf eine normale Beziehung zu verzichten.
  4. Es reicht ihr, wenn sie an Ferdinand denken kann.
  5. Sie macht sich dabei sogar so klein, dass sie sich mit einer Mücke vergleicht, die einfach nur die Strahlen der mächtigen Sonne genießt.
  6. Es gibt aber auch ein „Auf“ im Wechsel ihrer Gefühle:
    1. Zunächst denkt sie mit Freude, ja Begeisterung an den Beginn ihrer Beziehung zurück.
    2. Dann malt sie sich aber eine Zukunft im Himmel aus,
      1. wo sie gleichberechtigt einfach nur Mensch ist
      2. und außerdem einen Ausgleich bekommt für die „Tränen“ im Diesseits, also ihr Leiden.
        Das kann man sich vielleicht so vorstellen, dass sie mit Ferdinand an der Himmelspforte ankommt und dort von Gott als erste freundlich begrüßt wird. Denn sie ist ja so eine Art Liebes-Märtyrerin auf der Erde gewesen – zumindest scheint sie sich so zu sehen.
        In einer berühmten Bibelstelle im sogenannten Johannes-Evangelium, Kapitel 21, heißt es:
        „Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde“
        Gott „wird alle Tränen von ihren Augen abwischen: Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen.“

Näheres zu dieser Szene gibt es hier:
https://textaussage.de/schnell-durchblicken-in-kabale-und-liebe-i-3