Das Problem der Armut zur Zeit der Entstehung des „Woyzeck“ (Mat4139 )

Das Problem der Armut zur Zeit der Entstehung des „Woyzeck“

  1. Armut spielt in Büchners Drama eine große Rolle. So muss Woyzeck neben seinem Dienst als Soldat auch noch seinen Hauptmann rasieren und beim Doktor eine experimentelle Erbsenkur machen. Das Geld, das er verdient, gibt er seiner Freundin Marie für den Unterhalt auch des gemeinsamen unehelichen Kindes.
  2. Woyzeck selbst ist sich seiner finanziellen Probleme bewusst. Das zeigt sich in der Rasier-Szene. Dort kontert er die Moral vorwürfe des Hauptmanns mit dem Hinweis, ein anständiges Leben – und in diesem Falle normale Familienverhältnisse – müsse man sich auch leisten können.
  3. Im Vergleich zu heute gab es früher keine soziale Absicherung der Menschen. Sie waren auf die Unterstützung ihrer Familie oder auf Almosen (Spenden) angewiesen.
  4. Erst Jahrzehnte später im Bismarck-Reich wurde die gesetzliche Sozialversicherung eingeführt. Aber eine Arbeitslosenversicherung gab es erst nach dem Ersten Weltkrieg.
  5. Etwas gemildet wurden die sozialen Verhältnisse zum Beispiel durch die Armenspeisung in vielen Klöstern. Aber im Gefolge der französischen Revolution und der Eroberungskriege Napoleons waren kirchliche Besitztümer, darunter auch die Klöster, säkularisiert worden. D.h.: sie wurden der Kirche weggenommen und den weltlichen Fürsten gegeben. Die verwendeten dann Kloster und Kirchen für ihre eigenen Zwecke.
  6. Verschärft wurden die sozialen Probleme durch die industrielle Revolution. Die führte zu einer massiven Flucht vom Land in die wachsenden Städte. Dort mussten die Menschen praktisch jede Arbeit annehmen, die ihnen angeboten wurde. Der Lohn für eine Familie reichte häufig nur aus, wenn Frau und Kinder mitarbeiten.
  7. Die einfachen Soldaten bekamen zwar einen Sold. Der war aber zu gering, um eine Familie zu ernähren.
  8. So ist es verständlich, dass Woyzeck sich noch um Zusatzverdienste bemühen muss und seine Freundin Marie versucht, durch einen Partnerwechsel an bessere Verhältnisse zu kommen.
  9. Ein Zusammenleben ohne Trauschein und mit unehelichen Kindern wurde im allgemeinen Bewusstsein der Zeit als unmoralisch angesehen. Die immer noch für die Menschen wichtige Kirche spielte dabei mit ihren Moralvorstellungen eine wichtige Rolle.
  10. Ein interessanter Artikel zum Thema der Armut in der Geschichte, der auch auf den Rückgang des Almosenwesens eingeht, findet sich hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Armut_im_geschichtlichen_Wandel

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