Die interessantesten Textstellen in Schlinks Roman „Der Vorleser“

Unser Angebot an „lektüregestresste“ Schüler …

Viele Schüler sind nicht erfreut, wenn sie eine bestimmte Lektüre im Deutschunterricht lesen „müssen“.

Und wenn der Roman zum Beispiel nicht gleich spannend anfängt, dann lassen sie es auch sein und greifen auf irgendeine Inhaltsangabe zurück.

Das ist natürlich keine optimale Lösung, denn so können sie nicht gut mitarbeiten. Außerdem müssen sie sich in einer Klassenarbeit oder Klausur ja auf jeden Fall im Buch zurechtfinden.

Deshalb machen wir hier mal ein Angebot.

Wir haben zum Beispiel den Roman „Der Vorleser“ von Bernhard Schlink gewissermaßen für euch mitgelesen und präsentieren euch die interessantesten Stellen. Natürlich bekommt ihr auch alle inhaltlichen Infos, die ihr zum Verständnis braucht.

Vielleicht bekommt ihr dann ja sogar selbst ein bisschen Lust, eigene Entdeckungen zu machen – auf jeden Fall kann man so den gefährlichen Frust der ersten Seiten überwinden 🙂

Diese Seite ist noch im Aufbau …

Kapitel 1 (S. 5-7) [ISI=0]

ISI nehmen wir mal als Abkürzung für „interessanteste Stellen – Index zwischen 0 und 10). Das ist eine sehr persönliche Sicht mit besonderem Blick auf die Schule. So findet man leicht auch Kapitel, die sich besonders für Klassenarbeiten und Klausuren eignen. Die literarische Qualität auch der anderen Textbereiche des Romans wird damit natürlich nicht in Frage gestellt.

In dem Kapitel beschreibt der Ich-Erzähler, wie er im Alter von 15 Jahren Gelbsucht bekam. Sein erstes Erlebnis, dass er sich auf dem Weg nach Hause plötzlich übergeben muss. Eine Frau kümmert sich um ihn und bringt ihn am Ende sogar noch nach Hause.

Kapitel 2 (S. 8-11) [ISI=3]

Hier beschreibt der Erzähler ausführlich das Haus, vor dem er die Frau getroffen hat. Außerdem geht er – Jahrzehnte später in der aktuellen Schreibsituation – auf Träume ein, in denen dieses Haus immer wieder aufgetaucht ist – und zwar auf eine besondere Art und Weise:

Er stellt nämlich fest: „Das Haus ist nicht düsterer als in der Bahnhofstraße. Aber die Fenster sind ganz staubig und lassen in den Räumen nichts erkennen, nicht einmal Vorhänge. Das Haus ist blind.“ (10)  bezeichnend ist hier die Umkehrung der Verhältnisse, denn eigentlich kann er ja wegen der staubigen Fenster im Haus nichts erkennen. Ergänzt wird das durch die noch weitergehende Feststellung: „Die Welt ist tot“ (10). Aber auch hier wieder die selbst kritische Einschränkung der eigenen Grenzen: „ich öffne die Tür nicht.“ (11)

Darüber kann man sich Gedanken machen. Offensichtlich ist das so ein bisschen zumindest ein Trauma für ihn, jedenfalls passt es nicht zu der Aufregung und zu dem Glück, was ihm nach der ersten Begegnung begegnet ist.

Kapitel 3 (S. 12-14) [ISI=1]

Hier wird beschrieben, wie der Junge die Frau aufsucht, um sich mit einem Blumenstrauß zu bedanken. Die Frau ist gerade am Bügeln – er versucht, sich beim Niederschreiben seiner Erinnerungen an ihr Gesicht zu erinnern, über das sich „ihre späteren Gesichter gelegt“ (14) haben. „Ein großflächiges, herbes frauliches Gesicht. Ich weiß, dass ich es schön fand. Aber ich sehe seine Schönheit nicht vor mir.“ (14)

Kapitel 4  – S15ff – [ISI=8]

Frau Schmitz will den Jungen nach Hause begleiten und zieht sich dafür um. Dabei kann er sie beobachten und als sie das bemerkt, stürzt er aus dem Haus.

interessant, wie der Erzähler sich dazu später äußert:

„Sie hatte nicht posiert, nicht kokettiert. Ich erinnere mich auch nicht, dass sie es sonst getan hätte. Ich erinnere mich, dass ihr Körper, ihre Haltungen und Bewegungen manchmal schwerfällig wirkten. Nicht dass sie so schwer gewesen wäre. Vielmehr schien sie sich in das Innere ihres Körpers zurückgezogen, diesen sich selbst und seinem eigenen, von keinem Befehl des Kopfs gestörten ruhigen Rhythmus überlassen und die äußere Welt vergessen zu haben. Dieselbe Weltvergessenheit lag in den Haltungen und Bewegungen, mit denen sie die Strümpfe anzog. Aber hier war sie nicht schwerfällig, sondern fließend, anmutig, verführerisch – Verführung, die nicht Busen und Po und Bein ist, sondern die Einladung, im Inneren des Körpers die Welt zu vergessen.“

Offensichtlich handelt es sich um eine beeindruckende Persönlichkeit. Wenn man dann später die Vorgeschichte Offensichtlich handelt es sich um eine beeindruckende Persönlichkeit. Wenn man dann später die Vorgeschichte kennenlernt, wird sich dieses Bild noch ausdifferenzieren. Möglicherweise ist es eben auch eine nachträgliche Flucht aus der Verantwortung. Das kann der Erzähler zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht wissen und einschätzen.

Kapitel 5 – S19ff – [ISI=7]

erstaunlicherweise besucht der Junge die Frau dann nach einer Woche doch wieder, weil er sich von ihrer sexuellen Attraktivität nicht lösen kann.  Ausführlich werden Überlegungen angestellt, wie bei ihm  der Zusammenhang von Denken, sich entschließen und Handeln aussieht.

Zitat 1:

Interessante Anmerkungen zu den Zeiten, in denen man krank ist. Das könnte man mal an eigenen Erfahrungen überprüfen. Möglicherweise werden solche Erfahrungen heute aber durch die Möglichkeiten der modernen Kommunikation per Internet überdeckt.

Was sind die Zeiten der Krankheit in Kindheit und Jugend doch für verwunschene Zeiten. Die Außenwelt, die Freizeitwelt in Hof oder Garten oder auf der Straße dringt nur mit gedämpften Geräuschen ins Krankenzimmer. Drinnen wuchert die Welt der Geschichten und Gestalten, von denen der Kranke liest.“ (19)

“Es sind Stunden ohne Schlaf, aber keine schlaflosen Stunden, nicht Stunden eines Mangels, sondern Stunden der Fülle. Sehnsüchte, Erinnerungen, Ängste, Lüste arrangieren Labyrinthe, in denen sich der Kranke verliert und entdeckt und verliert. Es sind Stunden, in denen alles möglich wird. Gutes wie Schlechtes.“ (19)

Zitat 2:

Anmerkung zum Krankenzimmer nach der Genesung: Auch das könnte man mal vor dem Hintergrund persönlicher Erfahrungen überprüfen, ob tatsächlich etwas Von den inneren Erfahrungen  aus der Zeit der Krankheit im Zimmer übriggeblieben bist.

“Das lässt nach, wenn es dem Kranken bessergeht. Hat die Krankheit aber lange genug gedauert, dann ist das Krankenzimmer mprägniert und noch der Genesende, der kein Fieber mehr hat, in die Labyrinthe verloren.“ (19)

Zitat 3:

Interessante Anmerkung zu dem Problem freundlicher Ermahnungen

“Die Bilder und Szenen, die ich träumte, waren nicht recht. Ich wusste, die Mutter, der Pfarrer, der mich als Konfirmanden unterwiesen hatte und den ich verehrte, und die große Schwester, der ich die Geheimnisse meiner Kindheit anvertraut hatte, würden mich zwar nicht schelten. Aber sie würden mich in einer liebevollen, besorgten Weise ermahnen, die schlimmer als Schelte war. Besonders unrecht war, dass ich die Bilder und Szenen wenn ich sie nicht passiv träumte, aktiv phantasierte.“ (19-20)

Zitat4:

Besonders interessant sind die Überlegungen, die der Junge anstellt, was für und was gegen einen erneuten Besuch der Frau spricht. Besonders der Schluss macht deutlich, wie wenig rational er angesichts seiner Gefühle vorgeht. Denn wenn man sich das praktisch ausmalt, was er sich vorstellt, merkt man, dass das völlig irreal ist. Im Normalfall würde das zu einer erneuten peinlichen Situation, an deren Ende der Rauswurf steht. Oder aber es verläuft so, wie es dann ja auch erzählt wird.

Ich weiß nicht, woher ich die Courage nahm, zu Frau Schmitz zu gehen. Kehrte sich die moralische Erziehung gewissermaßen gegen sich selbst? Wenn der begehrliche Blick so schlimm war wie die Befriedigung der Begierde, das aktive Phantasieren so schlimm wie der phantasierte Akt – warum dann nicht die Befriedigung und den Akt? Ich erfuhr Tag um Tag, dass ich die sündigen Gedanken nicht lassen konnte. Dann wollte ich auch die sündige Tat. Es gab eine weitere Überlegung. Hinzugehen mochte gefährlich sein. Aber eigenüich war unmöglich, dass die Gefahr sich realisierte. Frau Schmitz würde mich verwundert begrüßen, eine Entschuldigung für mein sonderbares Verhalten anhören und mich freundlich verabschieden. Gefährlicher war, nicht hinzugehen; ich lief Gefahr, von meinen Phantasien nicht loszukommen. Also tat ich das Richtige, wenn ich hinging. Sie würde sich normal verhalten, ich würde mich normal verhalten, und alles würde wieder normal sein.“

Zitat 5:

Interessante Überlegungen zum Verhältnis von „denken“, „sich entscheiden“ und “handeln“.  Das ist hier mehr um Gefühle, als um Rationalität geht, merkt man spätestens an der Stelle, wo es um das Aufgeben des Rauchens geht. In der beschriebenen Form dürfte das im realen Leben kaum gegeben sein, sonst könnte man mit diesem Tipp viel Geld verdienen.

“Oft genug habe ich im Lauf meines Lebens getan, wofür ich mich nicht entschieden hatte, und nicht getan, wofür ich mich entschieden hatte. Es, was immer es sein mag, handelt; es fährt zu der Frau, die ich nicht mehr sehen will, macht gegenüber dem Vorgesetzten die Bemerkung, mit der ich mich um Kopf und Kragen rede, raucht weiter, obwohl ich mich entschlossen habe, das Rauchen aufzugeben, und gibt das Rauchen auf, nachdem ich eingesehen habe, dass ich Raucher bin und bleiben werde. Ich meine nicht, dass Denken und Entscheiden keinen Einfluss auf das Handeln hätten. Aber das Handeln vollzieht nicht einfach, was davor gedacht und entschieden wurde. Es hat seine eigene Quelle und ist auf ebenso eigenständige Weise mein Handeln, wie mein Denken mein Denken ist und mein Entscheiden mein Entscheiden.“ (20/21)

Anmerkung: Interessant die Steigerung der Fantasie-Situationen mit dem Höhepunkt am wohl übertriebenen Schluss. Denn wenn es wirklich so wäre, dass Raucher sich darauf verlassen können, dass sie von selbst und ohne Stress das Rauchen einstellen, nachdem sie eingesehen haben, „dass ich Raucher bin und bleiben werde“, würde das wahrscheinlich viele Menschen glücklich machen.

Wir setzen das noch fort …

Kapitel 6 – S23ff – [ISI=6]

Als der Junge bei Frau Schmitz ankommt, wird er erst mal zum Heraufholen von Kohlen in den Keller geschickt. Dort stellt er sich so ungeschickt an, dass er halb verschüttet wird und oben erst mal in die Badewanne geschickt wird. Interessant ist, dass Frau Schmidt ihm zunächst verspricht, beim Ausziehen nicht zuzusehen, ihn dann aber doch „ruhig“ betrachtet, als er die Unterhose ausgezogen hat. Anschließend stellt der Ich-Erzähler angesichts des Bades fest: „Es war ein erregendes Behagen und mein Geschlecht wurde  steif.“ Kurz darauf präsentiert sich auch Frau Schmitz nackt: „Sie legte die Arme um mich, die eine Hand auf meine Brust und die andere auf mein steifes Geschlecht. ‚Darum bist du doch hier‘“ stellt sie abschließend fest, bevor es zum Liebesakt kommt. Nicht ganz normal für ein erstes Mal dürfte es sein, dass schnell „alles selbstverständlich“ abläuft und der Junge einen solchen Jubelruf  ausstößt, „dass sie den Schrei mit ihrer Hand auf meinem Mund erstickte.

Anmerkung: Wenn man überlegt, dass das Romangeschehen in den prüden fünfziger Jahren spielt, ist es schon sehr erstaunlich, wie scheinbar selbstverständlich hier eine doch recht intensive sexuelle Annäherung zwischen einem Halbwüchsigen und einer erwachsenen Frau abläuft. Man stelle sich die Situation selbst in der heutigen Zeit einmal vor. In wie vielen Fällen würde dann ein solcher Reinigungsprozess nach einer Verschmutzungspanne so selbstverständlich im Bett enden. Die Frau müsste sich auf jeden Fall den Vorwurf der „Unzucht“ mit einem minderjährigen Jungen im Alter von 15 Jahren gefallen lassen. Woher will sie zum Beispiel wissen, dass das sexuell so unproblematisch abläuft. Schließlich kennt sie den Jungen ja gar nicht.

Kapitel 7 – S28ff – [ISI=9]

Hier zeigen sich die Auswirkungen des sexuellen Kontakts zu Frau Schmidt.

Zitat 1:

„In der folgenden Nacht habe ich mich in sie verliebt. […] Habe ich mich in sie verliebt als Preis dafür, dass sie mit mir geschlafen hat? Bis heute stellt sich nach einer Nacht mit einer Frau das Gefühl sein, ich sei verwöhnt worden und müsse es abgelten – ihr gegenüber, indem ich sie zu lieben immerhin versuche, und auch gegenüber der Welt, der ich mich stelle.“

Zitat 2:

„Dazu kam, dass ich die Männlichkeit, die ich erworben hatte, zur Schau stellen wollte. Nicht dass ich hätte angeben wollen. Aber ich fühlte mich kraftvoll und überlegen und wollte meinen Mitschülern und Lehrern mit dieser Kraft und Überlegenheit gegenübertreten.“

Zitat 3:

Mir war, als säßen wir das letzte Mal gemeinsam um den runden Tisch […], als äßen wir das letzte Mal von den alten Tellern (…), als redeten wir das letzte Mal so vertraut miteinander. Ich fühlte mich wie bei einem Abschied. Ich war noch da und schon weg. Ich hatte Heimweh nach Mutter und Vater und den Geschwistern und die Sehnsucht, bei der Frau zu sein.

Kapitel 8 – S33ff – [ISI=5]

In Kapitel acht wird das geschildert, was der Ich-Erzähler offensichtlich als normal empfindet. Jeden Tag schwänzt er eine Schulstunde, um in der Zeit bis zum Mittagessen mit Frau Schmitz schlafen zu können.

Interessant dabei ist besonders die Stelle, an der die Art des sexuellen Begehrens deutlich wird. Man fragt sich als Leser, ob das bereits ausreicht, um von Liebe zu sprechen.

Zitat 1:

“Ich ließ mich gerne von ihr einseifen und seifte sie gerne ein. Und sie lehrte mich, dass nicht verschämt zu tun, sondern mit selbstverständlicher, besitzergreifender Gründlichkeit. Auch wenn wir uns liebten, nahm sie selbstverständlich von mir Besitz. […)  Nicht dass sie nicht zärtlich gewesen wäre und mir nicht Lust gemacht hätte. Aber sie tat es zu ihrem spielerischen Vergnügen, bis ich lernte, auch von ihr Besitz zu ergreifen.”

Zitat 2:

“Sie stützte ihre Hände auf meine Brust und riss sie im letzten Moment hoch, hielt ihren Kopf und stieß einen tonlos schluchzenden Schrei aus, der mich beim ersten Mal erschreckte und den ich wenig später begierig erwartete.”

 

Kapitel 9 – S38ff – [ISI=9]

Dieses Kapitel hat eine Schlüsselstellung, weil der ich Erzähler hier zurückblickt mit der Fragestellung: „Warum wird uns, was schön war, im Rückblick dadurch brüchig, dass es hässliche Wahrheiten verbarg?“

Er fragt nämlich Hannah (ab jetzt will er Frau Schmitz mit ihrem Vornamen bezeichnen) nach ihrer Vergangenheit. Die äußert sich aber nur knapp und verschweigt das Wesentliche, nämlich ihre Tätigkeit in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft.

Insgesamt ist beiden aber die Gegenwart wichtig. So stellt der Erzähler fest: „Ich staune, wie viel Sicherheit Hanna mir gegeben hat.“ (41)

Ab Seite 42 geht der Erzähler auf das Vorlesen ein. Zu ihren bisherigen Aktivitäten kommt nämlich hinzu, dass Hanna ihn fragt, was sie im Fach Deutsch behandeln. Das führt dazu, dass ihr zum Beispiel aus den Theaterstücken „Emilia Galotti“ oder „Kabale und Liebe“ etwas vorgelesen wird. Hanna behauptet, dass ihr seine Stimme gefalle. Dass sie selbst aber Analphabetin ist, also gar nicht lesen kann, merkt der Junge erst später.

Die Kombination aus „Vorlesen, duschen, lieben und noch ein bisschen beieinander liegen“ macht den Erzähler, wie er ausdrücklich feststellt, vollkommen glücklich (43).

Vorstellung der weiteren Kapitel

Die interessantesten Textstellen in Schlinks Roman „Der Vorleser“

Wer noch mehr möchte