Dunja Voos, „„Hassliebe – Liebe und Hass“ – Auch das ist ein Aspekt von Liebe (Mat1082)

Worum es hier geht:

Wenn man sich mit dem Thema „Liebe“ beschäftigt, reicht es nicht, nur die (scheinbaren) Normalfälle zu betrachten. Es gibt auch die speziellen Gefühlssituation bis hin zu Abgründen.

Einer davon ist die sogenannte „Hassliebe“.

Wir stellen hier einen Fachartikel zu dem Thema vor.

  1. In ihrem Internet-Beitrag mit dem Titel „Hassliebe – Liebe und Hass“ vom 22.05.2016
    https://www.medizin-im-text.de/blog/2016/18457/hassliebe/
    geht die Ärztin Dunja Voos vom Unterschied zwischen Wut und Hass aus: Das erstere Gefühl könne schnell vergessen werden, Hass aber sei eine Art „wiederkehrende Wut“, die als festes Bild im Kopf verankert sei. Wenn sich so etwas in einer Mutter-Kind-Beziehung ergebe, dann könnte das später auf die Beziehungen zu anderen Menschen übertragen werden. Das heißt: Wenn etwas nicht so funktioniert, wie man sich das in der Beziehung wünscht, kann sich schneller Hass ergeben, als man sich das wünscht.
  2. Unter Hassliebe versteht die Ärztin eine „große, ungute Abhängigkeit zwischen zwei Menschen“. „Wenn die Mutter dem Kind nicht den Entwicklungsraum bietet, den es braucht, wird die Hassliebe zum Alltag.“
  3. Interessant sind sprachliche Wendungen, auf die die Verfasserin hinweist und die viel aussagen:
    „Den hab‘ ich gefressen“: Damit ist gemeint, dass man sich über jemanden so geärgert hat, dass man ihn überhaupt nicht mehr leiden kann. Das ist schon nicht mehr weit von Hass entfernt.
  4. Formulierungen wie „zum Fressen gern“ haben oder jemanden „zum Anbeißen süß“ finden machen nach Meinung der Verfasserin eine Tendenz zur Verbindung von Hass und Liebe deutlich. Sie geht sogar so weit, Hass als Reaktion auf ein Liebesgefühl für möglich zu halten. Das ist wohl so zu verstehen, dass man sich in der Liebe gefangen fühlt und dieses Problem, das man selbst hat, negativ auf den anderen überträgt.
  5. Wie sehr Hass und Liebe zusammen hängen können, zeigt auch, was passiert, wenn man einem anderen das zerstört, das er liebt. Darauf kann er mit Hass reagieren.
  6. Interessant ist der Hinweis auf das Gegenteil: Wenn jemand dann schweigt, wenn man von ihm eine Antwort o.ä. erwartet, oder sich sogar der Liebe entzieht, dann kann das ebenfalls Hass auslösen.
  7. Sehr nachdenklich stimmt der Hinweis, dass es relativ leicht ist, Hass zu erzeugen. Bei Liebe aber sei man „stärker auf das Glück angewiesen“. Das könne man nicht machen. Eine Rolle spielt dabei nach Meinung der Verfasserin wieder die Kindheit: Wer dort viel Liebe erfahren habe, gehe auch viel selbstverständlicher später davon aus, dass er geliebt werde, was Beziehungen natürlich enorm erleichtert. Viel schwieriger ist es sicherlich, wenn man ständig misstrauisch ist, was das Wohlwollen oder die Liebe anderer Menschen angeht.
  8. Wieder zurückkehrend zum Kernthema, dem Verhältnis von Liebe und Hass, stellt die Verfasserin sogar fest: „Weil diese Ohnmacht [was die Sicherheit der Liebe der anderen Seite angeht] oft so schwer auszuhalten ist, „machen“ manche Menschen, dass man sie hasst – das ist ihnen lieber, als dass gar nichts passiert. Eine andere Konsequenz einer solchen Befindlichkeit kann sein, dass man gar nicht erst nachfragt, sondern gleich davon ausgeht, dass der andere einen nicht mag. Daraus könnte Hass entstehen.
  9. Ein weiterer Unterschied zwischen Liebe und Hass ist nach Meinung der Verfasserin, dass Hass schnell entstehe, Liebe dagegen in der Regel erst wachsen müsse – denn sie habe etwas viel mit Vertrauen zu tun.
  10. Hassliebe sei vor allem dadurch gekennzeichnet, dass Menschen regelrecht aneinander „kleben“. Dabei könne es zu einem schnellen Wechsel von Liebe und Hass kommen.

Zum Thema „Hassliebe“ gibt es eine interessante Kurzgeschichte von Julio Cortázar mit dem Titel „Familienbande“, die hier vorgestellt wird:
https://textaussage.de/julio-cortazar-familienbande

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