Anmerkungen zum Gedicht „Die blaue Blume“ von Eichendorff (Mat4258)

Anmerkungen zur Überschrift

Die blaue Blume

  • Wer mit der Romantik bisher nicht viel zu tun hatte, der wird zunächst einfach von dieser Überschrift ausgehend erwarten, dass eine besondere Blume im Gedicht vorgestellt wird. Es könnte höchstens sein, dass der eine oder andere etwas Ungewöhnliches vermutet, weil andere Farben häufig beim Gedanken an Blumen im Vordergrund stehen.
  • Wer sich allerdings mit der Romantik etwas auskennt, wird wissen, dass die blaue Blume ein Schlüsselsymbol für die Sehnsuchtsziele der Zeit um und ab 1800 gewesen ist.
  • Im ersten Schritt sollte man dann trotzdem möglichst unbefangen prüfen, was Eichendorff als einer der bekanntesten Verfasser romantischer Gedichte damit verbindet.
  • Anschließend ist es natürlich interessant, die Gedanken mit denen zu vergleichen, die der Erfinder dieses Symbols damit verbunden hat.

Das Gedicht ist laut dem Kommentar in der Gedichtsammlung von Hartwig Schulz wahrscheinlich in den 30er Jahren entstanden – also nicht erst am Ende von Eichendorffs Leben.
Joseph von Eichendorff, Sämtliche Gedichte, Herausgegeben Von Hartwig Schultz, Deutscher Klassiker Verlag, 2. Auflage, 2006, S. 745ff – ISBN: 978-3-618-68012-3

Zu finden ist es im Internet z.B. hier.

Anmerkungen zu Strophe 1

Ich suche die blaue Blume,

Ich suche und finde sie nie,

Mir träumt, dass in der Blume

Mein gutes Glück mir blüh.

  • Das Gedicht beginnt mit meiner Enttäuschung: Das lyrische Ich sucht eine ganz bestimmte Blume und findet sie nicht nur nicht, sondern sogar nie. Das ist natürlich eine Verschärfung der Defizit-Situation.
  • Die Zeilen der zweiten Hälfte der Strophe liefern dann eigentlich erst den Hintergrund für den ersten Teil. Es geht um die Vorstellung, dass diese Blume mit Glück für das lyrische Ich verbunden sein soll.

Anmerkungen zu Strophe 2

Ich wandre mit meiner Harfe

Durch Länder, Städt und Au’n,

Ob nirgends in der Runde

Die blaue Blume zu schaun.

  • Hier wird das lyrische Ich konkreter, was seine eigene Lebenssituation angeht. Es geht um zwei typische Kennzeichen der Romantik,
    • Zunächst das Wandern
    • Und dann Spiel und Gesang.
  • Am Ende geht es noch einmal um die Suche. Offensichtlich hat das lyrische Ich die Hoffnung doch nocht nicht aufgegeben. Sonst würde es ja nicht weitersuchen.

Anmerkungen zu Strophe 3

Ich wandre schon seit lange,

Hab lang gehofft, vertraut,

Doch ach, noch nirgends hab ich

Die blaue Blum geschaut.

  • Die dritte Strophe wiederholt noch einmal die Enttäuschungs-Situation aus der ersten Strophe.
  • Als Leser ist man möglicherweise etwas enttäuscht. Darauf könnte man natürlich kreativ reagieren und eine vierte Strophe anhängen, die dann zu einem positiven Schluss führt.

Idee einer kreativen Fortsetzung mit positivem Abschluss

  • Zum Beispiel könnte das lyrische Ich doch noch einsehen, dass das Geheimnis der blauen Blume in der Sehnsucht nach ihr besteht und die Suche bereits ein Teil der Erfüllung des Wunsches ist. Vor allem, wenn es gelingt, in der Fantasie bereits das Traumziel vorwegzunehmen.
  • Erleichtert wird einem das Erfinden einer vierten Strophe dadurch, dass Eichendorff den Reim auf einen halben Kreuzreim reduziert hat. Und was den Rhythmus angeht, ist er zwar grundsätzlich ein Jambus, der aber zum Teil durchaus zwei Senkungen aufeinanderfolgen lässt

Versuchen wir es also mal:

Was ich hier brauch, ist guter Rat.
Die Fantasie gibt mir doch Raum
Zu edler kreativer Tat
Die Blume wird zum Tagestraum.

Vergleich von Eichendorffs blauer Blume mit der allgemeinen Vorstellung davon in der Romantik

Wenn man sich den Wikipedia-Artikel
https://de.wikipedia.org/wiki/Blaue_Blume
anschaut,

kann man dem die folgenden Vergleichspunkte entnehmen:

  1. Novalis als Erfinder dieser Blume in seinem Romanfragment „Heinrich von Ofterdingen“
  2. Erfahrung dieser Blume in einem Traum (genauere Beschreibung hier)
  3. Symbol für das Streben nach Erkenntnis, vor allem über sich selbst
  4. Das schließt auch das Phänomen der Liebe ein.

Wenn man das nun vergleicht, dann sieht man, dass Eichendorffs Gedicht den schmerzlichen Weg zu diesem Ziel beschreibt.

Von daher ist er in gewisser Weise realistischer, allerdings bedeutet das – wenn man nur vom Wortlaut des Gedichtes ausgeht – möglicherweise eine endlose Sehnsucht, bei der man das Ziel nicht erreicht. Das steht allerdings im Widerspruch zu anderen Gedichten Eichendorffs, in denen die Sehnsucht zumindest ein transzendentes Ziel hat – entsprechend seinem festen katholischen Glauben.

Beide Sichtweisen kann man verbinden, wenn man an den Satz denkt: „Der Weg ist das Ziel“ – und der entspricht ja voll der romantischen Sehnsucht.

Wer noch mehr möchte …