Endlich Durchblick: Literaturepoche Sturm und Drang (Themenseite) (Mat4854)

Worum es hier geht:

  • Vorgestellt wird die literarische Epoche des Sturm und Drang.
  • Eine Epoche, die vor allem von jungen Schriftstellern geprägt war,
  • die sich nicht mehr an Vorgaben und Regeln halten wollten,
  • sondern das einfach raushauten,
    • was sie erlebt hatten (Goethe, „Die Leiden des jungen Werther“)
    • oder wogegen sie sich wehrten (Schiller, „Kabale und Liebe“)
Einstieg mit einem Minimal-Schaubild

Beginnen wir mit einem kleinen Schaubild, das ein gewisses „Minimum“ an Kenntnissen beschreibt:

Zeitliche Einordnung
  • Die zeitliche Einordnung wird in einer Literaturgeschichte (Frenzel, Daten deutscher Dichtung) mit 1767 bis 1785 vorgenommen.
  • Wer es genauer wissen will, wichtig ist ja, mit diesen Daten etwas zu verbinden: Hier hat ein Schriftsteller namens Gerstenberg (1766/67) sich gegen die frühere Regelpoetik bei Dramen gewandt und Shakespeare mit seinen naturgewaltigen Dramen gelobt.
  • Und Herder wehrt sich gegen die Nachahmung fremder Dichtung und wendet sich der eigenen (deutschen) Geschichte zu.
  • Was das Jahr 1785 angeht, so arbeitet Schiller schon an seinem Drama „Don Carlos“, das schon an der Grenze zur Klassik steht. Und ein Jahr später beginnt Goethe seine Italienreise, auf der er sein Drama „Iphigenie“ in eine im Vergleich zur Prosa strengere Versform bringt.
Was an der Epoche „Sturm und Drang“ auffällt
  • Im Gegensatz zur Aufklärung stehen Gefühle höher im Kurs als der Verstand. Das gab es zwar schon in der Empfindsamkeit, aber jetzt wird das viel radikaler – bis hin zum Aufruhr.
  • Hier sieht man schön, wie Epochen sich immer wieder abwechseln: Die „vernünftige“ Aufklärung weicht dem gefühlvollen „Sturm und Drang“ – und dessen wichtigste Vertreter Goethe und Schiller versuchen in der „Klassik“ wieder Ordnung in die wild gewordene Literatur zu bringen.
  • Hier kann man an Schillers Drama „Kabale und Liebe“ denken, wo ein Sohn sich gegen den adligen Vater auflehnt und für seine Liebe zur Tochter eines einfachen Bürgersmannes kämpft.
  • Typisch für die urige Sprachgewalt, die keine Rücksicht nimmt, ist zum Beispiel das berühmte Götz-Zitat in dem entsprechenden Drama Goethes.
  • In Schillers „Die Räuber“ wiederum wird gegen ein „tintenklecksendes Säkulum“ polemisiert, also gegen ein Zeitalter, in dem  viele kluge Schriften verfasst werden, aber zu wenig Reales im Sinne wichtiger Veränderungen geschieht.
  • Bleibt am Ende noch Goethes „Werther“, der sich in eine seltsame Liebe zu dritt versenkt und am Ende nur den Ausweg in den Selbstmord kennt.

Was sind die Kennzeichen des Sturm und Drang (vor allem in der Lyrik)?

Gezeigt an Beispielen:

  • 1775: Goethe, „Willkommen und Abschied“
    „Es schlug mein Herz. Geschwind, zu Pferde!
    Und fort, wild wie ein Held zur Schlacht.“
    – „Herz“ als wichtiges Symbol für tiefe Gefühle
    – Schnelligkeit, Wildheit, Heldentum
    – Thema ist die Liebe und die Lust, die Geliebte schnell zu sehen.

    Dann die intensive Wahrnehmung der Natur
    „Der Abend wiegte schon die Erde,
    Und an den Bergen hing die Nacht.
    Schon stund im Nebelkleid die Eiche
    Wie ein getürmter Riese da,
    Wo Finsternis aus dem Gesträuche
    Mit hundert schwarzen Augen sah.“

    Dann aber auch wieder Selbstbewusstsein und Heldenmut:

    „Der Mond von einem Wolkenhügel
    Sah schläfrig aus dem Duft hervor,
    — [Anm: fast schon eine romantische Vorstellung]
    Die Winde schwangen leise Flügel,
    Umsausten schauerlich mein Ohr.
    Die Nacht schuf tausend Ungeheuer,
    — [Anm: Auch das passt ganz gut zur Romantik!)]
    Doch tausendfacher war mein Mut,
    Mein Geist war ein verzehrend Feuer,
    Mein ganzes Herz zerfloss in Glut.“
  • 1773: Goethe, „Prometheus“
    „Bedecke deinen Himmel, Zeus“ = Widerstand gegen die Ebene der Götter, Zeus soll die Menschen mit seinen Blitzen verschonen.
    „Musst mir meine Erde / Doch lassen stehen.“ Verteidigung des Eigenen.
    Auf die Frage, wie das Lyrische Ich sich gerettet hat, eine klare Antwort:
    „Hast du nicht alles selbst vollendet, / Heilig glühend Herz?“
    Hier geht es um die Autonomie des Menschen.
  • 1779/1788 (aus dem Gefängnis): Schubart, „Die Fürstengruft“
    Vorstellung der ehemals mächtigen Fürsten als ganz normale Menschen und Rückblick auf vielfaches Fehlverhalten während der Herrschaft:“Nun ist die Hand herabgefault zum Knochen,Die oft mit kaltem FederzugDen Weisen, der am Thron zu laut gesprochen,
    In harte Fesseln schlug.“ – Kritik an der Willkürherrschaft.
    —„Vertrocknet und verschrumpft sind die Kanäle,
    Drin geiles Blut wie Feuer floss,
    Das schäumend Gift der Unschuld in die Seele,
    Wie in den Körper goss.“ – Kritik des unmoralischen Verhaltens.

    „Sie, die im eh’rnen Busen niemals fühlten
    Die Schrecken der Religion,
    Und gottgeschaffne, bessre Menschen hielten
    Für Vieh, bestimmt zur Frohn;“ – Hinweis auf die Ausbeutung einfacher Leute

    Am Ende aber auch Lob für die toten Fürsten, die ihren Pflichten gegenüber der Bevölkerung nachgekommen sind. Gewissermaßen eine Mahnung am Ende.

    „Wie wird’s euch sein, wenn ihr vom Sonnenthrone
    Des Richters Stimme wandeln hört;
    »Ihr Brüder, nehmt auf ewig hin die Krone,
    Ihr seid zu herrschen werth.“

  • 1773: Gottfried August Bürger, „Der Bauer an seinen durchlauchtigen Tyrannen“
    „Wer bist du, Fürst, dass ohne Scheu
    Zerrollen mich dein Wagenrad,
    Zerschlagen darf dein Ross?“

    Dann noch Aufzählung weiterer Untaten und am Ende die Feststellung:

    „Ha! du wärst Obrigkeit von Gott?
    Gott spendet Segen aus; du raubst!
    Du nicht von Gott, Tyrann!“

    Hier wird ein Denken deutlich, das direkt zur Revolution hin führen kann.

Typische Gedichte der Zeit

Die haben wir auf eine eigene Seite ausgelagert:
https://textaussage.de/sammlung-gedichte-des-sturm-und-drang

Weitere Infos, Tipps und Materialien