Erich Fried, „Meer“ – oder die Kunst, alles Bedrängende verebben zu lassen (Mat4503)

Worum es hier geht:

Wer Entspannung braucht oder nur einfach mal raus aus der Alltagsbetriebsamkeit möchte, um auf neue Ideen zu kommen, der wird das Gedicht „Meer“ von Erich Fried sicher als schöne Anregung verstehen.

Zu finden ist es zum Beispiel hier.

Anmerkungen zu Strophe 1

  • Das Gedicht beginnt mit der Annahme einer ganz bestimmten Situation, in der das Meer eine besondere Rolle spielt und es um den Moment des Ankommens geht.
  • Es folgen Anweisungen oder zumindest Empfehlungen.
    • Die erste besteht darin, dass man „zu schweigen beginnen“ soll. Das bedeutet wohl, dass man vor allen Dingen hinhören soll auf das, was von mir ausgeht.
    • Die zweite Aufforderung wendet sich den Grashalmen zu, die kurz vor dem Beginn des Meeres noch zu finden sind. Und man wird aufgefordert, den Faden zu verlieren, d.h. alles das, was im Beruf nötig ist oder ganz allgemein zu einem rationalen Umgang mit Problemen gehört.

Anmerkungen zu Strophe 2

Anmerkungen zu Strophe 3

  • Die letzte Strophe steigert das Ganze noch ins Allgemeine hinein. Zwar geht es auch am Anfang wieder um zwei besondere Vorgänge, die mit dem Meer zusammenhängen.
  • Dann aber soll man aufhören zu „sollen“, d.h. sich allen Verpflichtungen und scheinbaren Zwängen entziehen. Und sich ganz der Natur und ihrer Atmosphäre hingeben.
  • Das wird noch betont durch die Endstellung einer Wiederholung, die dann noch weitergeht als die Überschrift.
  • Anregung: Es könnte interessant sein zu überlegen, ob nicht diese beiden Schlusswörter und der damit verbundene Gedanke nicht ein noch besserer Titel für dieses Gedicht gewesen wäre.

Anmerkungen zur Aussage des Gedichtes

  1. Das Gedicht macht hier das Meer, aus dem alles Leben kommt, zu einem zentralen Ort, an dem der Mensch sich erst mal befreien kann von all dem, was ihn beschäftigt und auch belastet.
  2. Diese scheinbare Leere kann dann gefüllt werden mit dem, was die Natur reichlich bietet und das man nur annehmen  muss.

Mit welchen Mitteln arbeitet das Gedicht?

Uns geht es hier nicht um das Abgleichen mit irgendwelchen Listen sprachlicher Mittel. Uns erscheint es viel wichtiger, das herauszubekommen, was dem Gedicht seine künstlerische Eigentümlichkeit gibt.

  • Da ist zunächst einmal eine fiktive, aber sehr allgemein gehaltene Situation des Ankommens. Dabei wird die Annäherung betont, die mit einer Steigerung verbunden ist.
  • Schlüsselwort ist „schweigen“ – das schließt ein, dass alles Reden zwar notwendig sein kann, es hier aber erst mal darum geht, sich von aller „Not“, allem Drängenden, zu befreien.
  • Sehr schön ist der Einbau der Wendung „den Faden verlieren“. Hier darf und soll also das stattfinden, was normalerweise – etwa bei einem Referat – ein Albtraum ist.
  • Interessant ist auch die Anspielung bei Altmeister Goethe, was die Abfolge von Einatmen und Ausatmen angeht. Natürlich kann es auch sein, dass hier auf einfache Regeln der Psychologie und der Heilkunde zurückgegriffen wird.
  • Am stärksten ist sicher die Schluss-Akzentuierung auf die „Mutter aller Ratschläge“ – mit dem „Sollen“ aufzuhören und sich dem Meer als dem Inbegriff der Größe der Natur hinzugeben.
  • Die Wiederholungen am Ende mögen auch den positiv gemeinten Eindruck erwecken, dass hier der am Anfang angesprochene Faden verlorengeht, womit das Gedicht selbst sein Ziel erreichen würde.

Anregung

  • Das Gedicht reizt natürlich, das bei passender Gelegenheit mal auszuprobieren.
  • Vielleicht kann man sich einfach mal eine Situation ausdenken und dann einen „verebbenden“ (passt zum Bild des Meeres) Gedankenstrom notieren. Man beginnt mit all dem, was einen belastet oder zumindest intensiv beschäftigt und von dem, was man wirklich braucht, abhält. Und dann nimmt das immer mehr ab und über schöne Bilder kommt man wirklich zur Ruhe.

Wer noch mehr möchte …