Filmanalyse: Analyse der Eingangssequenz des Films „Club der toten Dichter“ (Mat456)

Worum es geht:

Die Analyse von Filmen ist nach wie vor eine besondere Herausforderung für den Deutschunterricht, weil es zum einen damit viel weniger Erfahrung gibt als etwa mit der Besprechung von Romanen und Dramen – zum anderen gibt es nach wie vor wenig Hilfsmittel, die im Unterricht zu einer praxisorientierten Besprechung von geeigneten Filmen verhelfen.

Im Folgenden soll versucht werden, anhand der Eingangssequenz des Films „Der Club der toten Dichter“ zu zeigen, wie Schüler für die besondere Sprache von Filmen sensibilisiert werden können. Dabei ist es sicher eine Hilfe, wenn sie anhand geeigneter Übersichten über die Eigenart von Filmen und die wichtigsten Grundbegriffe informiert werden – dies sollte aber nicht im mühsamen Auswendiglernen der Begriffe für die verschiedenen Kameraeinstellungen enden – denn schließlich geht es weniger darum, junge Regisseure auszubilden, sondern darum, mit dem Medium Film etwas differenzierter umzugehen, als es meist geschieht, wenn nur der Inhalt im Vordergrund steht.

Praktischer Vorschlag: Es kann reiz- und sinnvoll sein, die folgende Liste in der Form auszugeben, dass die rechte Spalte weitgehend freigelassen wird – bis auf die ersten drei Zeilen, damit hat man ein Arbeitsblatt, das den Prozess der Analyse beschleunigen hilft.

Mat456 Filmanalyse Club der toten Dichter – Eingangssequenz

Übersicht über die ersten vier Minuten des Films (ausgefüllt)

Zeit Einstellung und „Inhalt“ Anmerkungen dazu
Man sieht eine Art Wandgemälde, in denen idealtypisch Schüler der Welton Akademie dargestellt werden. Ein Gemälde ist ein gemaltes Bild, d.h. Wirklichkeit wird gestaltet, mit Absicht versehen. Hier soll deutlich gemacht werden, wie gespannt und zugleich glücklich die Schüler dieser Schule sind/sein können.
0:08 Einem Jungen im Alter von vielleicht 10 Jahren wird offensichtlich von seiner Mutter die Krawatte umgebunden und er wird aufgefordert, sich „gerade zu halten“. Dieser Junge steht „im Schatten“ des Wandgemäldes – hier wird deutlich, wie die jungen Menschen geformt, dem Idealbild angeglichen werden.
0:14 Man sieht einen Koffer, aus dem ein – schon in entsprechender Uniform gekleideter – Schüler einen Dudelsack nimmt. Diese Szene hat wohl keine große Bedeutung, soll nur den festlichen Rahmen demonstrieren und auf die spätere Dudelsackmusik vorbereiten.
0:22 Der eingangs erwähnte Junge steht neben seinem älteren Bruder, sie werden von einem Mann mit Kamera für ein Bild „eingerichtet“. Das Anfangsmotiv wird noch einmal aufgenommen und erweitert – auch hier wird deutlich, wie inszeniert die Welt der Welton-Akademie ist.
0:39 Nachdem längere Zeit eine brennende Kerze und der Titel des Films eingeblendet worden sind, bekommt der ältere Herr, der das „Licht des Wissens“ in den Saal tragen soll, seine Instruktionen. Die Kerze hat hier eine besondere Bedeutung, wird deshalb auch so lange gezeigt – auch ihre Bedeutung für den Film wird durch die Verbindung mit der Titel-Einblendung klar gemacht. Auch hier wird zugleich die Inszenierung deutlich, die ja in einem nicht sehr freundlichen Ton erfolgt.

Außerdem muss man sich fragen, ob es sich hier nicht um Ironie handelt – denn das wirkliche Licht geht nicht von der Akademie, sondern von dem neuen Englischlehrer aus.

0:48 Im Vorbereitungsraum wird um Ruhe gebeten und es erfolgt das Kommando „Banner hoch“, die Dudelsackmusik setzt ein, und der Zug setzt sich in Bewegung: Die Tür zum eigentlichen Ort der Veranstaltung, eine Art unterirdische Grotte, wird geöffnet. Hier wird der festliche Rahmen noch einmal besonders deutlich.
1:13 Es gibt verschiedene Ansichten dieses Zuges, der sich über eine längere Treppe hinunterbewegt, dabei sieht man auch die große Versammlung, besonders eingeblendet werden bereits Niels und sein Vater.

In einer Seitenansicht sieht man zunächst die Dudelsackpfeifer, dann den Kerzenträger und schließlich die Fahnenträger.

Es mag eine Bedeutung haben, dass es jetzt hinuntergeht, in eine Art Unterwelt, in der das wirkliche Leben weitgehend ausgeschlossen ist.
1:45 Der Direktor beginnt seine Ansprache, beginnend mit knappen Verkündung des Themas „Das Licht des Wissens“ – zugleich wird bei einsetzender Orgelmusik bei einem Jungen die erste Kerze angezündet, wobei das Licht dann von einem zum anderen weiterwandert. Die Bannerträger setzen sich auch. Jetzt erreicht die Veranstaltung einen ersten Höhepunkt – dementsprechend wird die Weitergabe des Lichtes besonders in Szene gesetzt.
2:07 Der Direktor verweist auf die Ausgangssituation der Akademie vor 100 Jahren (im Jahre 1859), dabei niest jemand. Dieser Gegensatz von Festlichkeit und natürlicher Menschlichkeit dürfte gewollt sein – passt zur Welt von Todd, der sich ja auch nicht einfach einfügt.
2:26 Es kommt die Frage nach den vier Grundprinzipien der Akademie: Tradition, Ehre, Disziplin, Leistung – dabei stehen alle, wenn auch einige erst zögernd, auf. Hier wird deutlich, was die Welt dieser Schule bestimmt, nämlich eine ganz bestimmte Ordnung, die man markant in vier (konservativ anmutende) Prinzipien gefasst hat: Interessant ist, dass der Anpassungsprozess an diese Ordnung erst beginnt.
Der Direktor geht besonders auf die großen Erfolge der Akademie ein, festgemacht an der sich stark steigernden Zahl von Absolventen sowie dem hohen Prozentsatz von Abgängern, die an Elite-Colleges unterkommen. Als Grund des Erfolgs wird die strikte Einhaltung der Prinzipien betont. Beim Hinweis darauf, dass die WA das beste private Vorbereitungsinstitut auf den Besuch von Colleges ist, wird laut geklatscht. Diese längere Sequenz zeigt an der Oberfläche noch einmal das selbstgewählte und massiv vertretene Image dieser Schule, heute würde man von corporate identity sprechen. Zugleich liegt dort auch die Attraktivität – man sieht, was die Eltern der hier angemeldeten Schüler wollen, nämlich vor allem Erfolg, Karriere.

Tiefer darunter stecken natürlich auch Zwänge: Diese private Schule braucht den Erfolg (und den Drill), um weiterhin attraktiv zu sein. Am Ende wird sich das verhängnisvoll gegen Reformbemühungen wenden.

 

Bis
3:43

Der Direktor geht zum Schluss dieser Sequenz kurz auf einen Lehrerwechsel im Fach Englisch ein, wobei John Keating sich schon einmal kurz präsentieren kann. Am Ende der Eingangssequenz wird der vorgestellt, der später zum Sprengkörper für dieses System wird. Bezeichnenderweise erscheint er zunächst selbst als jemand, der völlig in dieses System passt, seinen Erfolgsgeist repräsentiert.

Übersicht über die ersten vier Minuten des Films (Arbeitsblatt)

Zeit Einstellung und „Inhalt“ Anmerkungen dazu
Man sieht eine Art Wandgemälde, in denen idealtypisch Schüler der Welton Akademie dargestellt werden. Ein Gemälde ist ein gemaltes Bild, d.h. Wirklichkeit wird gestaltet, mit Absicht versehen. Hier soll deutlich gemacht werden, wie gespannt und zugleich glücklich die Schüler dieser Schule sind/sein können.
0:08 Einem Jungen im Alter von vielleicht 10 Jahren wird offensichtlich von seiner Mutter die Krawatte umgebunden und er wird aufgefordert, sich „gerade zu halten“. Dieser Junge steht „im Schatten“ des Wandgemäldes – hier wird deutlich, wie die jungen Menschen geformt, dem Idealbild angeglichen werden.
0:14 Man sieht einen Koffer, aus dem ein – schon in entsprechender Uniform gekleideter – Schüler einen Dudelsack nimmt. Diese Szene hat wohl keine große Bedeutung, soll nur den festlichen Rahmen demonstrieren und auf die spätere Dudelsackmusik vorbereiten.
0:22 Der eingangs erwähnte Junge steht neben seinem älteren Bruder, sie werden von einem Mann mit Kamera für ein Bild „eingerichtet“.
0:39 Nachdem längere Zeit eine brennende Kerze und der Titel des Films eingeblendet worden sind, bekommt der ältere Herr, der das „Licht des Wissens“ in den Saal tragen soll, seine Instruktionen.
0:48 Im Vorbereitungsraum wird um Ruhe gebeten und es erfolgt das Kommando „Banner hoch“, die Dudelsackmusik setzt ein, und der Zug setzt sich in Bewegung: Die Tür zum eigentlichen Ort der Veranstaltung, eine Art unterirdische Grotte, wird geöffnet.

 

1:13 Es gibt verschiedene Ansichten dieses Zuges, der sich über eine längere Treppe hinunterbewegt, dabei sieht man auch die große Versammlung, besonders eingeblendet werden bereits Niels und sein Vater.

In einer Seitenansicht sieht man zunächst die Dudelsackpfeifer, dann den Kerzenträger und schließlich die Fahnenträger.

1:45 Der Direktor beginnt seine Ansprache, beginnend mit knappen Verkündung des Themas „Das Licht des Wissens“ – zugleich wird bei einsetzender Orgelmusik bei einem Jungen die erste Kerze angezündet, wobei das Licht dann von einem zum anderen weiterwandert. Die Bannerträger setzen sich auch.
2:07 Der Direktor verweist auf die Ausgangssituation der Akademie vor 100 Jahren (im Jahre 1859), dabei niest jemand.
2:26 Es kommt die Frage nach den vier Grundprinzipien der Akademie: Tradition, Ehre, Disziplin, Leistung – dabei stehen alle, wenn auch einige erst zögernd, auf.
Der Direktor geht besonders auf die großen Erfolge der Akademie ein, festgemacht an der sich stark steigernden Zahl von Absolventen sowie dem hohen Prozentsatz von Abgängern, die an Elite-Colleges unterkommen. Als Grund des Erfolgs wird die strikte Einhaltung der Prinzipien betont. Beim Hinweis darauf, dass die WA das beste private Vorbereitungsinstitut auf den Besuch von Colleges ist, wird laut geklatscht.
 

Bis
3:43

Der Direktor geht zum Schluss dieser Sequenz kurz auf einen Lehrerwechsel im Fach Englisch ein, wobei John Keating sich schon einmal kurz präsentieren kann.

Ausblick auf die nächste Sequenz:

Es bietet sich an, nach dieser ersten Eingangssequenz direkt auch die nächsten Minuten sorgfältig zu analysieren, weil sich erst dann ein komplettes Bild der Exposition ergibt.

In den folgenden knapp sechs Minuten wird in einer recht turbulenten Szenenfolge mit schnellen Schnitten gezeigt, wie sich die feierliche Versammlung auflöst, es zu vielfältigen Reaktionen auf die Rede mit viel Lob für den Direktor kommt, außerdem sind da die vielen kleinen Übergaben und Übernahmen vom Elternhaus zur Institution – man sieht, dass den meisten Schülern, vor allem den jüngeren der Abschied schwer fällt.

Dazu kommt die Konstitution der Schülergruppe, die den Film maßgeblich bestimmt, sie entwirft schon ein trotziges Gegenmodell zu den vier Prinzipien, muss sich im Übrigen aber den Vorgaben fühlen, wie sich am Beispiel Neil Perrys zeigt.

Interessant sind zwei kurze Schnitte, in denen einmal die stille herbstliche Landschaft, zum anderen ein aufsteigender Vogelschwarm zeigt, der direkt zu einer sehr bewegten Treppenhausszene überleitet.

Nach diesen beiden großen Expositionsblöcken, einmal der Feier, dann den vielen individuellen Reaktionen darauf, wird zu verschiedenen Formen des Unterrichts übergeleitet, wobei sich alles auf die Keating’sche Revolution des traditionellen Unterrichts hin zuspitzt.

Wer noch mehr möchte …