Friedrich Rückert, „Reiseziel“ – Analyse, Kritik und kreative Reaktion (Mat4290)

Zur Überschrift „Reiseziel“

  • Die Überschrift ist kurz und deutet nur an, dass es in dem Gedicht um das Ziel einer Reise gehen wird.
  • Ob das konkret ist oder allgemein angesprochen wird, bleibt zunächst einmal offen.

Zur Strophe 1

Nun ist das Leben an seinem Ziel,
Und ohne Zweck war die Reise.
O Jüngling, rühre das Saitenspiel,
Schon morgen wirst du zum Greise.

  • Das lyrische Ich stellt in der ersten Strophe zunächst einmal fest, dass das Leben – und gemeint ist wohl sein eigenes Leben – an seinem Ziel ist.
  • Im Folgenden hat man allerdings den Eindruck, dass es hier eher um das Ende geht und nicht um ein Ziel, denn das ist ja in der Regel mit einem Zweck verbunden. Dieser Zweck wird aber direkt ausgeschlossen.
  • Die letzten beiden Zeilen richten sich entweder wirklich an einen Jüngling in der Nähe, der das Leben noch vor sich hat.
  • Oder hier wird eine allgemeine Lebenserfahrung ausgesprochen, dass man nämlich Musik machen soll. Die wird anscheinend als Ersatz angesehen für etwas anderes, das im Leben nicht erreicht worden ist oder überhaupt nicht erreicht werden kann. Man kann hier an so etwas wie den Sinn des Lebens denken.

Zur Strophe 2

Das lecke Schiff und der morsche Kiel
In Meeren ohne Geleise,
Der Winde Ball und der Wellen Spiel,
Unnütz gewirbelt im Kreise.

  • Die zweite Strophe verwandelt dann diese Erfahrung in ein Bild, nämlich eines leckgeschlagenen Schiffes, das sich außerdem noch in Meeren bewegt, die keine Gleise haben.
  • Das ist natürlich eine Selbstverständlichkeit – im Unterschied zu dem Bahnverkehr auf Land. Allerdings ist das wohl im übertragenen Sinne zu verstehen, da es auf den Meeren aus der Sicht des lyrischen Ichs keine festen Routen gibt.
  • Die letzten beiden Zeilen beschreiben dann das Schiff als reines Subjekt des Windes und der Wellen, also der Naturgewalten.

Zur Strophe 3

So viel gehofft und gewünscht so viel,
Getäuscht in jeglicher Weise,
Hindurch durchs ewige Widerspiel,
Gequält von Glut und von Eise.

  • In dieser Strophe blickt das lyrische Ich auf sich selbst zurück und zwar auf die vielen Hoffnungen und Wünsche die es gehabt hat.
  • Die zweite Zeile behauptet dann, dass es in der Realität nur Enttäuschungen gegeben habe.
  • Es hat das Gefühl, dass es sein ganzes Leben lang nur durch Widerstände hindurchgegangen ist und dabei gequält worden ist.
  • Auch diese Qual hängt mit extremen Erfahrungen zusammen, nämlich zu großer Hitze und zu großer Kälte.

Zur Strophe 4

Nun sinkt die Rose auf mattem Stiel,
Die Blätter fallen vom Reise,
Nun ist das Leben an seinem Ziel,
Und ohne Zweck war die Reise.

  • In der letzten Strophe beschreibt das lyrische Ich noch einmal abschließend seine Situation und nutzt dabei das Bild einer Blume – und zwar der Rose als Inbegriff von Schönheit und ggf. auch Liebe.
  • Sie hat keine Kraft mehr und die Blätter fallen zu Boden.
  • Am Ende schließt sich der Kreis, wobei noch mal die Eingangsbemerkung aufgenommen wird:
  • Dass das Leben nur an einem Ende angekommen ist, aber kein Zweck beziehungsweise kein Sinn sichtbar geworden ist.

Zur Aussage des Gedichtes

Insgesamt

  1. entwirft das Gedicht ein sehr negatives Bild des Lebens.
  2. Das hat zwar ein Ziel, das aber nur das natürliche Ende, also der Tod ist.
  3. Ein Zweck und damit auch ein sinnvolles Ziel ist für das lyrische Ich nicht erkennbar.
  4. Es sieht all seine Hoffnungen und Wünsche enttäuscht und rettet sich am Ende nur noch in Kunst, wahrscheinlich ein Klagelied, das dem Inhalt dieses Gedichtes entspricht.

Zur künstlerischen Eigenart 

  1. Die künstlerische Eigenart des Gedichtes wird bestimmt durch die die negative Füllung des an sich positiven Wortes „Ziel“.
  2. Bei der Beschreibung der Situation wird auf das Bild eines morschen Schiffes zurückgegriffen, das sich auf dem Meer nur noch passiv bewegen kann.
  3. Ein wesentlicher Begriff ist der der Enttäuschung, verbunden mit Qual.
  4. Das negative Bild des Lebens wird am Ende dann noch dadurch verstärkt, dass ein Inbegriff der Schönheit, nämlich die Rose, nur noch in der Schlussphase des Verwelkens gezeigt wird.
  5. Abschließend präsentiert das Gedicht dann noch eine Art Ringschluss, der noch einmal die Summe der negativen Erfahrungen thematisiert. An ihnen hat sich im Verlaufe des Gedichtes nichts geändert, es gibt hier keinen Fortschritt, keine positive Wende.

Kritik und kreative Reaktion

  • Das Gedicht wirkt insgesamt sehr pauschalisierend. Auf konkrete Erfahrungen wird nicht eingegangen.
  • Auch wird das Zusammenleben mit anderen Menschen völlig ausgeblendet.
  • So gibt das Gedicht nur eine Stimmung wieder und dürfte der Realität kaum entsprechen.
  • —-
  • Das wiederum gibt dem Leser Spielräume, dem etwas Kritisches, aber Positives entgegenzusetzen.
  • Wir versuchen das mal halb-poetisch, also wohl in gesetzten Worten und einem bestimmten Rhythmus, aber ohne Reimzwänge, wohl aber in einem schönen Jambus 😉
  • Natürlich kann man dem toten Dichter auch eine Nachricht auf den virtuellen Grabstein legen. Also einfach auf einen Zettel schreiben, was von dem Gedicht vielleicht gut findet und was einen stört und vor allen Dingen was man gedenkt anders zu machen. aber wenn man ein bisschen auf den Rhythmus achtet, macht das viel mehr Spaß 😉

Anders Tivag (Unser Experte für die schnelle künstlerische Reaktion 😉

Stimmung ist nicht alles

Ach, Friedrich, lass das Jammern sein.
Es bringt doch nichts, sich zu beklagen
Am besten ist‘s den Blick zu weiten.
Geh doch am besten einfach raus.
Und siehst du keine Sonne,
Dann achte auf den Rollstuhl dessen,
Der weniger vom Leben hat als du.
Und wenn du keine Freunde hast,
Dann frag dich doch, woher das kommt.
Wer ständig jammert und nur Negatives sieht.
Den lässt man gern allein.
Geh auf die Menschen zu
Es wird sich einer finden,
Dem‘s vielleicht schlechter geht,
Und abends in sein Tagebuch
Voll Glück trägt ein:
„Der Tag heut‘ hatte einen Zweck,
Ich bin nicht mehr allein auf dieser Welt.“

 Wer noch mehr möchte …