Goethe, „Heidenröslein“ – kreativ-kritisch erweitert (Mat4401)

Worum geht es?

Zum Titel: Wir nehmen den Titel aus der Hamburger Ausgabe – also mit „n“ und ohne Artikel.

Goethes Gedicht „Heidenröslein“ lässt am Ende einen übergriffigen Jungen als Sieger dastehen – das wollen wir so nicht als einziges Ende dieser seltsamen Begegnung gelten lassen, darum haben wir uns eine „rösleinfreundlichere“ Schlussstrophe überlegt.

An anderer Stelle haben wir gezeigt, wie man das Gedicht filmisch vortragen könnte:
https://textaussage.de/5-min-tipp-gedicht-filmisch-vortragen-beispiel-goethe-heideroeslein

Das Gedicht selbst

Sah ein Knab ein Röslein stehn,
Röslein auf der Heiden,
War so jung und morgenschön,
Lief er schnell, es nah zu sehn,
Sah’s mit vielen Freuden.
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.

  • Hier geht es zwar um ein „Heidenröslein“, aber es spricht wohl alles dafür, dass es hier um ein Mädchen geht, das der Knabe gerne zu sich heimführen möchte.

Knabe sprach: Ich breche dich,
Röslein auf der Heiden!
Röslein sprach: Ich steche dich,
Dass du ewig denkst an mich,
Und ich will’s nicht leiden.
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.

  • Zunächst eine ziemlich anmaßende Absicht des Knaben, einfach eine solche Pflanze zu brechen, also von seinem Lebensumfeld zu trennen.
  • Auf ein Mädchen bezogen würde das bedeuten: Ich will dich auf Biegen und Brechen zu mir mitnehmen.
  • Es ist verständlich, dass es hier zu Widerstand kommt – mit den Waffen, die zur Verfügung stehen.
  • Die Androhung ewigen Angedenkens an die Verletzung deutet schon auf Mehr als eine Rose hin.

Und der wilde Knabe brach
’s Röslein auf der Heiden;
Röslein wehrte sich und stach,
Half ihr doch kein Weh und Ach,
Musst’ es eben leiden.
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.

  • Es ist hat ein „wilder“ Knabe,
  • er zieht sein Ding durch.
  • Goethe war nun wohl der Meinung, dass er damit durchkommt – so wie er es in seinem Leben ja auch immer wieder mit Frauen gehandhabt hat.
  • Aber wie gesagt: Das muss einem nicht gefallen – und deshalb eine Anschluss-Strophe, die alles wieder ins Gleichgewicht bringt.

Kreative Erweiterung

Konkret könnte eine weitere Strophe so aussehen:

Doch es ist nicht lang allein
Dieses Röslein-  jetzt weit weg
Von der Heimat auf der Heide
Denn der Knabe, welcher Schreck,
Schreit laut auf, oh Gott, ich leide!
Denn das Röslein war nicht rein,
Hatte Gift in seinem Blatt
Strafe macht den Knaben matt …

  • Hier wird deutlich, dass das Opfer tatsächlich nichts gegen das Brechen tun kann.
  • Aber klar wird auch, dass seine Warnung eines fortdauernden  Daran-Denken-Müssens doch Realität wird.
  • Wir haben die Gift-Variante gewählt,
  • möglich wäre aber auch eine andere, nämlich die, dass die durch das Röslein vertretene junge Frau später über den Knaben herrscht. Solche Beziehungen soll es ja immer wieder gegeben haben.
  • Man kann das natürlich auch so ausgestalten, dass die junge Frau sich zwar ziert, aber letztlich doch bereit ist, für ihr selbstständiges Leben eine Beziehung einzutauschen, die ihr auch ein Mehr an Sicherheit und Geborgenheit gibt. Alleinstehende Frauen hatten es zu Goethes Zeiten ja nicht leicht.
  • Nun ja, wir haben hier die Straf-Variante gewählt und finden die erst auch mal angemessen. 😉

 Wer noch mehr möchte …