Goethe, „Neue Liebe, neues Leben“ – Tipps für eine optimale Analyse und Interpretation

Zwei verschiedene Ansätze bei der Analyse und Interpretation eines Gedichtes

Wir haben zwar selbst ein ganz einfaches Interpretationsmodell entwickelt, bei dem man sich erst mal Zeile für Zeile das Gedicht klarmacht und dabei ein zunehmendes Verständnis aufbaut.

Das nennt man „induktiv“, d.h. von unten (Leseeindrücke) nach oben (allgemeine Aussagen) vorgehen.

Aber viele Schülerinnen und Schüler sollten Gedichte nach einem etwas anderen Schema behandeln, das z.B. nach dem Einleitungssatz mit einer Inhaltsangabe beginnt.

Unserer Meinung nach ist das ungünstig, weil man bei schwierigen Gedichten gar nicht so einfach den Inhalt beschreiben kann. Außerdem fehlt bei diesem Analyseverfahren die Leserlenkung und der fortlaufende Aufbau eines Verständnisses des Verständnisses.

So ein Verfahren kann man „deduktiv“ nennen, d.h. man muss schon alles verstanden haben, um dann das Ergebnis präsentieren zu können.

Eine Vorab-Inhaltsangabe soll eigentlich bei der Interpretation helfen, setzt diese aber eigentlich schon voraus.

Aber wir probieren es einfach mal.

Zunächst der Text

Goethe

Neue Liebe, neues Leben

Herz, mein Herz, was soll das geben?
Was bedränget dich so sehr?
Welch ein fremdes, neues Leben!
Ich erkenne dich nicht mehr.
Weg ist alles, was du liebtest,
Weg, warum du dich betrübtest,
Weg dein Fleiß und deine Ruh –
Ach, wie kamst du nur dazu!

Fesselt dich die Jugendblüte,
Diese liebliche Gestalt,
Dieser Blick voll Treu und Güte
Mit unendlicher Gewalt?
Will ich rasch mich ihr entziehen,
Mich ermannen, ihr entfliehen,
Führet mich im Augenblick,
Ach, mein Weg zu ihr zurück.

Und an diesem Zauberfädchen,
Das sich nicht zerreißen lässt,
Hält das liebe lose Mädchen
Mich so wider Willen fest;
Muß in ihrem Zauberkreise
Leben nun auf ihre Weise.
Die Verändrung, ach, wie groß!
Liebe! Liebe! laß mich los!

1. Dann der Einleitungssatz mit Thema

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Neue Liebe, neues Leben“, das kurz vor dem Februar 1775 entstanden ist, wie man der Hamburger Ausgabe von der Werke Goethes von Erich Trunz entnehmen kann.

  • Diese Information muss natürlich der Klausuraufgabe hinzugefügt werden.

Was das Thema angeht, so beschäftigt sich das Gedicht mit der Frage wie es einem Menschen geht, der sich in der Phase intensiver Verliebtheit befindet.

  • Wichtig ist, das Thema möglichst als Frage bzw. Problemstellung zu formulieren.
  • Die Aussagen des Gedichtes (Intentionalität) sind dann die Antwort darauf.

Bitte etwas Geduld – wir setzen das hier noch fort. Im folgenden schon mal einen Überblick über die nächsten Schritte der Analyse und dann der Interpretation.

2. Kurze Zusammenfassung des Inhalts

3. Eventuell Überleitungssatz zum Hauptteil

4. Aspekt: Kommunikationssituation (Ausgehend vom lyrischen ich

5. Aspekt: Beteiligte oder angesprochene Personen

6. Situation des lyrischen Ichs und seine Reaktion (Empfindungen, Gefühle, Gedanken)

7. spezielles Motiv, zum Beispiel Liebesleid, Tod, Fernweh,

8. Form des Gedichtes (Strophen, Reim, Rhythmus)

9. Intentionalität unter Einbeziehung der Überschrift

10. sprachliche Besonderheiten und deren Wirkung

11. Gegebenenfalls Überleitung Satz zum Schluss

12. Zusammenfassung

13. Interpretationsaspekte

Epochenbezug, Vergleich mit anderen Gedichten

14. Eigene Stellungnahme, Beurteilung

 

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