Das Folgende ist als erster, kurzer Überblick über den Inhalt und wichtige Textstellen gedacht, so dass man gleich schon mal mitreden kann.
Wir konzentrieren uns auf 10 Punkte, damit man sich das leicht merken kann.
- Goethes Bestseller von 1774 „Die Leiden des jungen Werther“ ist ein Briefroman, in dem es um eine seltsame Dreierbeziehung geht.
- Da ist zum einen die Titelfigur,
- ein junger Mann, der wegen einer unglücklichen Liebschaft von zu Hause fast geflohen ist und nebenbei familiäre Angelegenheiten regeln will.
- Er entspricht dem Geniekult der Zeit des Sturm und Drang. D.h., er lebt intensiv seine Gefühle aus und stößt sich an den Konventionen der Gesellschaft.
- Typisch für Empfindsamkeit ist der Brief vom 10. Mai (Seite 7) in dem er angesichts der ihn umgebenden Natur die „Gegenwart des Allmächtigen“ spürt, „der uns nach seinem Bilde schuf, das Wesen des Allliebenden, der uns in ewiger Wonne schwebend trägt und erhält.“
- Was ihn an der Gesellschaft stört, sind „die fatalen bürgerlichen Verhältnisse.“ S. 76) Schon auf Seite 12 beklagt er, dass „die tätigen und forschenden Kräfte des Menschen eingesperrt“ sind und einem nur eine „träumende Resignation“ bleibt.
Seine Konsequenz: „Ich kehre in mich selbst zurück, und finde eine Welt!“ - Aber auch mit einzelnen Menschen hat Werther Probleme: Er sieht sie als „verzerrte Originale“ (S. 12 ) – eine interessante Formulierung, weil sie das eigentliche Positive, ein „Original“ zu sein, ins Negative zieht.
- Dann gibt es Lotte, die als älteste Tochter eines Amtmannes sich in einem Ort Wahlheim nach dem Tod ihrer Mutter um die vielköpfige Familie kümmert. Ihr Problem ist, dass sie sich von Werthers Empfindsamkeit anstecken lässt, zugleich aber in ihre familiären Pflichten eingebunden bleibt.
- Zum Problem wird, dass Werther sich in dieses Mädchen verliebt, obwohl sie bereits mit dem zunächst abwesenden Albert verlobt ist. Lotte sie zurecht in ihm ein Mann, „dessen Liebe und Treue sie kannte, dem sie von Herzen zugetan war, dessen Ruhe, dessen Zuverlässigkeit recht vom Himmel dazu bestimmt zu sein schien, dass eine wackere Frau das Glück ihres Lebens darauf gründen sollte; sie fühlte, was er ihr und ihren Kindern auf immer sein würde.“ (Reclam, EBook Ausgabe, Seite 131)
- Der vierte, ein Wilhelm, ist nur als Adressat der Briefe Werthers vorhanden, in denen er über dessen Erlebnisse und Gefühle auf dem Laufenden gehalten wird.
- Das Besondere an der Beziehung zwischen Werther und Lotte ist, dass Letzterer jede Gelegenheit nutzt, um mit Lotte zusammen zu sein. Damit wird er in gewisser Weise zu einem Bestandteil von deren Familie.
- Unerträglich wird die Situation schließlich, als Albert zurückkehrt. Er ist zwar erstaunlich tolerant, aber es ist ganz klar, dass Lotte ihm treu bleiben wird. schließlich nimmt Werther aus lauter Verzweiflung einen Job bei einem Gesandten an, der ihm aber auch viel „Verdruss“ (74), also Unannehmlichkeiten und Ärger, bereitet. In einem Brief an Lotte schreibt er: „Wie ausgetrocknet meine Sinne werden; nicht einen Augenblick der Fülle des Herzens, nicht eine selige Stunde!„(78)
- Schließlich kehrt er nach Wahlheim zurück, wo Lotte inzwischen ihren Albert geheiratet hat und die Verhältnisse zwischen den drei Personen immer peinlicher werden. Werther dazu: „Es geht mir ein Schauder durch den ganzen Körper, Wilhelm, wenn Albert sie um den schlanken Leib fasst. (…) Sie wäre mit mir glücklicher geworden als mit ihm! O er ist nicht der Mensch, die Wünsche dieses Herzens alle zu füllen.“ (91)
- Schließlich hält Werther es nicht mehr aus und erschießt sich. Als Selbstmörder wird er außerhalb des Friedhofs und ohne kirchlichen Beistand von Lottes Vater beerdigt. All das wird aus der Perspektive eines Herausgebers der Briefe berichtet.
- Insgesamt ist dieser Brief Roman typisch für die Zeit des „Sturm und Drang“, in der vor allem junge Dichter die vorangehende Vernunftkultur der Aufklärung und die Parallelbewegung der Empfindsamkeit vereinigten zu einem stark gefühlsbetonten Geniekult mit sehr viel radikalerer Kritik an der Gesellschaft.
Vorschlag für einen schnellen Einstieg in die Besprechung des Romans
Und wenn man gleich zu Beginn im Unterricht eine intelligente Frage stellen will, dann könntet ihr zum Beispiel so aussehen:
Ist Werther nicht eigentlich auch ein Romantiker?
Hier zu kann man sich gut den Brief vom 22. Mai anschauen (Seite 12 folgende).
-
- „Dass das Leben des Menschen nur ein Traum sei, ist manchem schon so vorgekommen, und auch mit mir zieht dieses Gefühl immer herum.
- Wenn ich
- die Einschränkung ansehe, in welcher die tätigen und forschenden Kräfte des Menschen eingesperrt sind;
- wenn ich sehe, wie alle Wirksamkeit dahinaus läuft, sich die Befriedigung von Bedürfnissen zu verschaffen, die wieder keinen Zweck haben, als unsere arme Existenz zu verlängern,
- und dann, dass alle Beruhigung über gewisse Punkte des Nachforschens nur eine träumende Resignation ist, da man sich die Wände, zwischen denen man gefangen sitzt, mit bunten Gestalten und lichten Aussichten bemalt –
- Das alles, Wilhelm, macht mich stumm. Ich kehre in mich selbst zurück, und finde eine Welt!
- Wieder mehr in Ahnung und dunkler Begier als in Darstellung und lebendiger Kraft.
- Und da schwimmt alles vor meinen Sinnen, und ich lächle dann so träumend weiter in die Welt.
- Dass die Kinder
- nicht wissen, warum sie wollen, darin sind alle hochgelahrten Schul- und Hofmeister einig;
- dass aber auch Erwachsene gleich Kindern auf diesem Erdboden herumtaumeln und wie jene nicht wissen, woher sie kommen und wohin sie gehen,
- ebensowenig nach wahren Zwecken handeln, ebenso durch Biskuit und Kuchen und Birkenreiser regiert werden:
- das will niemand gern glauben, und mich dünkt, man kann es mit Händen greifen.
- Ich gestehe dir gern, denn ich weiß, was du mir hierauf sagen möchtest,
- dass diejenigen die Glücklichsten sind, die gleich den Kindern in den Tag hinein leben, ihre Puppen herumschleppen, aus- und anziehen und mit großem Respekt um die Schublade umherschleichen, wo Mama das Zuckerbrot hineingeschlossen hat, und, wenn sie das gewünschte endlich erhaschen, es mit vollen Backen verzehren und rufen: »Mehr!« –
- Das sind glückliche Geschöpfe.
- Auch denen ist’s wohl,
- die ihren Lumpenbeschäftigungen oder wohl gar ihren Leidenschaften prächtige Titel geben und sie dem Menschengeschlechte als Riesenoperationen zu dessen Heil und Wohlfahrt anschreiben. – Wohl dem, der so sein kann!
- Wer aber in seiner Demut erkennt, wo das alles hinausläuft, wer da sieht, wie artig jeder Bürger, dem es wohl ist, sein Gärtchen zum Paradiese zuzustutzen weiß, und wie unverdrossen auch der Unglückliche unter der Bürde seinen Weg fortkeucht, und alle gleich interessiert sind, das Licht dieser Sonne noch eine Minute länger zu sehn –
- ja, der ist still und bildet auch seine Welt aus sich selbst und ist auch glücklich, weil er ein Mensch ist. Und dann, so eingeschränkt er ist, hält er doch immer im Herzen das süße Gefühl der Freiheit, und dass er diesen Kerker verlassen kann, wann er will.“
Weiterführende Hinweise
- Weitere Infos, Tipps und Materialien zu Goethes „Werther“
https://textaussage.de/werther-themenseite - Ein Verzeichnis aller unserer Themenseiten findet sich hier:
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