Denken Schriftsteller beim Schreiben eigentlich an „sprachliche“ Mittel? Goethes Antwort (Mat6123)

Worum es hier geht:

Spätestens, wenn bei einem Gedicht nach den sprachlichen Mitteln gefragt wird, ist für viele Schülis die Motivation futsch.

Vielleicht sollte man mehr an die Leute denken, die die Texte schreiben.

Zum Beispiel an Goethe:

Goethe soll zu Johann Peter Eckermann am 14. November 1823 gesagt haben:

„Es war nicht Schillers Sache, fuhr Goethe fort, mit einer gewissen Bewusstlosigkeit und gleichsam instinktmäßig zu verfahren, vielmehr musste er über jedes, was er tat, reflektieren; woher es auch kam, dass er über seine poetischen Vorsätze nicht unterlassen konnte, sehr viel hin und her zu reden, sodass er alle seine späteren Stücke Szene für Szene mit mir durchgesprochen hat.“

Auf gut deutsch heißt das doch, dass Goethe für sich in Anspruch nimmt „gleichsam instinktmäßig“ geschrieben zu haben, während Schiller alles immer „reflektieren“ musste. Das würde bedeuten, dass Schiller beim Schreiben immer auch über die Wirkung seiner Texte und die entsprechenden Mittel nachgedacht hätte.

In der Realität sind die Schriftsteller so mit dem beschäftigt, was sie ausdrücken wollen, und damit, das auf sich wirken zu lassen, was sie geschrieben haben oder im Kopf noch hin und her bewegen, dass sie nicht an die vielen Fachbücher der Deutschlehrer und Germanisten denken.

Warum sollten sie das auch tun?

Analyse ist immer etwas anderes als das eigentliche literarische Schreiben. Nicht von ungefähr werfen Schriftsteller den Literaturkritikern vor, immer auch ein bisschen neidisch zu sein, weil sie zwar gut analysieren, aber eben nicht selbst etwas genauso gut oder noch besser gestalten können.

Also halten wir noch mal für den Regelfall fest:

  1. Die meisten Schriftsteller schreiben, weil sie schreiben „müssen“, da muss etwas aus ihnen heraus.
  2. Und sie versuchen, das Maximum aus den sprachlichen Möglichkeiten herauszuholen, damit es in ihrem Sinne wirken kann.
  3. Und manchmal wirkt das Geschriebene auch aus eigener Kraft in eine noch andere oder weitere Richtung. Denn was, was beim Sprechen oder Schreiben herauskommt, ist nie hundertprozentig identisch mit dem, was der Schreiben sagen wollte bzw. was beim Leser ankommt.
  4. Natürlich gibt es auch Schriftsteller, die auch Fachleute der Analyse sind und das mit in ihr Schreiben einfließen lassen.
  5. Die Regel dürfte das aber nicht sein – allerdings heißt das nicht, dass diese Nicht-Analyse-Schriftsteller nicht auch ganz lange prüfen, ob das, was sie schreiben auch optimal sprachlich ausgedrückt ist.

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