Andreas Gryphius, „Es ist alles eitel“ – ein typisches Barockgedicht, das man auch kritisieren kann (Mat683)

Allgemeines zum Gedicht

  • Es handelt sich um ein typisches Gedicht der Barockzeit.
    • Die war vor allem durch den grausamen 30-jährigen Krieg bestimmt.
    • Die Soldaten „ernährten“ sich damals aus dem Land – und das hieß auf gut Deutsch: Sie raubten den Menschen alles, was sie bekommen konnten. Viele wurden auch umgebracht oder starben anschließend an Hunger, Krankheit u.ä.

Anmerkungen zu Strophe 1

  • Vor diesem Hintergrund erwartet man als jemand, der Barockgedichte kennt
    • Diese schreckliche Erfahrung im Hintergrund bestimmt auch dieses Gedicht.
    • Allerdings geht es in diesem Gedicht nicht sofort um kriegerische Dinge. Vielmehr wird ein allgemeines Urteil über die Welt gefällt. Sie ist voller „Eitelkeit“. Das heißt soviel wie „nichts wert“.
      „Du siehst, wohin du siehst, nur Eitelkeit auf Erden.“
  • Dann gibt es zwei Zeilen, die das am Beispiel von Zerstörung deutlich machen.
    „Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein;
    Wo jetzund Städte stehn, wird eine Wiese sein,“
  • Am Ende eine aus heutiger Sicht schöne Vorstellung von dem Kind eines Schäfers, das allein auf einer Wiese spielt, nachdem die Stadt zerstört worden ist.
    „Auf der ein Schäferskind wird spielen mit den Herden“
  • In Wirklichkeit bedeutet das aber den Zusammenbruch der Zivilisation und damit auch den Tod vieler Menschen.

Anmerkungen zu Strophe 2

  • Das zweite Quartett (Strophe mit vier Zeilen) wiederholt noch mal die Zerstörungs- und Todeshinweise.
    „Was jetzund prächtig blüht, soll bald zertreten werden;
    Was jetzt so pocht und trotzt, ist morgen Asch und Bein;“
  • Vor allem wird alles infrage gestellt, was jetzt noch schön und mächtig aussieht.
    „Nichts ist, das ewig sei, kein Erz, kein Marmorstein.
    Jetzt lacht das Glück uns an, bald donnern die Beschwerden.“

Anmerkungen zu Strophe 3

  • Das erste Terzett (Strophe mit drei Zeilen) stellt auch noch den Ruhm des Menschen infrage. Damit ist alles gemeint, was ein Mensch an Bedeutung für sich wünschen kann.
    „Der hohen Taten Ruhm muss wie ein Traum vergehn.“
  • Anregung: Es lohnt sich sicher mal drüber nachzudenken, inwieweit auch schon Schüler „Ruhm“ haben können und wieso der vergänglich sein könnte.
  • Es folgt eine rhetorische Frage, ob der Mensch, der hier als leicht (wohl im Sinne von unwichtig) bezeichnet wird, vor diesem Hintergrund bestehen kann.
    „Soll denn das Spiel der Zeit, der leichte Mensch, bestehn?“
    „Ach, was ist alles dies, was wir für köstlich achten,“
  • Was das Schicksal des Menschen bestimmt, ist das Spiel der Zeit. Das war damals eine landläufige Vorstellung, die deutlich machen sollte, dass der Mensch nur Objekt ist von etwas, was mit ihm „sein Spiel macht“.
  • Am Ende dann eine Art Klage über die Nicht-Bedeutung all dessen, was wir als Menschen als schön ansehen.

Anmerkungen zu Strophe 3

  • Das letzte Terzett bringt noch einmal eine Aufzählung von Begriffen und Dingen, die deutlich machen sollen, dass der Mensch eigentlich ein Nichts ist.
    „Als schlechte Nichtigkeit, als Schatten, Staub und Wind,
    Als eine Wiesenblum, die man nicht wieder find’t!“
  • Die letzte Zeile bringt dann den Sprung in die religiösen Vorstellungen damaligen Zeitpunkt vor allem das Christentum wurde vor dem Hintergrund des irdischen Spiels als etwas Ewiges betrachtet, auf das es ankam.
    „Noch will, was ewig ist, kein einig Mensch betrachten.“

Anmerkungen zur Aussage des Gedichtes

Insgesamt

  1. macht das Gedicht deutlich, dass es von der Nichtigkeit, dem allenfalls geringen Wert ausgeht, der dem Menschen zukommt.
  2. Überall wird nur Zerstörung, Krankheit und Tod gesehen.
  3. All das wird aber nicht so eindeutig wie in anderen Gedichten dem Kriegsgeschehen zugeordnet
    z.B. hier: https://www.schnell-durchblicken2.de/gryphius-traenen-mp3
  4. Vielmehr drückt dieses Gedicht aus, dass das gesamte irdische Leben der Menschen keine große Bedeutung hat. Es ist nur eine Art Vorspiel für die Ewigkeit.
  5. Und die Aufgabe des Menschen ist es, das ernst zu nehmen, sich darauf einzustellen, um auf diese Art und Weise auch an echter Größe und Bedeutung zu gewinnen.
  6. Der Mensch ist also nicht aus sich etwas, sondern nur, wenn er sich an das Ewige hält, also die Gesetze der Religion und die Hoffnung auf das Jenseits zu seinem Lebensinhalt macht.

Anmerkungen zu den „Mitteln“ des Gedichtes

  • Dieses Gedicht hat wie die meisten Barock-Gedichte eine bestimmte metrische Form, dämlich einen sechshebigen Jambus, der in der Mitte eine Zäsur hat, eine Trennung.
  • Besonders die zweite und dritte Zeile der ersten Strophe machen deutlich, dass das auch inhaltlich für Gegensätze genutzt wird.
  • Man nennt diese Versform mit der Zäsur in der Mitte „Alexandriner“.
    Näheres dazu in der Übersicht:
    https://textaussage.de/fachbegriffe-deutschunterricht
  • Zu den Mitteln gehören natürlich auch die Gegensatzpaare. Da gibt es zum einen scheinbare Schönheit und im Gegensatz dazu die Zerstörung.
  • Die erste Zeile der zweiten Strophe bringt dann zwei Personifizierungen, die schon ein Vorverweis sind auf die Vorstellung, dass der Mensch Objekt ist und nicht Subjekt seines Schicksals.
  • Ein weiteres Mittel ist die rhetorische Frage im ersten Terzett, die stellvertretend steht für die grundsätzliche Infragestellung all dessen, was Menschen sich als groß und beständig erträumen.
  • Im zweiten Terzett dann eine Aneinanderreihung von Wörtern, die alle die Winzigkeit und fehlende Bedeutung des Menschen noch mal betonen.
  • Wichtig ist die etwas isolierte Schlussstellung des Hinweises auf das Ewige. Aber das hat ja gerade eine besondere Bedeutung.

 

Kritik am Gedicht

  • Aus heutiger Sicht erscheint das Gedicht sehr im schwarz-weiß-Ton gemalt.
  • Man vermisst alles, was es an Schönheit im Leben auch gibt.
  • Letztlich repräsentiert dieses Gedicht eine religiöse Radikalität, die es im Mittelalter durchaus gab. Man denke etwa an den Film „Der Name der Rose“ und den dortigen Streit um das Lachen. Das wurde in manchen Klöstern den Mönchen ausdrücklich verboten.

Kreative Impulse

  1. Auch hier kann man sich vorstellen, diesem Gedicht etwas entgegenzusetzen, was bei allem Schmerz über die Vergänglichkeit auch dem Schönen seinen Wert lässt.
  2. Hier könnte man überlegen, ob nicht Kunst und Kultur in der Geschichte der Menschheit nichts anderes waren als ein Versuch, dem Leben in dieser Welt mehr zu geben, als es von selbst präsentiert.
  3. Man könnte probeweise einfach mal eine Gruppe von Schülern auf die Bühne bringen, die nur noch ans Jenseits denken und alles verwerfen, was normalerweise dem Leben Glanz gibt.
  4. Man kann natürlich auch überlegen, ob das Bewusstsein der Vergänglichkeit nicht auch etwas ist, was gerade antreibt, die Schönheiten des Lebens auch intensiv zu genießen und gegebenenfalls auch zu gestalten. Es gibt viele Filme, in denen Menschen gerade versuchen, in der letzten Lebensphase noch einmal schöne Erlebnisse wieder aufleben zu lassen.

Versuch einer sprachlichen Modernisierung des Gedichtes

Lars Krüsand,

Andreas Gryphius,  Es ist alles eitel – wie man es heute sagen könnte

Ganz gleich, wohin du schaust, nirgends ist was von Dauer.
Der eine baut was auf, der andere reißt es ein.
Wo jetzt Millionen wohnen, wird eine Wüste sein.
Nur Trümmer, keine Nahrung, nur Hunger gibt es noch.

Selbst was zum Himmel ragt, Zerstörung droht auch ihm.
Und wo noch Stolz und Pracht, wird bald auch Elend sein.
Nichts bleibt von allem hier, so hoch es auch mag stehn.
Das Glück, das wir noch spüren, wird krachend pleite gehen.

Selbst wer im Guiness steht, das Buch wird auch vergehn.
Was bleibt denn dann von uns, sind Menschen auch ein Nichts?
Wir glauben an so viel – und doch scheint alles nichts.

Alles nur Vorhang, dahinter find sich nichts
Als eine Ahnnung nur von Glanz, die schon verschwunden ist.
Was ewig könnte sein, drum kümmert sich kein Schwein.

Wer noch mehr möchte …