Heine, Mein Herz, mein Herz, ist traurig – ein Gedicht zwischen den Epochen (Romantische Ironie) (Mat523)

Worum es hier geht:

Dieses Video präsentiert ein Gedicht von Heinrich Heine, an dem man zeigen kann, wie der Dichter sich von der Romantik löst und deren manchmal auch idyllische Seite infragestellt.

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Genauere Erläuterungen des Textes

Heinrich Heine

Mein Herz, mein Herz ist traurig

Anmerkungen zu Strophe 1

Mein Herz, mein Herz ist traurig,
Doch lustig leuchtet der Mai;
Ich stehe, gelehnt an der Linde,
Hoch auf der alten Bastei.

  • „Herz“ ist ein zentraler Begriff der Zeit, die Goethe noch erlebt hat. Heine spielt hier schon ein bisschen mit diesem Begriff, weil er „traurig“ mit „lustig“ verbindet. Überhaupt wollte er ja, dass man sich langsam nach dem Tod Goethes von diesem „Dichterfürsten“ entfernt und neue Wege geht.
  • „Linde“ und „Bastei“ sind als Elemente der Natur und der Geschichte typisch für ein Gedicht der Romantik.

Anmerkungen zu Strophe 2

Dort drunten fließt der blaue
Stadtgraben in stiller Ruh;
Ein Knabe fährt im Kahme,
Und angelt und pfeift dazu.

  • Auch die 2. Strophe bietet viel Romantik:
  • Den Blick auf den Stadtgraben und ein Knabe, der angelt und pfeift, also ganz natürliche Dinge tut.

Anmerkungen zu Strophe 3

Jenseits erheben sich freundlich,
in winziger, bunter Gestalt,
Lusthäuser, und Gärten, und Menschen,
Und Ochsen, und Wiesen, und Wald.

  • Auch hier geht es in ähnlicher Weise weiter,
  • allerdings passen die „Ochsen“ nicht so recht in ein idyllisches Bild

Anmerkungen zu Strophe 4

Die Mägde bleichen Wäsche,
Und springen im Gras herum:
Das Mühlrad stäubt Diamanten,
Ich höre sein fernes Gesumm.

  • Natürlich dürfen auch einfache Menschen nicht fehlen, die friedlich ihrer Arbeit nachgehen.
  • Ein romantischer Höhepunkt des Gedichts ist die Schilderung des Wassers am Mühlrad.

Anmerkungen zu Strophe 5

Am alten grauen Turme
Ein Schilderhäuschen steht;
Ein rotgeröckter Bursche
Dort auf und nieder geht.

  • Auch hier wieder ein Hinweis auf die Geschichte und ihre Überreste.
  • Dann kommt das Gedicht zum Schlussakkord, indem es erst mal einen Soldaten vorstellt, der dort „Schildwache“ hält.
  • Immer noch ein sehr idyllisches Bild.

Anmerkungen zu Strophe 6

Er spielt mit seiner Flinte,
Die funkelt im Sonnenrot,
Er präsentiert und schultert –
Ich wollt, er schösse mich tot.

  • Die Idylle wird sogar noch fortgesetzt, weil dieser Soldaten offensichtlich nicht viel Gefahr sieht und auch nicht verbreitet.
  • Dann kommt allerdings der Hammer. Während der Soldat vielleicht wieder ein bisschen ernster seinen militärischen Pflichten nachgeht, zeigt das Lyrische Ich plötzlich ein starkes Gefühl der Lebensunlust, will sogar am liebsten totgeschossen werden.
  • Das muss natürlich nicht ernst gemeint sein, ist vielleicht auch nur eine Augenblicks-Eingebung.
  • Aber es stört doch sehr die Idylle.
  • Allerdings passt es natürlich zur ersten Zeile, in der ja auch schon von Traurigkeit die Rede ist.

Zusammenfassung

  • Insgesamt hat man den Eindruck, dass nicht nur die ersten beiden Zeilen einen Gegensatz markieren,
  • sondern das ganze romantische Bild mehr Kulisse ist als empfundene Wirklichkeit.

Heine und die Romantik

  • Man kann hier sehen, dass Heine sich von der Romantik seiner frühen Schaffensjahre wegbewegt hin zu einer eher kritisch-distanzierten und auch ironischen Haltung.
  • Dazu passt übrigens auch der ziemlich kaputte Rhythmus. Es finden sich immer wieder alternierende Verszeilen, bei denen jeweils eine betonte und eine unbetonte Silbe wechseln.

Alternierend ist zum Beispiel:

Mein Herz, mein Herz ist traurig,

Aber es gibt eben auch viele Stellen, wo zwei unbetonte Silben aufeinanderfolgen.

Doch lustig leuchtet der Mai;
Ich stehe, gelehnt an der Linde,

xXxXxxX

xXxxXxxX

  • Eine besonders schlimme Stelle ist die mit dem Stadtgraben,
  • denn die natürliche Betonung beginnt mit einer Hebung.#
  • Wenn man aber den Jambus des Anfangs aufnimmt, dann müsste die zweite Silbe betont werden.

Fazit:

  • Bei diesem Gedicht passt weder der idyllische Inhalt zur wirklichen Gefühlslage des Lyrischen Ich noch der Rhythmus.
  • Das wiederum passt zu der Übergangssituation zwischen Romantik und den folgenden realistischeren Epochen der Literatur.

Weiterführende Hinweise

Zu dieser Übergangssituation bei Heine passt sehr gut das folgende Gedicht:
Heine, Nun ist es Zeit, dass ich mit Verstand mich aller Torheit entledige
https://textaussage.de/heine-nun-ist-es-zeit-dass-ich-mit-verstand-abschied-von-der-romantik

In diesem Gedicht äußert sich Heine von vornherein ganz klar zu seiner früheren romantischen Phase.

Das ist auch ein Unterschied zur romantischen Ironie. Die bedeutet ja gerade das, was hier im Gedicht stattfindet – nämlich eine völlige Infragestellung dessen, was vorher präsentiert wurde. Aus purer Romantik wird Zerstörung.

Näheres dazu hier:
https://textaussage.de/endlich-durchblick-literaturepoche-romantische-ironie

Weitere Infos, Tipps und Materialien 

https://textaussage.de/weitere-infos