Karoline von Günderrode, „Überall Liebe“ (Mat4446)

Das Gedicht haben wir hier gefunden:

Karoline von Günderode

Überall Liebe

  • Der Titel erscheint ein bisschen gewagt, man weiß auch nicht genau, was damit gemeint ist.
  • Entweder ist es die Beschreibung eines Zustands oder aber ein Versprechen, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind.
  • Wenn man das Gedicht „Die eine Klage“ von derselben Autorin kennt, ist man besonders gespannt, was in diesem Gedicht anders präsentiert wird.
    https://textaussage.de/karoline-von-guenderrode-die-eine-klage

Kann ich im Herzen heiße Wünsche tragen?
Dabei des Lebens Blüthenkränze sehn,
Und unbekränzt daran vorübergehn
Und muss ich traurend nicht in mir verzagen?

  • In der ersten Strophe stellt das lyrische Ich sich selbst in Frage.
  • Die Situation ist aber nicht ganz klar.
  • Offensichtlich will das lyrische Ich sich Mut zu sprechen, bei entsprechenden inneren Wünschen auch eine gute Gelegenheit zur Erfüllung möglichst zu nutzen.
  • Seltsam ist dann allerdings die letzte Zeile, wo das lyrische Ich plötzlich von einer negativen Entwicklung ausgeht, die in Trauer endet.

Soll frevelnd ich dem liebsten Wunsch entsagen?
Soll muthig ich zum Schattenreiche gehn?
Um andre Freuden andre Götter flehn,
Nach neuen Wonnen bei den Toten fragen?

  • Die zweite Strophe setzt die Tendenz fort, dass das lyrische Ich offensichtlich große Wünsche hat,
  • aber aus irgendeinem Grunde auch die Hemmung, sie auszuprobieren oder gar auszuleben.
  • Völlig unklar bleibt, wieso eine Ersatzmöglichkeit für unerfüllte Wünsche bei den Toten gesehen wird.

Ich stieg hinab, doch auch in Plutons Reichen,
Im Schoß der Nächte, brennt der Liebe Glut
Dass  sehnend Schatten sich zu Schatten neigen.

  • Hier wird es jetzt noch seltsamer, wenn das lyrische Ich allen Ernstes behauptet, es sei ins Reich der Toten hinabgestiegen
  • und habe dort festgestellt, dass es da auch noch Liebessehnsucht gibt.
  • Das entspricht kaum den bekannten Vorstellungen aus der Antike vom Totenreich.
  • Die einzig mögliche Erklärung ist, dass es sich hier um einen inneren Vorgang handelt und sie sich selbst Hoffnung zusprechen will.
  • Um was für eine Situation es sich dabei handelt, wird dem Leser immer noch nicht gesagt.
  • Das ist sehr erstaunlich: denn bei großem Leiden ist in der Regel auch die Bereitschaft groß, genauer zu sagen, was man verloren hat (siehe das andere Gedicht („Die eine Klage“) , das an dieser Stelle sehr viel klarer ist.
  • Zwischenbilanz:
    Denkbar wäre allerdings, dass dieselbe gedachte Situation des Verlustes einer großen Liebe gegeben ist und in diesem Gedicht das lyrische Ich sich im Unterschied zum anderen Gedicht Hoffnungen machen will.

Verloren ist wen Liebe nicht beglücket,
Und stieg er auch hinab zur styg’schen Flut
Im Glanz der Himmel blieb er unentzücket.

  • Leider werden die deutlich geworden Probleme in der letzten Strophe nicht aufgelöst.
  • Offensichtlich enthält dieses Gedicht die gleiche Aussage wie das andere, nämlich dass jemand, der Liebe nicht hat oder sie verloren hat, eigentlich keine Chance hat für die Erfüllung deiner Wünsche.
  • Insgesamt macht dieses Gedicht einen ziemlich wirren Eindruck, weil das lyrische Ich sich in allgemeinen Überlegungen ergeht, statt wie im anderen Gedicht klar zu sagen, wo das Problem ist.

Wer noch mehr möchte …