Klausur: Schiller, „Die Teilung der Welt“ mit Lösungserwartungen (Mat5861)

Klausuraufgabe:

  1. Analysieren Sie das Gedicht „Die Teilung der Erde“ von Friedrich von Schiller.
    1. Geben Sie nach dem Einleitungssatz mit Angabe des Themas einen kurzen Überblick über den Inhalt.
    2. Arbeiten Sie anschließend die Intentionalität (Aussagen) des Gedichtes heraus
    3. und zeigen Sie abschließend mit welchen literarischen Mitteln das Gedicht seine inhaltlichen Ziele verfolgt.
  2. Klären Sie anschließend, inwiefern und inwieweit das Gedicht der Epoche der Klassik zugeordnet werden kann.
  3. Nehmen Sie abschließend kurz und begründet Stellung zur zentralen Aussage und ihrer Bedeutung auch noch für die heutige Zeit.

Friedrich Schiller

Die Teilung der Erde

»Nehmt hin die Welt!« rief Zeus von seinen Höhen
Den Menschen zu. »Nehmt, sie soll euer sein!
Euch schenk ich sie zum Erb und ewgen Lehen –
Doch teilt euch brüderlich darein!«

Da eilt‘, was Hände hat, sich einzurichten,
Es regte sich geschäftig jung und alt.
Der Ackermann griff nach des Feldes Früchten,
Der Junker birschte durch den Wald.

Der Kaufmann nimmt, was seine Speicher fassen,
Der Abt wählt sich den edeln Firnewein,
Der König sperrt die Brücken und die Straßen
Und sprach: »Der Zehente ist mein.«

Ganz spät, nachdem die Teilung längst geschehen,
Naht der Poet, er kam aus weiter Fern –
Ach! da war überall nichts mehr zu sehen,
Und alles hatte seinen Herrn!

»Weh mir! So soll denn ich allein von allen
Vergessen sein, ich, dein getreuster Sohn?«
So ließ er laut der Klage Ruf erschallen
Und warf sich hin vor Jovis Thron.

»Wenn du im Land der Träume dich verweilet«,
Versetzt der Gott, »so hadre nicht mit mir.
Wo warst du denn, als man die Welt geteilet?«
»Ich war«, sprach der Poet, »bei dir.«

Mein Auge hing an deinem Angesichte,
An deines Himmels Harmonie mein Ohr –
Verzeih dem Geiste, der, von deinem Lichte
Berauscht, das Irdische verlor!«

»Was tun?« spricht Zeus, »die Welt ist weggegeben,
Der Herbst, die Jagd, der Markt ist nicht mehr mein.
Willst du in meinem Himmel mit mir leben –
So oft du kommst, er soll dir offen sein.«

Zu finden ist der Text u.a. hier.

  1. Lösungserwartungen zu Aufgabe 1
    • Nennung von Gattung, Autor, Titel und Thema: Frage der Rolle des Poeten in der Welt
    • Inhalt
      • Inhaltlich geht es um das Geschenk der Welt durch den Obergott Zeus an die Menschen mit der Bedingung, dass „brüderlich“ geteilt wird.
      • In der Realität sieht das dann so aus, dass alle Gruppen der Menschheit tüchtig zugreifen und sich ihren Teil nehmen.
      • Der Schlussteil des Gedichtes wendet sich dann dem Poeten zu als Vertreter der Literatur und wohl der gesamten Kunst. Dieser beklagt sich, dass für ihn nichts übrig geblieben ist.
      • Auf seine Erklärung, er habe sich zu sehr Zeus gewidmet und damit die Teilung der Erde verpasst, bekommt er vom Gott zur Antwort, dafür könne er jederzeit wieder zu ihm kommen.
    • Das Gedicht zeigt:
      • die Großzügigkeit des Zeus gegenüber den Menschen,
      • verbunden mit dem Auftrag, alles „brüderlich“ zu teilen.
      • Deutlich wird dann, dass alle tüchtig zugreifen,
      • Die Kernaussage des Gedichtes besteht darin, dass der Poet
        • zwar das Problem hat, bei der Verteilung der Erde leer ausgegangen zu sein,
        • dass der Grund dafür aber zugleich sein Anteil ist, nämlich eine direkte Verbindung zu Zeus.
      • Was die literarischen Mittel angeht,
        • so ist die Kombination von göttlicher Großzügigkeit und einer Verhaltensbedingung entscheidend. Schlüsselwort ist „brüderlich“.
        • Das Verhalten der Menschen ist dann durch rasches Zugreifen bestimmt, was ausgedrückt wird durch das Wortfeld: „nehmen“ („griff“, „birschte“ = jagte, „nimmt“, „wählt“).
        • Das Besondere ist eine Art Steigerung durch Akkumulation (Anhäufung), die am Ende zur Sperrung der Brücken und Straßen durch den König führt. Damit wird deutlich, dass es mit der Brüderlichkeit nicht so weit her ist und noch weniger sein wird.
        • Schiller belässt es hier aber bei einer Andeutung, weil ihm etwas anderes wichtiger ist.
        • Wichtig ist dann im Schlussteil das Paar von Klage („Weh mir“) und Trost (Hinweis, dass der Himmel jederzeit „offen“ für den Poeten ist).
        • Wichtig ist die dramatische Ausgestaltung des Gesprächs:
          • Klage des Poeten mit einem Ansatz von Vorwurf, dass „dein getreuster Sohn“)
          • Verweis des Gottes auf das „Land der Träume“ als ein Gebiet, das den den geschäftigen Menschen gar nicht im Blick war.
          • Dann die Wiederholung und Ausweitung des Gedankens der Gemeinsamkeit von Gott und Poet
          • mit dem Ergebnis, dass die auf Dauer bestehen soll, dem Poeten also die göttliche Gemeinsamkeit im „Land der Träume“ bleibt.
        • Äußere Form:
          • 8 Strophen
          • mit vier- bis fünfhebigen Jamben
          • Kreuzreim
          • Regelmäßigkeit passt zur Klassik (Überleitung zum folgenden Punkt)
        • Epochenbezug:
          • Zentrales Element ist die Bedeutung der Kunst
          • als einer eigenen Welt
          • mit Gottesbezug (Dichter als „alter deus“)
          • Bleibt die Frage, ob Sturm und Drang, Klassik oder Romantik: Der ruhige, abgewogene Ton, das Bemühen um Darstellung von Harmonie spricht für die Klassik.
  2. Stellungnahme:
    • Gedicht ist ein Beleg für die Vorstellung einer Sonderstellung der Kunst, die in einer Zeit der Postmoderne so nicht mehr verbindlich ist.
    • Ein Problem ist zudem der Göttlichkeitsanspruch, der auf jeden Fall nicht in eine Welt passt, die der Rationalität und Diesseitigkeit verpflichtet ist.
    • In der Praxis gibt es genügend Künstler, die von dem, was sie tun, nicht leben können. Schon bei Schiller gibt es ja keine Antwort auf die Frage, wie der Poet seinen Lebensunterhalt bekommen soll.
    • Von daher ein Gedicht, das voll dem Zeitalter des Idealismus entspricht. Dabei kann man beim Vergleich von Schiller und Goethe ja sehen, wie sehr ersterer darum kämpfen musste, während der zweite eine Ausnahmestellung in Weimar hatte.
    • Hätte Goethe seinen Lebensunterhalt direkt selbst verdienen müssen, wäre nur ein Bruchteil seiner Werke erschienen, vielleicht wäre er auch viel früher unter die Räder gekommen wie viele andere Dichter der Zeit auch.

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