Novalis, „Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren“ – heutige Bedeutung (Mat4259)

Worum es hier geht:

Dieses Gedicht von Novalis drückt wie kaum ein anderes aus, was die Romantiker anders machen wollten.

Von daher lohnt es sich, die Zeilen mal abzuklopfen, was sie uns heute sagen könnten:

01 Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren
02 Sind Schlüssel aller Kreaturen

  • Heute wird alles bis in die kleinsten Einzelheiten untersucht, auch Lebewesen.
  • Die Frage ist nur, ob man sie am Ende dadurch wirklich besser versteht.
  • Besonders bei den Schulnoten wird das zum Beispiel deutlich: Da wird etwas in Zahlen gemessen – aber sagt das wirklich etwas über das aus, was ein Mensch in einem Fach drauf hat. Wie vielen Menschen fehlten schon formale Voraussetzungen, um einen Beruf auszuüben, in dem sie wirklich gut waren. Und wie sieht es mit dem umgekehrten Fall aus?
  • Die alten Griechen hatten mit ihren Mythen einen ganz anderen Zugang zum Verständnis der Welt: Er war nicht wissenschaftlich, dafür aber menschlich, nachvollziehbar und konnte ins Leben integriert werden.
    Nähere Infos findet man in einer Doktorarbeit von Florian Marlon Auernig  aus Österreich:
    https://netlibrary.aau.at/obvuklhs/download/pdf/2415576?originalFilename=true

03 Wenn die, so singen oder küssen,
04 Mehr als die Tiefgelehrten wissen,

  • Hier kann einem Goethes Faust einfallen, der alles weiß, aber wichtige Dinge nicht versteht und erst durch Liebe und Leid zu einem tieferen Blick auf das Leben und die Welt kommt.

05 Wenn sich die Welt ins freie Leben
06 Und in die Welt wird zurück begeben,

  • Unsere Welt ist abgesteckt und auch abgegrenzt – dass es auch anders geht, zeigen Sportler und Künstler, die wirklich frei etwas gestalten.
  • Hier wird zweimal der Begriff „Welt“ verwendet, aber das ist eben auch nicht systematisch, sondern kann nur im Verständnis nachvollzogen werden: Einmal geht es um die eben beschriebene Welt, wie wir sie uns gemacht haben – dann aber um die viel größere der tatsächlichen Wirklichkeit.

07 Wenn dann sich wieder Licht und Schatten
08 Zu echter Klarheit werden gatten,

  • Hier spielt Novalis mit einer Provokation, hat aber durchaus Recht, denn unsere klare Einteilung in Licht und Schatten kann hilfreich sein, aber nicht unbedingt zu wirklicher Klarheit führen.
  • Die Romantiker liebten deshalb die Dämmerung und fanden dort mehr Klarheit als im hellen Tageslicht.

09 Und man in Märchen und Gedichten
10 Erkennt die wahren Weltgeschichten,

  • Auch hier kann man wieder auf die alten Griechen verweisen, von deren Mythen und Tragödien  wir heute noch zehren.
  • Was ist im Vergleich dazu aus der heutigen Geschichtswissenschaft geworden – sie hat unendlich viel herausgefunden, sind wir deshalb aber in der Lage, das Geschehene wirklich zu verstehen?

11 Dann fliegt vor einem geheimen Wort
12 Das ganze verkehrte Wesen fort.

  • Hier wird alles zusammengefasst – am besten versteht man das, wenn man gerade einen Liebesfilm gesehen hat, in dem der eine Partner dem anderen wortreich etwas erklärt – und der antwortet nur mit dem vielsagenden Wort „Trottel“ – und als Zuschauer tut sich einem damit zugleich eine Welt aus, in der alles steckt, was man dazu sagen kann.

Vergleich mit einem modernen Gedicht

Wenn man auf das Gedicht „Löwenzahn“ von Silke Scheuermann gestoßen ist, kann man durchaus einen Bezug zu diesem Gedicht von Novalis herstellen.

Näheres dazu findet man hier:
https://textaussage.de/silke-scheuermann-loewenzahn-und-die-romantik

Weitere Infos, Tipps und Materialien