Worum es hier geht:
Wir wollen zeigen, wie man in drei Schritten eine Kurzgeschichte sicher interpretiert und am Ende vielleicht sogar noch ein bisschen „Spaß“ haben kann.
Die Kurzgeschichte ist u.a. hier zu finden.
Wer möchte, kann sich vorher mal das Video anschauen, in dem wir die Vorgehensweise mal grundsätzlich erklärt haben:
Kurzgeschichten leicht und sicher analysieren – mit Schaubild
https://youtu.be/BxS7k746Uo4
Es geht um die Kurzgeschichte „Der Busfahrer“ von Pea Fröhlich, die man zum Beispiel hier finden kann.
Geschickte Auswertung des Textes der Kurzgeschichte -Signale des Textes verstehen
- Als erstes schaut man sich den Text an, das ist nichts Besonderes. Unser Tipp aber : Gleich auf Signale achten, die deutlich machen, was der Text eigentlich will.
- Abschnitt 1: „Er … freute sich“
- Direkter Einstieg, typisch für eine Kurzgeschichte
- Es geht um einen „Er“ (hier hilft einem die Überschrift, sich die Situation vorzustellen: Busfahrer) und eine „sie“ und um seine Freude, sie zu sehen.
- Abschnitt 2: „Wenn … blaue Kleider“
- Das Sehen ist bei dem Busfahrer aber wirklich nur ein Sehen – ohne näheren Kontakt und auch ohne Austausch.
- Der Busfahrer beobachtet sie, nimmt sie wirklich wahr und merkt sich das auch.
- Er erkennt sogar, ob es ihr gut geht – oder meint das zumindest.
- Abschnitt 3: „Einmal … wie sonst“
- Der Busfahrer erinnert sich an eine besondere Situation, wo sie eine Veränderung an den Haaren vorgenommen hat.
- Das hat angeblich nicht zu ihr passt – sie hat es geändert – und der Busfahrer erklärt es sich damit, dass ihr das jemand gesagt hat.
- Abschnitt 4: „Sie war … wagte es nicht“
- Hier wird es etwas gewagt, wenn davon die Rede ist, dass sie ihm „vertraut“ ist – das ist natürlich dadurch beschränkt, dass der Busfahrer nur etwas sieht und sich Gedanken darüber macht.
- Das bleibt aber einseitig und wahrscheinlich oberflächlich.
- Problematisch ist, dass der Busfahrer völlig passiv bleibt. Da wird es natürlich schwierig, wenn daraus etwas werden soll.
- Kommentar: Hier könnte man mal überlegen, wie das anders hätte laufen können. Am ehesten denkt
- Abschnitt 5: „Er fürchtete … wechselte“
- Der Busfahrer begnügt sich anscheinend mit dieser halbseitigen Beziehung und hat nur die Sorge, dass die Frau mal nicht mehr mit seinem Bus fährt.
- Abschnitt 6: „Für ihn (…) mit ihm fuhr.“
- Hier wird zusammenfassend noch mal betont, wie wichtig dem Busfahrer diese kurze gemeinsame Fahrt ist.
- Abschnitt 7: “ Diesmal sah er (…) Mann sie küsste.“
- Die Geschichte endet mit einer besonderen Situation. In ihr wird klar, dass die Frau anscheinend in einer Beziehung lebt und der Busfahrer damit vor die Frage gestellt wird, ob das seinen Umgang mit ihr ändert.
- Symbolische Bedeutung hat möglicherweise, dass das Küssen dazu führt, dass die Frau den Bus verpasst – das wäre dann ein künstlerisches Signal, dass diese besondere Beziehung zwischen dem Busfahrer und der Frau damit ihre Grundlage verloren hat und es damit keine weiteren Fahrten im bisherigen Stil geben wird.
- Kommentar: Die Frage ist, ob das sein muss. Vielleicht findet der Busfahrer die Frau ja auch einfach so faszinierend und begnügt sich damit – wie bisher. Nur dass seine Möglichkeiten damit noch weiter gesunken sind. Denn jetzt ist es unwahrscheinlich, dass diese Frau von sich aus auf ihn zugeht, weil sie sein Interesse gemerkt hat.
- Abschnitt 1: „Er … freute sich“
Von der Deutungshypothese zur Klärung der Aussage der Kurzgeschichte (Intention)
- Wenn man da langsam eine Ahnung hat, entsteht eine sogenannte „Deutungshypothese“. Das ist also eine vorläufige Vermutung, die man weiter am Text überprüfen muss.
- Wenn man sich sicher ist, kann man aus der Deutungshypothese eine These zur „Aussage“ des Textes machen. Eine These ist also die sichere Variante der Hypothese. Die kann ggf. auch noch verändert werden, das sollte aber die Ausnahme sein. Formuliert wird die „Aussage“ des Textes am besten als Fortsetzung des Satzes: Die Kurzgeschichte zeigt – und dann kann es durchaus mehrere Teilaussagen geben.
- Wenn man die Aussage des Textes hat, kann man die als Antwort verstehen auf eine Frage, die der Text sich stellt. Das ist das Thema.
- Dann muss man eigentlich nur noch die These am Text aufzeigen und außerdem deutlich machen, inwieweit die Kurzgeschichte auch durch besonders künstlerische Mittel die Aussagen noch verstärkt bzw. unterstützt.
- Den Autor sollte man bei Kurzgeschichten besser außen vor lassen. Das Besondere an Literatur ist ja, dass man dabei auch „lügen“ darf – im Sinne von „spielerisch mal was ausprobieren“. Das ist, wie wenn man probeweise mal eine Rolle spielt – und dann auch sagen kann: „Das bin ich aber gar nicht, ich wollte nur mal schauen, wie man sich fühlt, wenn man sich so und so verhält.“
- Das Schöne bei Literatur ist nun, dass man nicht nur mal was ausprobieren kann – sondern dass das dann auch ein Eigenleben entwickeln kann – mit Überraschungen sogar für den Autor. Die Geschichte entwickelt sich dann nach eigenen Gesetzen.
Themaformulierungen – auf drei verschiedenen Leveln (wie im Video erklärt)
- Themaformulierungen:
- Level – ziemlich allgemein: In der Geschichte geht es um die besondere Beziehung zwischen zwei Menschen.
- Level – etwas genauer: In der Geschichte geht es um die besondere Beziehung eines Menschen, der sich damit begnügt, einen möglichen Partner nur wahrzunehmen, bis er feststellen muss, dass der in einer Beziehung lebt.
- Level – möglichst präzise und weiterführend: In der Geschichte geht es um eine sehr einseitige Beziehung, bei der man sich fragt, ob die rein passive Wahrnehmung eines interessanten Menschen zu Ende sein muss, wenn man feststellt, dass der in einer Beziehung lebt.
Ein bisschen „Spaß“ – mit Kreativität
Ach ja, und weil es sich bei einer Kurzgeschichte um „Kunst“ handelt, gilt auch hier: „Kunst liegt im Auge des Betrachters!“ Das heißt, dass der Leser am Ende auch noch seinen Senf dazu geben darf.
- Man könnte das wohl als trauriges Ergebnis dieser besonderen Beziehung angelegte Ende umschreiben, indem sich herausstellt, dass der Kuss von Seiten des Mannes übergriffet war und die Frau in den Bus flüchtet. Angesichts dieser Situation kommt es dann doch zu einem Gespräch zwischen Busfahrer und Frau.
- Oder aber man lässt die Frau zwischendurch aktiv werden. Sie könnte dem Busfahrer zum Beispiel einen Zettel o.ä. geben, auf dem etwas steht in Richtung: Wann haben Sie eigentlich Ihre Pause, dann könnten wir zusammen einen Kaffee trinken.
- Eventuell noch weitere Ideen ???
Wer noch mehr möchte …
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