Peter Schneider, „Auf der Straße“

 

Wo das Gedicht zu finden ist:

  1. Das Gedicht ist z.B. zu finden in:
    Großstadtlyrik, Hrsg.: Wende, Waltraud, Reclam: Stuttgart 1999, S. 241 (ISBN: 978-3-15-009639-0)
  2. Außerdem z.B. im Deutschbuch P.A.U.L. D. 9, Ausgabe 2022, S. 32, ISBN 978-3-14-127419-6

Die Überschrift

Sie ist sehr allgemein gefasst, nennt nur den Ort, um den es geht. Der direkte Artikel macht dabei deutlich, dass es um wohl um Allgemeingültiges geht, auch wenn von einer besonderen Straße ausgegangen wird.

Strophe 1

    • Die ersten vier Zeilen des Gedichtes beschreiben einen besonderen Eindruck, den das lyrische Ich gewonnen hat, wenn es sich wohl von der Wohnung aus auf die Straße hinaus begibt.
    • Wohl im Unterschied zu allen Erwartungen läuft da nichts zwischen den Leuten. Als mögliches Gegenbeispiel wird ein Gespräch über die Zeitung genannt.
    • Das wird dann noch etwas verallgemeinert und erweitert zu einem Gespräch. Es ist wohl ein Austausch von Informationen und Meinungen gemeint, die beide Seiten weiter bringen.
    • Interessant ist die Wendung „es liegt kein Gespräch in der Luft“, die man in der Kurzform kennt: „Es liegt etwas in der Luft.“ Das bedeutet, dass etwas Wichtiges, vielleicht auch Spannendes oder sogar Bedrohliches bevorsteht, ohne es bereits zu kennen bzw. klar benennen zu können. Hier dagegen wird deutlich gemacht, was fehlt.
    • Auf jeden Fall verweist das auf die Bedeutung dessen, was da sein könnte, aber eben nicht ist.

Strophe 2

  • Der zweite Abschnitt macht auf zweierlei Art und Weise deutlich, wie unnormal für Menschen dem lyrischen Ich das Verhalten der Leute vorkommt.
  • Zum einen versucht es, das zu verstehen, indem es sich vorstellt, alle diese Menschen lebten im Dunkeln unter der Erde. Dann kann man nämlich verstehen, dass sie nichts erleben und dann auch nichts zu erzählen haben.
  • Der zweite Versuch, diese Gesprächslosigkeit zu verstehen, besteht darin, eine frühere andere Verhaltensweise aufzuzeigen. die wird bezeichnenderweise mit der Entwicklungsphase der Kindheit verbunden. Das lyrische Ich geht wohl davon aus,, dass bei einem Kindergeburtstag wesentlich mehr geschieht als im Leben dieser wohl erwachsenen Menschen.

Strophe 3

    • Der Versuch, das Verhalten der Menschen, irgendwie zu verstehen, wird hier fortgesetzt.
    • Das lyrische Ich stellt sich vor, dass diese Menschen wie durch elektrische Schläge davon abgehalten werden, sich irgendwie anders zu bewegen als in einer Art gleichförmigen Marschierens.
    • Interessant ist der Zeilensprung in der achten Zeile, der wohl unterstreichen soll, dass diese Menschen sich nicht abgrenzen und dabei frei entfalten können, sondern angebunden sind an eine gefährliche, bedrohliche, beengende Nachbarschaft.
    • In den nächsten beiden Zeilen wird zum einen das Aneinander-Vorbeigehen hervorgehoben.
    • Zum anderen wird auch eine Begründung geliefert, nämlich die Annahme, diese Menschen würden sich in einer feindlichen Umgebung bewegen, müssten also vorsichtig sein.
    • Die letzten Zeilen formulieren eine Art Pluspunkt des Verstehens:
    • Das lyrische Ich versteht diese Menschen als solche, die sich mehr oder weniger in einer Kriegssituation befinden und darauf warten, dass die damit verbundene Gefahr vorüber ist und man sich wieder – und gemeint ist wohl: frei – bewegen kann.

Aussage des Gedichtes (Intentionalität)

Das Gedicht zeigt

  1. den Eindruck einer Welt, in der die Menschen zumindest auf der Straße keinen Kontakt zueinander aufnehmen und es damit auch zu keinem Austausch kommt.
  2. Das lyrische Ich vergleicht diese Leute mit Menschen, die unterirdisch leben und zuletzt bei einem Kindergeburtstag froh gewesen sind.
  3. Die Vermutungen gehen  dann sogar noch einen Schritt weiter und  enden im Vergleich  der Situation dieser Menschen mit Leuten, die jedes Mal einen elektrischen Schlag befürchten müssen, wenn sie sich auch nur ein bisschen aus der normalen oder vorgeschriebenen Bahn hinausbewegen.
  4. In einem dritten Schritt vergleicht das lyrische Ich  die Menschen auf der Straße sogar mit solchen in einer Kriegssituation, die sich ganz auf sich selbst konzentrieren und allenfalls darauf warten, dass irgendwann die Entwarnung kommt und man sich dann wieder frei bewegen kann.

Künstlerische Mittel

  1. Ein interessantes künstlerisches Mittel liegt zum Beispiel in der Zeile 4 vor. Dort wird nämlich eine allgemeine Redewendung („Es liegt etwas in der Luft“) abgewandelt und inhaltlich stärker gefüllt.
  2. Das wichtigste Mittel sind verschiedene Vergleiche, mit denen das lyrische Ich versucht, sich das aus seiner Sicht seltsame Verhalten der Menschen irgendwie mit fiktiven Situationen zu erklären.
  3. Interessant ist die Veränderung im Beschreibungsschwerpunkt:
    1. Am Anfang geht es um Kommunikation,
    2. am Ende um die Möglichkeit einer eigenen, unangepassten Bewegung.
    3. Das kann durchaus als Steigerung verstanden werden.

Kreative Anregungen

  1. Natürlich kann man auch hier ein Gegengedicht schreiben oder eine Ergänzung, bei der das lyrische Ich vielleicht doch noch erkennt und beschreibt, dass das Problem bei ihm selbst liegt: Es hat anscheinend im Unterschied zu all den Menschen auf der Straße nichts zu tun, was sie in eine bestimmte Verhaltensweise zwängt: Postauto, Mama-Taxi, Polizist, der eine wichtige Einrichtung bewacht.
  2. Außerdem könnte man mal das Verfahren, das in diesem Gedicht angewendet wird, auf andere Situationen übertragen, in denen einem das Verhalten anderer Menschen seltsam vorkommt.

Weiterführende Hinweise