Worum es hier geht:
Vor kurzem haben wir ein Video gemacht, in dem wir zeigen, wie man Gedichte schnell verstehen kann.
https://textaussage.de/profi-werden-bei-gedichtanalyse
Es geht darum, dass man möglichst viele Gedichte kurz überfliegt und dann immer besser versteht, worum es geht und was das Gedicht aussagt.
Liste von Gedichten, an denen man das üben kann:
https://textaussage.de/liste-von-gedichten-fuer-erfahrungslernen-so-wird-man-analyse-profi
Noch eine Vorbemerkung:
Das sieht hier vielleicht nach viel aus – aber eigentlich sind es alles Dinge, die man schnell erkennen und sich am Rand notieren kann.
Das dauert handschriftlich höchstens eine Viertelstunde – anschließend muss man natürlich den ersten Eindruck kontrollieren und ggf. verbessern und vor allem erweitern.
Weiter unten versuchen wir dann mal eine noch kürzere Version:
Dazu gibt es auch inzwischen ein Video
Hier die Dokumentation:
Mat5025 vf Schnell durchblicken beim Gedicht – Schlegel Im Spessart
Der erste Eindruck vom Gedicht Friedrich Schlegels
Im Folgenden wollen wir das mal am Beispiel eines Gedichtes von Friedrich Schlegel ausprobieren.
Das Gedicht ist u.a. hier zu finden.
Friedrich Schlegel
Im Spessart
- Evtl. nachschlagen, es geht um ein großes Waldgebiet in Deutschland.
- Evtl. Schlegel = Romantiker = Vorerwartung: Wald positiv
Gegrüßt sei du, viellieber Wald!
Es rührt mit wilder Lust,
Wenn abends fern das Alphorn schallt,
Erinnrung mir die Brust.
- Bestätigung: liebt den Wald
- löst starke Gefühle aus
- Achtung: Erinnerung = Geschichte = romantisches Motiv
Jahrtausende wohl standst du schon,
O Wald, so dunkel, kühn,
Sprachst allen Menschenkünsten Hohn
Und webtest fort dein Grün.
- Wald = etwas Uraltes
- dunkel = geheimnisvoll
- kühn = ist mutig, macht vielleicht auch Mut, ist Vorbild
- Dann typisch romantisch: Gegensatz zu den „Menschenkünsten“, die im Vergleich dazu geradezu lächerlich wirken
siehe unten: Eichendorff, „Abschied“
Wie mächtig dieser Äste Bug,
Und das Gebüsch wie dicht,
Was golden spielend kaum durchschlug
Der Sonne funkelnd Licht.
- Beschreibung des Waldes
- und seiner Stärke
- Vergleich mit Sonnenlicht soll das noch betonen.
Nach oben strecken sie den Lauf,
Die Stämme grad und stark;
Es strebt zur blauen Luft hinauf
Der Erde Trieb und Mark.
- Hervorhebung des Strebens nach oben
- und damit der Größe, dazu Geradheit und Stärke
- vielleicht: Hinweis auf Tugenden, die die Deutschen damals sich im Vergleich zu den Franzosen zuschrieben
- Verbundenheit mit Mutter Erde
Durch des Gebildes Adern quillt
Geheimes Lebensblut,
Der Blätterschmuck der Krone schwillt
In grüner Frühlingsglut.
- Vorstellung von großer Lebenskraft,
- die in den Bäumen wirkt.
- Betonung der Naturgewalt im Frühling
Natur, hier fühl ich deine Hand
Und atme deinen Hauch,
Beklemmend dringt und doch bekannt
Dein Herz in meines auch.
- Verbindung zwischen dem lyrischen Ich und der Natur,
- vermittelt über den Wald
- Beschreibung einer geradezu herzlichen Verbindung
- Typisch romantisches Doppelgefühl von Beklemmung und Vertrautheit
- Erklärungshypothese: Beklemmung = eine Art Ehrfurcht?
Dann denk ich, wie vor alter Zeit,
Du dunkle Waldesnacht!
Der Freiheit Sohn sich dein gefreut
Und was er hier gedacht.
- Verbindung von Tradition
- und Freiheit
- Evtl. Anspielung auf eine historische Gestalt, Schiller? – müsste man recherchieren
Du warst der Alten Haus und Burg;
Zu diesem grünen Zelt
Drang keines Feindes Ruf hindurch,
Frei war noch da die Welt.
- Noch mal Verweis auf die Tradition
- bsd. die Vorfahren
- Wald = Schutz vor Feinden
- und Sicherung der Freiheit
- Vielleicht Interpretationsanspielung auf Robin Hood
Aussagen
Das Gedicht zeigt
- welche Bedeutung der Wald – und speziell der Spessart – für das lyrische Ich hat.
- Er löst starke Gefühle, bsd. der Erinnerung aus
- Er zeigt Dauerhaftigkeit und Stärke
- Steht im siegreichen Gegensatz zu dem, was die Menschen treiben.
- Beeindruckt durch das Streben nach oben, das starke Wachstum und die Dichte,
- die zugleich Schutz bedeutet
- und Sicherung der Freiheit bedeutet
- und das im Rahmen einer großen und langen Tradition
- steht stellvertretend für die Macht der Natur
- hat etwas mit einer berühmten Persönlichkeit zu tun, vielleicht Schille
Thema
- Die Aussagen sind die Antwort auf eine Frage.
- Die wiederum ist dann das Thema.
- Eine passende Frage (und deshalb auch Thema) könnte sein:
Das Gedicht beschäftigt sich mit der Frage, welche Bedeutung der Wald – und bsd. der des Spessart für ein lyrisches Ich hat, das wohl der Romantik nahesteht.
Literarische Mittel
- Direkte Anrede zeigt Verbundenheit, die auch inhaltlich betont wird.
- Gegensatz zwischen der Dauerhaftigkeit des Waldes und den „Menschenkünsten“
- Scheinbarer Gegensatz zwischen Licht und Dunkelheit, was aber nur die undurchdringliche Macht des Waldes betonen soll.
- Anspielung auf deutsche Tugenden, wie sie damals gesehen wurden
- Bild der Glut, also des Feuers für die besonders lebendige Zeit des Frühlings
- Verbindung von scheinbar Gegensätzlichem: Beklemmung und Bekanntheit
- Anspielung auf eine wichtige Persönlichkeit, die mit dem Wald was zu tun hat
- Hervorhebung der Freiheit, die allerdings „war“, also offensichtlich gefährdet ist und zumindest im Wald noch gefunden wird.
Versuch einer kurzen Kontakt-Aufnahme – eine Art Speed-Dating
- Strophe 1: Der Wald löst Gefühle aus – vor allem über Erinnerung.
- Strophe 2: Der Wald steht im Kontrast zu den „Menschenkünsten“ und ist ihnen überlegen.
- Strophe 3: Er ist „mächtig“ und „dicht“, bietet also Einsamkeit und Schutz.
- Strophe 4: Er präsentiert auch eine Verbindung von Erde und Himmel.
- Strophe 5: Mit diesem Wald und seiner Lebenskraft kann das lyrische Ich regelrecht verschmelzen.
- Strophe 8: Am Schluss, also am wichtigsten: Dieser Wald stellt eine Art sichere Heimat dar, wo Freiheit garantiert wird.
- Aussage.
- Lob des Waldes
- enge Verbindung
- Lebenskraft, sorgt für Schutz und Freiheit
- Thema
- Bedeutung des Waldes (und indirekt der Natur) für das lyrische Ich (das man wohl mit einem romantischen Menschen gleichsetzen kann)
- literarische Mittel
- vertrauliche Anrede – sorgt für Gefühl der Verbundenheit (Strophen 1 und 7)
- Gegensatz (Strophe 3)
- Bild des Organismus (Strophe 5)
- Bilder der Heimat, der Geborgenheit (Strophe 8)
„Haus“, „Burg“, Zelt“
Möglichkeit von Querverbindungen zu anderen Gedichten
Eichendorff, „Abschied“
https://www.deutschelyrik.de/abschied.html
O Täler weit, o Höhen,
O schöner, grüner Wald,
Du meiner Lust und Wehen
Andächtger Aufenthalt!
Da draußen, stets betrogen,
Saust die geschäftge Welt,
Schlag noch einmal die Bogen
Um mich, du grünes Zelt!
Weitere Infos, Tipps und Materialien
https://textaussage.de/weitere-infos