Textverständnis üben an einem Knigge-Zitat (Mat6104)

Worum es hier geht:

Das Verstehen von Sachtexten spielt eine große Rolle – nicht nur in der Schule, sondern auch im praktischen Leben. Man denke nur an umfangreiche Mails oder auch Artikel zu einem interessanten Fachgebiet. Sehr wichtig ist es auch beim Umgang mit Werbung.

Wir schauen uns hier mal ein Beispiel aus einem älteren Stand der deutschen Sprache an.

Das Zitat von Knigge

Im Vorwort zu einem Buch schreibt der berühmte Aufklärer und Ratgeber in Fragen guten Benehmens:

„Wenn die Regeln des Umgangs nicht bloß Vorschriften einer konventionellen Höflichkeit oder gar einer gefährlichen Politik sein sollen, so müssen sie auf die Lehren von den Pflichten gegründet sein, die wir allen Arten von Menschen schuldig sind, und wiederum von ihnen fordern können. – Das heißt: ein System, dessen Grundpfeiler Moral und Weltklugheit sind, muß dabei zum Grunde liegen.“

Unser Weg zum Verständnis:

Am besten zerlegt man erst mal das Zitat in seine Bestandteile:

  • „Wenn die Regeln des Umgangs
    • Knigge spricht hier einen besonderen Teil des menschlichen Lebens an, nämlich die Festlegungen, die für den Umgang der Menschen miteinander gelten: Das können Gesetze, aber auch Verhaltensnormen sein, die sich im Laufe der Zeit ergeben haben.
  • nicht bloß Vorschriften einer konventionellen Höflichkeit
    • Er möchte offensichtlich nicht, dass diese Regeln einfach nur undurchdachte Übernahmen aus früheren Zeiten sind.
  • oder gar einer gefährlichen Politik sein sollen,
    • Noch schlimmer findet er Vorschriften, die von oben den Menschen aufgezwungen werden.
  • so müssen sie auf die Lehren von den Pflichten gegründet sein,
    • Wenn all das vermieden werden soll, dann braucht man einen Maßstab – und das ist das, was sich aus „Pflichten“ ergibt. Darauf geht er im Folgenden näher ein.
  • die wir allen Arten von Menschen schuldig sind,
    • Es geht um Pflichten, die man den Menschen ganz allgemein und grundsätzlich schuldig ist – es geht hier wohl um Menschenrechte und ihre Auswirkungen in alle möglichen Bereiche hinein.
  • und wiederum von ihnen fordern können. –
    • Wichtig ist ihm, dass dieses System dessen, worauf Menschen ein Anrecht haben, für alle gilt.
  • Das heißt: ein System, dessen Grundpfeiler Moral und Weltklugheit sind, muß dabei zum Grunde liegen.“
    • Hier kommt jetzt der Aufklärer durch, wenn er von „Moral“, also Sittengesetz, und „Weltklugheit“, also Gebrauch des Verstandes mit Blick auf die Wirklichkeit der Welt spricht.

Wiedergabe mit eigenen Worten für unsere Zeit:

  1. Damit Menschen gut zusammenleben können, sind Regeln notwendig.
  2. Diese Regeln sollten aber nicht einfach übernommen
  3. oder von einer Obrigkeit gesetzt werden.
  4. Vielmehr sollen sie sich aus dem ableiten, was allen Menschen zusteht, letztlich also aus den Menschenrechten.
    Eine Anmerkung dazu:
    Auf die Aspekte von „Moral“ und „Weltklugheit“ haben wir hier verzichtet, weil es sich zum zeitgebundene Ideen der Aufklärung handelt. Die „Weltklugheit“ ist inzwischen ja auch schon für vieles missbraucht worden und über Moral gibt es heute sehr verschiedene Vorstellungen. Deshalb halten wir es für sinnvoller, hier die allgemeinen Menschenrechte heranzuziehen, die für jeden verbindlich sein sollten.
  5. Das muss dann im Einzelnen gewissermaßen abgeleitet werden: Aus dem Grundrecht der Freiheit und der Selbstbestimmung ergibt sich, dass man seinen Nachbarn nicht mit Lärm belästigt. Wer aber mal Lärm braucht – zum Beispiel für eine Geburtstagsfete, dem muss hier auch soviel zugestanden werden, wie als sinnvoller Kompromiss möglich ist.

Zu finden ist das Zitat zum Beispiel hier:

Ü3: Weitere Infos, Tipps und Materialien