Anmerkungen zum Gedicht „Einsam von Theodor Däubler

Anmerkungen zur Überschrift

  • Die Überschrift des Gedichtes ist sehr kurz und deutet an, dass es um eine bestimmte Situation oder auch um ein Gefühl geht.
  • In der Regel ist Einsamkeit ja negativ zu sehen, das könnte hier natürlich auch anders sein.

Anmerkungen zu Strophe 1

  1. Ich rufe! Echolos sind alle meine Stimmen.
  2. Das ist ein alter, lauteleerer Wald.
  3. Ich atme ja, doch gar nichts regt sich oder hallt.
  4. Ich lebe, denn ich kann noch lauschen und ergrimmen.
  • Zu Beginn des Gedichtes beschreibt das lyrische Ich seine Situation.
  •  Es ruft, will sich also bemerkbar machen, es wartet sicher auch auf Antwort.
  • Dann kommt die negative, resignierende Feststellung, dass alle Varianten des Rufes ohne Antwort bleiben.
  • Es folgt die Auswertung beziehungsweise Erklärung, dass es sich um einen alten Wald handelt.
  • Das reicht dem lyrischen Ich anscheinend als Erklärung dafür, dass dort nichts zu hören ist.
  • Es folgt der Hinweis auf den Gegensatz zwischen der eigenen Lebendigkeit und der Un-Lebendigkeit der Gegend.
  • Darauf eine weitere Feststellung: Das lyrische Ich betont noch einmal seine eigene Lebendigkeit und verbindet das mit der Möglichkeit, sich aufzuregen, „ergrimmt“ zu sein.
  • Das kann man natürlich erst mal in einen Zusammenhang setzen mit der vermissten Reaktion auf die eigenen Versuche der Kontaktaufnahme.

Anmerkungen zu Strophe 2

  1. Ist das kein Wald? Ist das ein Traumerglimmen?
  2. Ist das der Herbst, der schweigsam weiter wallt?
  3. Das war ein Wald! Ein Wald von aller Urgewalt.
  4. Dann kam ein Brand, den sah ich immer näher klimmen.
  • Diese Strophe beginnt mit der Infragestellung der Situation.
  • Es folgt die Überlegungen, inwieweit es sich um eine bestimmte Jahreszeit handeln könnte.
  • Dann der Blick in die Vergangenheit: Offensichtlich ist der Wald nicht mehr das, was er mal war.
  • Es folgen anschließend nähere Informationen zu diesem Wald, es hat dort einen Brand gegeben, der die Lebendigkeit dieses Waldes zerstört hat.
  • Das lyrische Ich verbindet diesen Rückblick mit einer persönlichen Beziehungssituation: Es hat anscheinend die Entstehung dieses Waldbrandes mitbekommen.
  • Mehr erfährt der Leser darüber nicht.

Anmerkungen zu Strophe 3

  1. Erinnern kann ich mich, erinnern, bloß erinnern
  2. Mein Wald war tot. Ich lispelte zu fremden Linden,
  3. Und eine Quelle sprudelte in meinem Innern.
  • Das erste Terzett dieses Sonitz (Strophe mit drei Zeilen) präsentiert dann den etwas quälenden Versuch des lyrischen Ichs, sich diese Situation genauer vorzustellen.
  • Es stellt fest, dass der Wald tot war und es selbst nur noch leise „zu fremden Linden“, also zu fremden Bäumen Kontakt aufnehmen konnte.
  • Die letzte Zeile ist dann am wichtigsten, weil sie deutlich macht, dass in dem lyrischen Ich eine lebendige Quelle ist.

Anmerkungen zu Strophe 4

  1. Nun starr ich in den Traum, das starre Waldgespenst.
  2. Mein Schweigen, ach, ist aber gar nicht unbegrenzt.
  3. Ich kann in keinem Wald das Echo-Schweigen finden.
  • Dann wendet sich das lyrische Ich seiner Gegenwart zu. Es sieht sich einem Traum gegenüber.
  • In ihm erscheint der Wald stark und gespenstisch.
  • Es fragt man nach dem eigenen Schweigen und stellt fest, dass es nicht unbegrenzt. Das ist eine etwas rätselhafte Formulierung und lässt nur die Erklärung zu, dass es sich dann auch äußern kann.
  • Am Ende hat man den Eindruck, dass das lyrische Ich seine Erwartungen reduziert und jetzt keine Art Rückruf mehr erwartet, sondern sogar davon ausgeht, dass es nicht einmal ein Echo-Schweigen zu hören bekommt.
  • Das kann wohl nur so verstanden werden, dass es sich um eine Art Verständnis oder Interpretation des Schweigens des Waldes handelt.
  • D.h. letztlich: Dieses lyrische Ich ist in einer Einsamkeitssituation, bei der seine Rufe in den Wald hinein dort auf keine Antwort stoßen. Das mündet anscheinend in ein Schweigen, zu dem es nicht mal etwas bekommt, was es selbst als Reaktion darauf verstehen kann.
  • Rein theoretisch könnte es ja zum Beispiel eine leichte Bewegung von Zweigen als eine gewissermaßen körpersprachliche Antwort des Waldes empfinden beziehungsweise sich zurecht interpretieren. Aber dieser Wald ist ja tot und damit auch Star.

Insgesamt ein Gedicht,

  1. in dem das Lyrische Ich gar nicht mehr davon ausgeht, dass es mit Menschen kommunizieren kann oder will.
  2. Stattdessen konzentriert es sich auf ein Stück Natur, einen Wald, der aber auch keine Reaktion zeigt.
  3. Inwieweit das Abgebranntsein auf etwas Reales zurückgeht oder nur eine Vorstellung ist, eine Interpretation, bleibt ungeklärt.
  4. Was klar wird, ist ein gewisser Grimm des lyrischen Ichs und der Versuch einer Verarbeitung der Situation. Das führt dazu, dass es sogar die Idee eines Echo-Schweigens entwickelt.
  5. Letzlich wird eine besondere Form von Einsamkeit präsentiert, die aber sehr individuell bestimmt ist und die den Leser auch etwas ratlos zurücklässt.

Künstlerische Eigenart

  1. Am spannendsten ist sicher die Frage, inwieweit die Sonettform hier von Bedeutung ist.
  2. Das würde bedeuten, dass die Quartette eher eine Situationsbeschreibung enthalten, worauf in den Terzetten eine Art Auswertung folgt.
    1. Quartett 1 enthält tatsächlich eine Situationsbeschreibung.
    2. Die wird vertieft in Richtung Infragestellung und einer zusätzlichen Information über die Brandkatastrophe.
    3. Das erste Terzett wendet dann eindeutig sich selbst zu.
    4. Und zieht schließlich eine Konsequenz daraus.
    5. Von daher kann man schon sagen, dass die formale Aufteilung in Quartette und Terzette auch in einem Zusammenhang mit der Entwicklung des Inhalts steht.
  3. Ansonsten fallen  einige besondere Formulierungen auf:
    1. der Neologismus „lauteleerer“ Wald
    2. Ebenso: „Trauerglimmen“
    3. Dann das Bild der Quelle, die im Inneren sprudelt
    4. Schließlich die Idee des Echo-Schweigens.

Kritik und Kreativität

  1. Man könnte sich vorstellen, mit diesem lyrischen eine Auseinandersetzung zu beginnen. Die könnte zum Beispiel Fragen enthalten wie: Was willst du denn nun wirklich und von wem?
  2. Eine andere Frage könnte sein: Wenn du schon hier nur Totes entdeckst, warum gehst du nicht woanders hin? Die Welt ist groß und bietet jedem etwas.
  3. Man könnte auch feststellen, dass man mit diesem Gedicht nicht viel anfangen kann. Es könnte reizvoller sein, sich selbst mal verschiedene Situationen von Einsamkeit zu überlegen. Dann kann man immer noch prüfen, ob dabei etwas herauskommt, was in die Richtung dieses Gedichtes geht.

 Wer noch mehr möchte …