Anmerkungen zum Gedicht „Im Käfig“ von Kurt Tucholsky

Anmerkungen zur Überschrift

Im Käfig

  • Der Titel des Gedichtes wird in der Regel wohl unangenehme Gefühle hervorrufen. Denn es geht um eine Situation erzwungener Begrenzung und des Verlustes normaler Freiräume des Lebens.

Anmerkungen zu Strophe 1

Hinter den dicken Stäben meiner Ideale

lauf ich von einer Wand zur andern Wand.

Da draußen gehen Kindermädchen, Generale,

Frau Lederhändlerswitwe mit dem Herrn Amant …

  • Zu Beginn der ersten Strophe wird aber schnell deutlich, dass der Käfig hier in einem bildlichen Sinne zu verstehen ist.
  • Denn die Begrenzungen sind hier irgendwelche Ideale, die das lyrische Ich in der Freiheit behindern.
  • Spätestens jetzt ist man sehr gespannt, wie diese Situation erklärt und vielleicht auch aufgelöst wird.
  • Das Gedicht begnügt sich aber damit, jetzt zunächst einmal anzudeuten, welche Menschen mehr Freiheit und dafür möglicherweise weniger Ideale haben.
  • Die Kombination von General und die Kindermädchen macht eine große Spannweite deutlich.
  • Am Ende konzentriert sich das auf eine mögliche Liebesbeziehung nach dem Tod eines Ehemanns.

Anmerkungen zu Strophe 2

Manchmal sieht einer her. Mit leeren Blicken:

Ah so! ein Tiger – ja, das arme Tier …

Dann sprechen sie von »Tantchen auch was schicken

in Pergamentpapier«.

  • Die zweite Strophe geht dann auf den kurzen Blickkontakt von außen nach innen ein und deutet eine mitleidige Reaktion an.
  • Hier spielt der Verfasser wohl mit dem berühmten Panther-Gedicht von Rilke, wenn er sich selbst in der Situation als Tiger bezeichnet, der in einer besonderen Gefangenschaft lebt.
  • Die zweite Hälfte der Strophe zeigt dann das Konventionelle und wenig Herzliche einer familiären Beziehung, wenn man nur anscheinend einfach das Problem lösen will, dass einer Tante (vielleicht zum Geburtstag) was geschickt werden soll.

Anmerkungen zu Strophe 3

Ich möcht so gern hinaus. Ich streck und dehn mich –

die habens gut, mit ihrer großen Zeit!

Sie sind gewiß nicht rein, und doch: ich sehn mich

nach der Gemeinsamkeit,

  • Diese Strophe geht dann noch mal genauer auf die Gefangenschaft des lyrischen Ichs ein. Es möchte gerne hinaus, auch wenn dabei möglicherweise die Ideale ein bisschen verändert und wahrscheinlich minimiert werden müssen.
  • Die große Zahl derer, die draußen sind, nicht durch Ideale eingeschränkt, wird so eine Art Sehnsuchtsziel. Die geringere Bedeutung von Idealen in dieser Gruppe wird hingenommen, weil dem lyrischen Ich Gemeinsamkeit wohl wichtiger ist.
  • Zwischenfazit: Das lyrische Ich hat offensichtlich Probleme damit, mehr Ideale zu haben als andere und im Gegenzug dazu auch einsamer zu sein.
  • Damit wird natürlich ein entsprechendes Urteil über die Menschheit insgesamt angedeutet: Ideale sind ein eher rares Gut und verringern die Möglichkeit, ein Teil der Gemeinschaft zu sein.
  • Kreative Anregung:
    • Hier kann man selbst mal überlegen, welche Menschen man kennt, die etwas höhere Ansprüche haben im Bereich von Idealen (zum Beispiel des Umweltschutzes) und die damit in Konflikt mit einer Mehrheit kommen und sich isoliert fühlen.

Anmerkungen zu Strophe 4

Der Tiger gähnt. Er käm so gern geloffen …

Doch seines Käfigs Stäbe halten dicht.

Und ließ der Wärter selbst die Türe offen:

Man geht ja nicht.

  • Am Ende des Gedichtes nimmt das lyrische Ich eine Perspektive ein und beschreibt dabei seine Situation als jemand, der müde geworden ist und es wohl bedauert, dass er bisher nicht (weg-)gelaufen ist.
  • Am Ende wird noch einmal auf die Nicht-Überwindbarkeit der Stäbe hingewiesen.
  • Dann folgt ein überraschender Schluss, nämlich die Feststellung, dass man wohl nicht durch diese Stäbe am Ausbruch gehindert wird, sondern durch sich selbst.

Anmerkungen zur Aussage des Gedichtes

  • Was das Gedicht letztlich aussagt, bleibt offen.
  • Zusammenfassend kann man sagen, dass das lyrische Ich zu den Menschen gehört, die bei ihren Idealen bleiben wollen, es aber zwischendurch oder auch immer wieder bedauern, dass andere Menschen dafür mehr Gemeinschaft haben.
  • Das kann natürlich ein etwas verstecktes, aber sehr kritisches Urteil über die Masse der Menschen sein.
  • Auf jeden Fall bietet dieses Gedicht bei all seiner Saloppheit viel Stoff zum Nachdenken.

 Wer noch mehr möchte …