Ulla Hahn, „Danklied“, Vergleich mit Goethe, „Prometheus“

Anmerkungen zur Überschrift

Das Gedicht ist z.B. hier zu finden.

Danklied

  • Die Überschrift ist sehr kurz und deutet nur an, dass es sich bei dem Gedicht um ein Lied handeln soll, das Dank ausdrückt.
  • Man könnte, wenn man sich da ein bisschen auskennt, einen religiösen kirchlichen Zusammenhang vermuten, man denke etwa an das Erntedankfest.

Anmerkungen zu Strophe 1

  • Es ist nicht ganz klar, an wen sich dieses Gedicht richtet. Einige Anspielungen gibt es auf den Psalm 23 der Bibel, wo auch von „Stecken und Stab“ die Rede ist.
    • „Und ob ich schon wanderte im finstern Tal,
    • fürchte ich kein Unglück;
    • denn du bist bei mir,
    • dein Stecken und Stab trösten mich.“
  • Dann ginge es hier um Gott, von dem das lyrische Ich sich abwendet, keine positiven Erwartungen mit ihm verbindet.
  • Noch ein zweiter Hinweis, wenn man sich auskennt, dann könnte einem das Gedicht „Prometheus“ von Goethe ein fallen, wo es auch um eine Art Absage an eine bestimmte Gottesvorstellung geht.
    https://www.einfach-gezeigt.de/goethe-prometheus-aussagen-deutung
  • Wenn man andere Liebesgedichte von Ulla Hahn kennt, dann könnte man auch vermuten, dass dieses Gedicht sich an einen Partner richtet, mit dem das lyrische ich ist mir zu tun haben will.

Anmerkungen zu Strophe 2

  • Die zweite Strophe macht auf jeden Fall deutlich, dass sogar so negative Verhaltensweisen wie ein Fußtritt als positiv empfunden werden, wenn sie dem lyrischen Ich helfen, es auf seinem Weg vorwärts zu bringen.
  • Es geht also hier um so etwas wie Autonomie.
  • Auf jeden Fall macht das lyrische Ich deutlich, dass es alleine gehen muss, also für sich selbst die Verantwortung übernehmen will und muss.
  • Am Ende wird noch betont, dass möglicherweise negative Verhaltensweisen der anderen Seite, der man sich bisher verpflichtet fühlte, es dem lyrischen ich leicht machen, sich von Abhängigkeiten abzukoppeln.

Anmerkungen zu Strophe 3

  • In der letzten Strophe wird das lyrische Ich konkreter, es bedankt sich für das schöne Angesicht des Gegenübers. Damit wird klar, dass es sich wohl eher um ein menschliches Gegenüber und damit um ein Liebesgedicht handelt.
  • Scheinbar widersprüchlich ist die Formulierung, dass dieses Gesicht für das lyrische Ich alles ist und weiter nichts. Das kann man sich vielleicht so erklären, dass es sich beim ersten Teil um die übliche Floskel handelt, die zwischen Liebenden ausgetauscht wird. Dahinter gibt es aber nach Meinung des lyrischen Ichs in diesem Falle nichts mehr.
  • Am Ende wird noch einmal zusammenfassend betont, dass es sich hier weniger um ein Danklied handelt als um ein Lied, in dem das lyrische Ich sich klarmacht, dass es eigentlich keinen Dank empfinden muss, zumindest keinen der herkömmlichen Art. Denn hier bleibt ja nur eine ironische Veränderung der Bedeutung, dass es auch dankbar sein will, weil ihm die Trennung erleichtert wird.
  • Am Ende erlaubt Ulla Hahn sich noch einen kleinen Scherz, indem sie das lyrische Ich gewissermaßen aus dem Gedicht heraustreten lässt und betont, dass am Ende zumindest ein schöner Text entstanden ist, der ja auch einer bestimmten Erfahrung zu verdanken ist.

Zusammenfassung

  • Insgesamt ein Gedicht, das eine klare Absage enthält an jemanden, der sich vielleicht bisher zu Dank verpflichtet gefühlt hat.
  • Präsentiert wird eine Art Reflexion, in der das lyrische Ich sich seiner Autonomie versichert.
  • Die normalen Verhältnisse werden ins Gegenteil verkehrt:
    • Zum einen handelt es sich um das Gegenteil eines Dankliedes.
    • Außerdem werden sogar negative Verhaltensweisen des Gegenübers als positiv empfunden, weil sie gewissermaßen die Abnabelung erleichtern. Da hat jemand erkannt, dass die Beziehung unmöglich ist. Der andere ist aber noch nicht so weit oder tut sich schwerer damit. Dann ist es eine Möglichkeit, dass der, der schon weiter ist, sich scheinbar besonders wenig liebend verhält. Das erleichtert dann dem anderen die Abnabelung.

Vergleich mit Goethe, „Prometheus“

Dort gibt es auch eine heftige Abrechnung mit einem Gegenüber mit dem Ziel der Autonomie. Allerdings geht es da nicht um eine Liebesbeziehung, sondern um den Umgang mit dem Göttervater Zeus. Der kann aber durchaus auch für andere Beziehungen zu (einem) Gott stehen.

Näheres findet sich hier.

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