„Stellung nehmen“? Unterschied zwischen Sachtext und Kurzgeschichte – mit Beispiel zu „Das Fenstertheater“ (Mat5881)

Ausgangspunkt: Stellungnahmen zu einem Sachtext:

  • Es kommt dabei darauf an, dass man zunächst etwas zum Artikel sagt, seinem Inhalt und der Schreibweise.
  • Was die Stellungnahme zum Thema angeht, ist wichtig, dass man begriffen hat, worum es geht, eine eigene Meinung entwickelt und dann eigene Argumente und Beispiele bringt.
  • Wichtig sind hier Differenzierung und Anschaulichkeit. Wenn es z.B. um Beobachtungskameras im öffentlichen Raum geht, kann man so schließen: Ein bestimmtes Maß an Kontrolle muss sein, aber man darf es nicht übertreiben, weil das ein ungünstiges Bewusstsein hervorruft, nämlich eher Ärger und Widerstand. Konkret wird das immer vom Einzelfall abhängen und man sollte es mit den Betroffenen besprechen.

Was ist anders bei einer Kurzgeschichte? Beispiel

  • Eine Kurzgeschichte ist ein literarischer Text. Sie bezieht sich nicht auf einen konkreten Sachverhalten und nimmt dazu Stellung.
  • Stattdessen spielt sie einen ausgedachten (fiktiven) Fall durch.
  • In der Kurzgeschichte „Das Fenstertheater“
    https://textaussage.de/vorbereitung-einer-klausur-zum-thema-kurzgeschichten-aichinger-das-fenstertheater
    geht es zum Beispiel darum, dass eine einsame Frau am Fenster lehnt und seghnsüchtig auf irgendwas Interessantes wartet.
  • Dann sieht sie plötzlich, wie im gegenüberliegenden Haus das Licht angemacht wird und ein alter Mann am Fenster seltsame Faxen macht.
  • Sie ruft schließlich die Polizei und muss dann erleben, dass es nur darum ging, ein einsames Kind in der Wohnung unter ihrer zu unterhalten und sogar zum Lachen  zu bringen.
  • Eine Kurzgeschichte kann man zum einen sachlich bewerten,
    • ob sie in sich stimmig ist,
    • ob das Verhalten der Figuren ausreichend motiviert ist,
    • ob der Stil und die sprachlichen Mittel überzeugen,
    • ob der Autor sich was schönes zur Rhetorik einfallen lassen.
  • Und dann gibt es natürlich die persönliche Stellungnahme.
    • Sie ist in der Richtung frei,
    • weil die Geschmäcker verschieden sind,
    • sie sollte aber überzeugend vertreten werden,
    • so dass andere sie zumindest nachvollziehen können.

Beispiel „Das Fenstertheater“

  1. Allgemein / Relevanz:
    Ein soziales Dauerproblem: Einsamkeit von (bsd. alten, aber auch arbeitslosen) Menschen, die keine Aufgabe haben und denen darüber vielleicht sogar keinen Sinn in ihrem Leben mehr sehen.
  2. Gleich am Anfang wird ihre innere Haltung sehr gut deutlich gemacht:
    „Die Frau hatte den starren Blick neugieriger Leute, die unersättlich sind. Es hatte ihr noch niemand den Gefallen getan, vor ihrem Haus niedergefahren zu werden.“
  3. Sehr schön wird auch das Überraschende deutlich gemacht, was das Verhalten des alten Mannes angeht:
    „Als sie sich eben vom Fenster abwenden wollte, bemerkte sie, dass der Alte gegenüber Licht angedreht hatte. Da es noch ganz hell war, blieb dieses Licht für sich und machte den merkwürdigen Eindruck, den aufflammende Straßenlaternen unter der Sonne machen. Als hätte einer an seinen Fenstern die Kerzen angesteckt, noch ehe die Prozession die Kirche verlassen hat.“
  4. Wichtiges Leitmotiv das Lachen, das am Ende sogar den Polizisten ins Gesicht geworfen wird – eine schöne Gratwanderung zwischen scheinbarer Aggression und dann auch einfacher Übertragung.
  5. Insgesamt lebt die Geschichte von einem eigentlich sehr einfachen Einfall – nämlich diesem Missverständnis im Hinblick auf das Verhalten des Nachbarn.
  6. Aber dadurch wird auch eine schöne Spannung aufgebaut, die am Ende einfach, aber wunderbar aufgelöst wird.
  7. Bei allen diesen positiven Punkten ist es nicht verwunderlich, wenn die Geschichte gut ankommt, auch bei mir. Erstaunlich, denn normalerweise interessieren sich junge Menschen nicht besonders für die Einsamkeit alter Menschen.
  8. Aber man kann es ja auch auf eigene Situationen übertragen, in denen einem die Freude am Leben zumindest kurzzeitig verlorengegangen ist. Was es dann braucht, ist eine gute Gelegenheit, man muss sie aber auch aufgreifen – und bereit sein, sich ggf. auch zum Affen zu machen. Wie soll sonst befreiendes Lachen auch entstehen und sich sogar ausbreiten?

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