Vorbereitung einer Klausur zum Thema „Kurzgeschichten“ – Aichinger, „Das Fenstertheater“ (Mat5694)

Worum es geht:

  • Eine Klausur soll geschrieben werden, in der es um die Interpretation einer Kurzgeschichte geht.
  • Wir versuchen mal, Schritt für Schritt alles zu klären, was man wissen und verstanden haben sollte.
  • Je nachdem, wie gut man einzelne Schritte schon beherrscht, kann man die auch überspringen oder zumindest kurz überfliegen.
  • Die allgemeinen Erklärungen verdeutlichen wir am Beispiel der Kurzgeschichte „Das Fenstertheater“ von Ilse Aichinger.
  • Den Text haben wir u.a. hier gefunden:
  • Diese Seite ist entstanden in Zusammenarbeit mit
    Latus Crux,
    dem wir viele Anregungen aus Schülersicht verdanken 🙂

Schritt 1: Was bedeutet: „analysieren“ und „interpretieren“?

  • In vielen Fällen werden beide Begriffe gar nicht genau unterschieden.
  • Wenn man aber genau sein will, dann bietet sich folgende Unterscheidung an:
    • Analyse bedeutet wie zum Beispiel in der Chemie das Zerlegen eines Stoffes in seine Bestandteile. Die werden dann möglichst genau untersucht und benannt. Bei einer Kurzgeschichte bedeutet das, dass man
      • Die Erzählschritte untersucht, in denen der Erzähler dem Leser etwas deutlich macht
      • dabei auf Elemente achtet, die in eine bestimmte Richtung deuten – wir sprechen hier von Signalen.
      • dass man die Signale zu Aussagen bündelt (Intentionalität = Zielgebiet der Geschichte, möglichst differenziert den Satz fortsetzen:
        „Die Geschichte zeigt/macht deutlich …)“
      • dass man die Aussagen als Antworten auf eine Themafrage versteht, die in der Regel nicht direkt im Text zu finden ist, sondern erschlossen werden muss.
      • dass man herausarbeitet, was der Autor sich hat einfallen lassen, um die Aussagen der Geschichte gut rüberzubringen und den Leser möglichst auch zu fesseln. Näheres dazu weiter unten.
    • Interpretieren kann man am besten als einen zweiten Schritt verstehen, der auf der Analyse aufbaut. Man wertet ihre Ergebnisse im Hinblick auf übergeordnete Fragestellungen aus – z.B. für die Einordnung in die Gattung, Bedeutung der Kurzgeschichte im Werk des Autors, in einer bestimmten Epoche, für die Gegenwart usw.

Schritt 2: Was packt man am besten in die Einleitung der Analyse?

  • Eigentlich ist es ganz einfach, eine Kurzgeschichte zu analysieren und zu interpretieren. Dabei gibt es zunächst mal ein Grundmodell, das aus den folgenden Bausteinen besteht:
  • Einleitung mit Nennung des Objekts (Gattung, Titel, Autor, evtl. Entstehungsjahr) und Thema.
    • Das lässt man am besten erst mal offen, denn man muss ja den Text und seine Aussagen verstanden haben. Erst dann kann man genau sagen, worum es geht.
    • Statt das Thema erst mal offen zu lassen, kann man auch eine vorläufige „Deutungshypothese“ oder „Interpretationshypothese“ formulieren. Das hat den Vorteil: Man hat da auf jeden Fall etwas verstehen, vergisst am Ende also nicht, die Lücke zu füllen.

Schritt 3: Wie beschreibt man am besten die Erzählschritte?

  • Dann ist es sinnvoll, den Text der Kurzgeschichte erst mal in seine Erzählschritte zu zerlegen und diese zu beschreiben:
    Zum Beispiel beim „Fenstertheater“
    „Zu Beginn der Geschichte beschreibt der Erzähler erst mal die Situation, in der eine Frau ist. Dabei zeigt er auch schon, wie er die Situation und ihr Verhalten einschätzt: Sie hat für ihn nämlich „den starren Blick neugieriger Leute, die unersättlich sind.“ Schon hier wird kritische Distanz deutlich. Die wird noch dadurch verstärkt, dass sie es sogar als „Gefallen“ empfinden würde, wenn jemand „vor ihrem Haus niedergefahren“ würde. Im Sinne von Leserlenkung ergibt sich hier eine Tendenz zur Ablehnung einer Haltung, die in der Tendenz menschenverachtend ist.

    • An dem Beispiel wird deutlich, was „Erläuterung“ der Erzählschritte heißt: Man fasst zusammen, was er präsentiert, und geht ggf. auch darauf ein, wie er es präsentiert und was für eine Leserlenkung sich dabei ergibt.“
    • Auf die weiteren Erzählschritte gehen wir hier nur stichwortartig ein, um die Basis für die weiteren Analyseschritte zu haben.
  • Auf der folgenden Seite testen wir übrigens aus, wie man möglichst abwechslungsreich einzelne Erzählabschnitte vorstellen kann.
    https://textaussage.de/klausur-schreibtipps-sammlung-von-satzanfaengen-fuer-die-vorstellung-von-erzaehlschritten-z-b-kurzgeschichte

Schritt 4: Übersicht über die Erzählschritte

  1. 1-6: Beschreibung der Situation einer Frau, die am Fenster lehnt und sehr neugierig ist. Am liebsten wäre ihr ein Unfall, was der Erzähler negativ kommentiert.
  2. 6-11: Steigerung der Situation durch Hinweis auf einen alten Mann im Haus gegenüber, Andeutung, dass es ungewöhnlich ist, dass dabei schon vorzeitig Licht in der Wohnung gemacht wird.
  3. 11-28: Seltsame Kommunikation über Körpersprache und Show-Einlagen, die immer wilder werden. Betont wird, dass das der Frau Vergnügen bereitet, bis es ihr zu viel wird, weil der Mann sich für ihre Verhältnisse zu ungewöhnlich benimmt.
  4. 28-36: Beschreibung der Reaktion der Frau, die die Polizei verständigt im Kontrast zur Fröhlichkeit des Mannes
  5. 36-56 Beschreibung des professionellen Verhaltens der Polizisten, die ein Sicherheitsproblem vermuten. Parallel dazu wird auf das Verhalten der Leute eingegangen, die genauso neugierig sind wie die Frau und versuchen, möglichst viel vom Geschehen mitzubekommen. Am Ende des Abschnitts wird noch auf den Mann eingegangen, der auf Grund von Schwerhörigkeit nichts von all dem mitbekommt und weiter seine Faxen macht.
    Anmerkung: Erzähltechnisch ist hier interessant, dass der Erzähler schon weiß, dass der Mann schwerhörig ist und deshalb keine Notiz von dem Geschehen hinter ihm nimmt.
    [Das gehört nicht in die Beschreibung der Erzählschritte, sollte aber schon festgehalten werden – als Baustein für die Beschreibung der Erzählhaltung – genauso wie der Hinweis auf die kritische Haltung am Anfang gegenüber der Frau.]
  6. 56-64: Im Schlussteil der Erzählung wird dann deutlich, was es wirklich mit dem Verhalten des alten Mannes auf sich hat. Er hat nur versucht, einen kleinen Jungen in der Wohnung über der der Frau mit pantomimischen Einlagen zu unterhalten. Bezeichnend und sehr bedeutungsstark ist der letzte Satz, in dem der Junge sein Lachen den Polizisten ins Gesicht wirft.

Schritt 5: Zusammenfassung der Textsignale zu Aussagen

  • Ein Textsignal ist alles, das dem Text eine Richtung weist.
  • Ganz deutlich ist am Anfang schon die Kritik an der Neugier der Frau.
  • Ebenso klar wird, dass der alte Mann sich ungewöhnlich verhält, was hinterher erklärt wird: Er ist nämlich bereit, auf die Bedürfnisse eines kleinen Jungen einzugehen mit dem Ziel, ihm Freude zu bereiten.
  • Deutlich wird demgegenüber, dass die Frau sehr schnell und womöglich wohl vorschnell zu einer Aktion greift, die ihrer Sehnsucht nach Unfällen, also außergewöhnlichen, spektakulären Einbrüchen in die geregelte Alltagswelt entspricht, indem sie gleich die Polizei ruft – statt den alten Mann anzusprechen.
  • Deutlich wird auch, dass die Geschichte den Eindruck erwecken soll und das auch tut, dass die anderen Menschen alle genauso drauf sind wie die Frau.
  • Demgegenüber steht die naive Natürlichkeit des Jungen, der bei seinem Lachen bleibt statt sich genauso neugierig zu zeigen wie die Erwachsenen.
  • Dass bei der Frau ein „finsteres Fenster“ festgestellt und betont wird, leitet dann über von der Aussage zu den literarischen Mitteln. Denn das fasst bildhaft zusammen, in welcher dunklen, traurigen Welt die Frau lebt – gegenüber der Welt des Lachens, die den alten Mann und das Kind verbindet.
  • Man könnte das gut in einem Schaubild verdeutlichen:

 

Schritt 6: Unterstützung der Aussagen durch literarische Mittel

  • Wir sprechen gerne von literarischen Mitteln, um den engen Blick auf sogenannte „sprachliche Mittel“ zu verlassen. Die sind nämlich textunspezifisch, auch in einer Propagandarede gibt es sprachliche Mittel oder in einer Werbeanzeige.
  • Für uns ist entscheidend zu begreifen, dass hier ein Autor bzw. eine Autorin ein Stück Literatur produziert hat und wohl auch produzieren wollte.
  • Und zur Literatur gehört nicht nur das Fiktive und inhaltlich möglichst auch in dem Bereich Interessante. Dazu gehört auch, dass man sich etwas einfallen lässt, um dieses Stück Literatur wirkungsvoll „überkommen“ zu lassen. Deshalb unsere Bevorzugung des Begriffs „literarische“ Mittel.
  • Natürlich gibt es dann auch spezielle sprachliche Mittel wie z.B. Metaphern. Wer auch nur ein bisschen Ahnung hat vom Schreiben, der weiß, dass im Idealfall der Autor nicht vor seinem PC sitzt, links die inhaltlichen Ideen und rechts die Liste der sprachlichen Mittel von Anapher bis Zeugma. Nein, als jemand, der in und mit Sprache auf besondere Art und Weise lebt, bemüht er sich einfach um den besten Ausdruck – und dazu gehört auch, dass er die Normalsprache auch abwandelt, so dass sie auffällt. Das geschieht aber häufig ganz natürlich, ergibt sich aus dem Fluss der Sprache. Im schon genannten Fall hat sie nämlich einen ganz eigenen Ton, bei dem man schnell merkt, ob er „stimmig“ ist oder nicht.
  • Da man aber möglichst viele Punkte in Klausuren machen möchte, muss man sich an den sogenannten Erwartungshorizont halten – und da die meisten Deutschlehrkräfte eher Fachleute für das Analysieren sind statt Fachleute für das Schreiben und seine Geheimnisse, möchten die eben, dass viele Abweichungen vom normalen Sprachgebrauch als sprachliche Mittel eben auch klar identifiziert werden. Wichtig ist dabei allerdings auf jeden Fall, auf die Funktion hinzuweisen. Meist ist man mit „verdeutlichen“ oder „veranschaulichen“ schon aus der Nummer raus.
  • Ein erstes sprachliches Mittel haben wir gleich im zweiten Satz:
    „Der Wind trieb in leichten Stößen vom Fluss herauf und brachte nichts Neues.“
    Hier wird versucht, ganz normale Luftbewegung genauer zu beschreiben und dabei ansatzweise zu personifizieren. Denn die Vorstellung von „treiben „ und „stoßen“ sind sehr menschliche Aktivitäten, auch wenn das hier leicht ins Passiv hineingeht. Vor allem aber ist es nicht die Aufgabe des Windes, etwas „Neues“ zu bringen. Spätestens dann wird die Personifizierung ganz deutlich. Natürlich kann man auch noch etwas Metaphorik feststellen im Getriebenwerden und Stoßen. Aber das juckt den Autor kaum und trägt in diesem Falle zur „Wahrheitsfindung“, also der Klärung des Verhältnisses von Inhalt und Ausdruck wenig bei. Oder vielleicht doch? Aber dann bitte nicht lange nach Fachbegriffen suchen: Das Wesentliche dieser literarischen Formulierung (normal spricht niemand so) ist, dass man das Treiben und Stoßen auf die innere Unruhe und das Gespanntsein der Frau übertragen kann. Spätestens dann wird es deutlich, wenn man die Situation der Frau zu einer Porträtzeichnung verarbeiten wollte oder bei einer Filminszenierung der Regisseur so lange an der Schauspielerin herumkünstelt, bis sie durch ihre Haltung genau das ausdrückt, was die Autorin für die Situation angelegt angelegt hat.
  • Die nächsten literarischen Mittel haben wir in:
    • „Die Frau hatte den starren Blick neugieriger Leute,“
      Hier haben wir eine Interpretation des Erzählers – er vergleicht die Haltung dieser Frau mit etwas, was er zu kennen glaubt.
      „Starr“ dürfte dabei eine Alltagsmetapher sein, die man in den Zusammenhang mit Unbeweglichkeit bis hin zur Leichenhaftigkeit bringen kann.
      Daraus ergeben sich dann interessante Interpretationsanspekte: Das Leben der Frau wirkt tot im Vergleich zum Leben des alten Mannes und des Kindes.
      Natürlich ist „tot“ hier auch schon wieder etwas zwischen Metapher und Vergleich – auf jeden Fall entsteht ein entsprechendes Bild im Leser.
    • „die unersättlich sind.“
      Hier ein ganz eindeutiger negativer Kommentar im Rahmen des genannten Vergleichs. Als Interpret könnte man sich fragen, ob hier nicht eine falsche Form von ganz natürlicher und guter Lebensgier (im Sinne der Romantik) vorliegt.
    • „Es hatte ihr noch niemand den Gefallen getan, vor ihrem Haus niedergefahren zu werden.“
      Das ist schon ein Kommentar, der ins Zynische geht. Uns reicht das, wir suchen nicht nach einem Begriff und hoffen, dass die korrigierende und bewertende Lehrkraft das auch als sehr gute Einschätzung auffasst und registriert.
    • „… Außerdem wohnte sie im vorletzten Stock, die Straße lag zu tief unten.“
      Auch hier ein sehr feinsinniges literarisches Mittel, für das uns kein Fachbegriff geläufig ist. Also stellen wir nur einfach fest, dass der Erzähler hier nur so eine Art inneren Stoßseufzer der Frau wiedergibt und sich damit ihre Lage versetzt – man könnte schon fast von einem Element in Richtung „erlebte Rede“ sprechen. Hier hoffen wir natürlich auch, dass die Lehrkraft das mit einem Zusatzpunkt bewertet, denn kaum jemand wird in Schülerkreisen darauf schnell kommen.
    • Bei den sprachlichen Mitteln sollte man präzise sein und auch ihre Grenzen im Auge behalten: Wenn am Ende auf das Lachen des Jungen eingegangen wird, dann ist das kein sprachliches Mittel, denn er lacht einfach und basta. Aber jetzt kommen wir zum Bereich Rhetorik bei den literarischen Mitteln: Dieses Lachen verbindet den Jungen mit dem alten Mann, der hat es bei ihm erzeugt. Und es steht für die Gegenwelt zur Finsternis im Umfeld der Frau. Man kann von einem Motiv sprechen beim Lachen – ganz eindeutig ist der Gegensatz zwischen dem Licht, das der Mann vorzeitig angemacht hat, und der Finsternis in der Wohnung der Frau. Muss man da auch noch von Antithese sprechen? Reicht es nicht, ein Gespür für Sprache und Literatur gezeigt zu haben?
    • Nachtrag zu den literarischen Mitteln:
      • Zum einen gibt es den Gegensatz zwischen „Licht“ (vom alten Mann angemacht) – „finster“ (Zimmer der Frau) und auf der anderen Seite „starr“ (Blick der Frau) und vielfältige Bewegungselemente beim dem alten Mann.
      • Das Lachen ist dann ein verbindendes Element zwischen dem alten Mann und dem Jungen – bezeichnenderweise bildet es den Schluss der Geschichte – es landet im Gesicht der Polizisten, d.h. auch die müssen lachen.
      • Nachtrag zu den sprachlichen Mitteln: Wiederholung
        „„Außerdem wohnte sie im vorletzten Stock, die Straße lag
        zu tief unten.
        Der Lärm rauschte nur mehr leicht herauf. Alles lag
        zu tief unten.“
        Das verstärkt die Klage.
      • Noch ein Hinweis zu einem Vergleich, der nur erklärenden Charakter hat, aber keine größere Bedeutung. Allenfalls wird ein bisschen Exotik angedeutet.
        „wand den Schal wie einen Turban um seinen Kopf.“
      • Ganz spannend ist die folgende Passage.  Das sind immerhin 62 Wörter – in einer Kurzgeschichte eine ziemlich üppige Zahl, wenn damit nicht eine besondere Bedeutung verbunden ist.
        • „Als sie sich eben vom Fenster abwenden wollte,“
          Das ist der Moment, in dem die Frau eigentlich aufgeben wollte. Der Tag wäre dann wieder ohne jede Abwechslung geblieben, hätte bei ihr wahrscheinlich Langeweile und Frust verstärkt.
        • „bemerkte sie, dass der Alte gegenüber Licht angedreht hatte.“
          Und dann die Überraschung. Es passiert etwas, was sie möglicherweise davon abhält, in ihrer Einsamkeit zu verschwinden.
        • „Da es noch ganz hell war, blieb dieses Licht für sich und machte den merkwürdigen Eindruck,
          den aufflammende Straßenlaternen unter der Sonne machen.“
          Das Ungewöhnliche ist also nicht das Erscheinen des alten Mannes, sondern das vorzeitige Erscheinen von Licht. Offensichtlich ist es etwas Besonderes, konzentriert diesen Blick also auf diese spezielle Wohnung.
        • Als hätte einer an seinen Fenstern die Kerzen angesteckt, noch ehe die Prozession die Kirche verlassen hat.
          Hier weiß man nicht so genau, was der erste Teil des Satzes bedeuten soll. Am ehesten macht er Sinn, wenn es um eine Prozession geht, also eine spezielle Wanderung im kirchlichen Sinn, bei dem es üblich ist, dass unterwegs in den Straßen Kerzen ins Fenster gestellt werden.
          Hier wird jetzt betont, dass da jemand die Kerzen ansteckt, obwohl der normale Ablauf ihn und seine Wohnung noch gar nicht erreicht hat.
          Hier gibt es einen Artikel, der zeigt, wie auf diese Art und Weise etwas zur Gemeinschaftsbildung in schwierigen Zeiten beigetragen werden sollte – das passt genau zu dieser Geschichte.
          Hier wird sogar ein Zusammenhang mit einer Lichterprozession hergestellt.
        • Die Frau blieb am Fenster“
          Hier wird diese Passage abgeschlossen, indem die Frau auf ihrem Beobachtungsposten bleibt, also doch noch etwas Besonderes erwartet.
      • Insgesamt ist die ausführliche Beschäftigung mit dem Licht ein deutliches Zeichen dafür, dass hier etwas Besonderes geschieht, ein Zeichen gesetzt wird, auf das eben auch reagiert wird. Damit wird etwas gegen Einsamkeit getan.

Schritt 6: Erzähltechnik

Hier geht es weniger um Theorie, als darum, sich wirklich mal anzuschauen, wie der Erzähler sich präsentiert:

Zu dem Zweck schauen wir uns mal den ersten Abschnitt genauer an.

Worauf man achten sollte, ist Situation, Haltung und Position des Erzählers.

  • „Die Frau lehnte am Fenster und sah hinüber. Der Wind trieb in leichten Stößen vom Fluss herauf“
    • Dies ist eine neutrale Beschreibung, die im zweiten Satz sich poetisch präsentiert.
  • „und brachte nichts Neues.“
    • Hier versetzt sich der Erzähler in die Figur der Frau und präsentiert das, was ihr im Kopf herumgeht, was ihr wichtig ist.
      Geht in Richtung „personale Erzählhaltung“:
      Die Frau denkt: „Wieder nichts Neues!“
      Präsentiert wird es im Präteritum, dem Tempus des Erzählens..
  • „Die Frau hatte den starren Blick neugieriger Leute, die unersättlich sind.“
    • Hier fällt der Erzähler ein Urteil über diese Frau, er ordnet sie einem selbstgewählten Erfahrungsbereich zu mit einem negativen Touch. „Unersättlich“ ist ja schon fast etwas in Richtung Todsünde.
  • „Es hatte ihr noch niemand den Gefallen getan, vor ihrem Haus niedergefahren zu werden.“
    • Das ist zunächst einmal eine Feststellung, die allerdings der Frau etwas unterstellt und zudem sehr zynisch klingt.
    • Da der Erzähler das nur wissen kann, wenn er sich wieder in die Frau und ihr Denken versetzt, liegt auch hier eine personale Erzählhaltung vor. „Personal“ bedeutet, dass der Erzähler sich in die Figur gewissermaßen hineinbegibt. Das geht in Richtung „erlebte Rede“. Da wird der Originalgedanke der Person:
      „Es hat mir noch niemand den Gefallen getan, vor meinem Haus niedergefahren zu werden.“
      oder verkürzt:
      „Könnte nicht mal endlich jemand vor meinem Haus, meinen Augen totgefahren werden?“
      Also weitgehend Originalton der Figur, zumindest in der Tendenz, aber wiedergegeben im im Tempus des Erzählers (Präteritum) und in seiner Perspektive („ihr“ statt „mir“, „ihrem“ statt „meinem“).
  • „Außerdem wohnte sie im vorletzten Stock, die Straße lag zu tief unten.“
    „Der Lärm rauschte nur mehr leicht herauf. Alles lag zu tief unten.“

    • Hier etwas zwischen Erzählerbericht und Wiedergabe der Gefühle der Frau, zumindest am Ende. Das wird dann sogar noch mal zur Verstärkung der wiederholt.
  • Das müsste man jetzt grob weiter nachprüfen. Dabei achtet man nur noch auf die Verteilung der Passagen zwischen neutral und personal und ggf. auch auktoriale Elemente.
    • Auffällig ist die Bemerkung zur Schwerhörigkeit: Das ist ein kurzer Sprung ins Auktoriale, denn der Erzähler stellt sich außerhalb des Erzählten und informiert den Leser gewissermaßen – eine Art Sachkommentar.
    • Dann der Schlusssatz: Das ist eine so kunstvolle Formulierung, dass sie schon kommentierende Wucht bekommt.
      • Der Wurf des Jungen kann als eine Art abwehrender Protest des Jungen gegen die Störung der Vorstellung angesehen werden.
      • Allerdings landet das Lachen im Gesicht der Polizisten. Das heißt nichts anderes, als dass sie auch lachen und sich damit der Alternativwelt des spielerischen Lebens anschließen – weg von der Welt der Ordnung und staatlicher Eingriffe.
      • Fazit:
        Insgesamt eine distanziert sachliche, also neutrale Erzählhaltung, die allerdings an vielen Stellen personal wird im Hinblick auf die Hauptfigur, die am Ende ja eine beschämende und hoffentlich lehrreiche Erfahrung macht.
      • Lediglich am Anfang ist die Einschätzung als „unersättlich“ mit der Hoffnung auf einen spektakulären Unfall vor der Haustür ein deutliches Zeichen für eine außerhalb des Geschehens stehende kommentierende Haltung des Erzählers.

Figurenkonstellation

Hintergründe zur Zeit, auf die sich die KG bezieht

  • Normalerweise soll ein literarischer Text erst mal selbsterklärend sein, d.h. seine Aussagen müssen aus dem Text selbst herauskommen.
  • Natürlich versteht man manches besser, wenn man weiß, wann ein Text entstanden ist, worauf er sich bezieht und welche „Normen“ in Gesellschaft und Kultur damals galten.
  • Ein typisches Beispiel ist die Barockzeit mit ihrem starken christlichen Sinnkontext.
  • Ein anderes Beispiel ist die Klassik als Reaktion auf die Französische Revolution.
  • Die Romantik wiederum reagiert auch auf die Französische Revolution und zusätzlich auf die Industrielle Revolution mit ihren gesellschaftlichen Umwälzungen.
  • In diesem Falle haben wir aber eine Geschichte, die in gewisser Weise zeitlos ist. Was da passiert, kann auch heute noch passieren, während die Geschichte sicher einige Jahrzehnte alt ist.
    Ich frage mal eben ChatGPT

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