Von der Erörterung zum Plädoyer – dorthin, wo die Freiheit beginnt (Mat5865)

Worum es hier geht:

Erörterungen sind etwas ganz Selbstverständliches im Deutschunterricht – aber was ist eigentlich ein Plädoyer und wieso hat das was mit Freiheit zu tun?

Hier ein paar allgemeine Überlegungen und dann ab Nr. 11 ein Beispiel für ein Plädoyer.

Wir haben das hier absichtlich durchnummeriert, weil man dann einfacher sieht, wie das aufgebaut ist.

  1. Das Wort Erörterung kennen die meisten aus dem Deutschunterricht der Klasse 8 oder auch später. Dabei geht es darum, eine Frage oder ein Problem möglichst von allen Seiten zu beleuchten, so dass man am Ende dazu eine begründete Position einnehmen kann.
  2. Ein Beispiel für eine so genannte Entscheidungs-Erörterung ist zum Beispiel:
    Soll man die Wandertage an der Schule zu Gunsten freier Erholungstage aufgeben?
  3. Ein Beispiel für eine Problem-Erörterung könnte zum Beispiel die Frage sein:
    Wie kann man dafür sorgen, dass Schülerinnen und Schüler mehr Freude am Deutschunterricht haben.
  4. Damit sind wir eigentlich auch schon bei dem zweiten Begriff, nämlich dem Plädoyer. Das kennt man, wenn überhaupt, aus dem Gerichtswesen.
    • Da ist jemand angeklagt,
    • dann wird ausführlich erörtert,
      was für
      und was gegen seine Schuld spricht.
    • Am Ende hält dann
      die Verteidigung ein Plädoyer zu Gunsten des Angeklagten
      und die Staatsanwaltschaft begründet, warum sie gegebenenfalls für ein „schuldig“ plädiert.
  5. Im Plädoyer geht es also nicht mehr um die abgewogene Erörterung aller möglichen Aspekte, sondern es geht um die Begründung einer Haltung.
    —.
  6. Stellen wir uns vor, dass da jemand in einer Klasse ist, der eigentlich gerne auch mal selbst etwas schreibt oder viele Bücher liest.
  7. Der stellt dann fest, dass die Begeisterung der Schülerinnen und Schüler im Deutschunterricht häufig nicht ganz so groß ist.
  8. Er glaubt, dass das damit zusammen hängt, dass zu viel vorgeschrieben wird und es zu wenig Freiheit von Seiten der Schüler gibt, mitzubestimmen.
  9. Er spricht die Lehrkraft jetzt mal drauf an und die ist so positiv drauf, dass sie vorschlägt:
    „Stell doch einfach mal in einem Plädoyer deine Gedanken vor, wie man mit mehr Freiheit im Deutschunterricht auch mehr Spaß an ihm hervorrufen könnte.“
  10. Als erstes braucht man jetzt eine Einleitung, die allen klar macht, worum es geht.
  11. Die könnte zum Beispiel so aussehen:
    Leute, ihr kennt mich, ich lese viele Bücher, diskutiere auch darüber gerne.
    In der Schule wundere ich mich darüber, dass ich da sehr viel weniger Freude an dem habe, was einem da so vorgelegt wird.
  12. Darum will ich jetzt mal dafür plädieren, dass Schülerinnen und Schüler mehr Mitsprache im Deutschunterricht bekommen sollten – und das wäre dann ein Schritt in die Richtung der Freiheit.
  13. Natürlich gibt es Vorgaben, die die Lehrer einhalten müssen. Aber könnte man nicht wenigstens darüber diskutieren, wie man aus Schülersicht ein bisschen Freiheit für sich und die eigenen Interessen zurückgewinnen könnte.
  14. Das ginge bei Gedichten zum Beispiel an zwei Stellen:
    • Statt mühsam nach irgendwelchen sprachlichen Mitteln zu suchen, könnte man häufiger diskutieren, was das Gedicht mit einem macht.
      Was löst es ein positiven oder negativen Gefühlen aus.
      Was könnte man dem Autor entgegenhalten – ein bisschen Verantwortung wird er ja wohl für sein Gedicht übernehmen.
  15. Wenn man einen Roman lesen muss, könnte man ausnahmsweise mit einer Inhaltsangabe beginnen. Dann wissen alle, was da abgeht.
    Dann teilt man die 300 Seiten auf Zweiergruppen auf.
    Und sie berichten hinterher, ob sie auf ihren Seiten etwas Spannendes oder etwas zum Diskutieren gefunden haben.
  16. Was könnte das für ein Deutsch Unterricht sein, wenn die Seiten 180-200 dran sind und das Pärchen, dass sie sich angeschaut hat, beginnt mit dem Satz:
    „Wir haben Glück gehabt, zwei schöne Stellen und eine Frage.“
  17. Es könnte natürlich auch sein, dass zwei Leute sich so über ihre 20 Seiten aufgeregt haben, dass sie sich entscheiden:
    Wir stellen euch die ödesten Stellen vor“
    und können dann mal überlegen, wie man das spannender hätte gestalten können.
  18. Vielleicht kommen diese kleinen Gruppen ja auch noch auf andere Ideen.
    Das hängt nämlich mit der Freiheit zusammen. Und das soll am Ende auch nicht verschwiegen werden.
    Freiheit ist auch anstrengend. Wenn der Lehrer alles vorbereitet, kann man sich bequem zurücklehnen und muss nur schauen, dass man nicht an der falschen Stelle drankommt.
  19. Wenn man mal einen freieren Unterricht ausprobieren möchte. Dann muss man sich schon etwas einfallen lassen und das könnte anstrengend sein, aber auch schön. Vor allem lernt man dann etwas, was für das spätere Leben sehr Wichtiges, nämlich das Beste aus allem zu machen.
  20. Darum meine Schlussfrage jetzt:
    Was haltet ihr davon?
    Sollen wir das mal ausprobieren?
    Ich würde mich freuen.
    Dann würde ich nämlich nicht mehr nur abends Spaß beim Lesen haben, sondern vielleicht sogar auch häufiger in der Schule.

Weitere Infos, Tipps und Materialien