Wagner, Jan: „botanischer Garten“: Wie man schnell ein modernes Gedicht versteht (Mat6091)

Worum es hier geht:

Wenn man ein modernes Gedicht verstehen möchte, ist es besonders wichtig, nach und nach seine „Signale“ aufzunehmen und daraus dann die „Aussage“ des Gedichtes herauszu“schöpfen“.

Das Gedicht ist u.a. hier zu finden.

Beispiel: Jan Wagner, „botanischer Garten“

Bei dem Gedicht „botanischer garten“ von Jan Wagner könnte das dann so funktionieren:

  1. Die Überschrift setzt das erste Signal, lenkt den Blick auf die speziellen Gartenanlagen, die es im Umfeld von Universitäten gibt. Man assoziiert sofort, dass das künstlich angelegte Gärten sind zu Schau- und Lehrzwecken.
  2. Das Gedicht setzt dann mit einer Selbstbeschreibung des Lyrischen Ichs ein, das dabei ist, seine „worte“ an ein Du „abzuwägen“. Offensichtlich liegt eine schwierige Situation vor. Mit Punkt 1 hat das insofern etwas zu tun, weil es hier auch um eine nicht-natürliche, sondern künstliche, zweckorientierte Vorgehensweise geht.
  3. Es folgen vier Zeilen, die zeigen, dass das Lyrische Ich von der Umgebung abgelenkt ist, es beschäftigt sich mit dem, was sein herumschweifender Blick sieht: „paare schweigend“ zeigt, dass woanders möglicherweise auch nicht die rechten Worte gefunden werden. Die Wendung „auf geharkten wegen“ lässt den Eindruck aufkommen, dass es bei diesen Paaren  keine Anfangsnatürlichkeit der Beziehungen mehr gibt, sondern sie sich bereits schön eingerichtet haben.
  4. Das Auge des Lyrischen Ichs bleibt dann hängen an einem Gewächshaus, dessen Aufbau ihn an ein Walskelett erinnert.
  5. Wichtig ist dann, woran ihn diese Skelette erinnern, nämlich an „ungetüme“, die  „aus urzeittiefen“, also aus ihrer natürlichen Umgebung, angeschwemmt wurden an einen „küstenstrich“, also an einen für Wale sehr gefährlichen Ort.
  6. Und dann der unglaublich gut gemachte Bild-Schlusspunkt: „erstickt an ihrem eigenen gewicht“.
  7. Das kann man direkt auf die Beziehung des Lyrischen Ichs übertragen: Auch seine natürliche Ursprungs-Tiefenliebe ist anscheinend im flachen Gewässer der Normalität angelangt, wo sie „an ihrem eigenen gewicht“ „erstickt“ ist.

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