Wondratschek, Wolf, „Über die Schwierigkeiten, ein Sohn seiner Eltern zu bleiben“

Worum es hier geht:

Zunächst eine knappe Übersicht über Inhalt und Bedeutung:
In der Geschichte „Über die Schwierigkeiten, ein Sohn seiner Eltern zu bleiben“ von Wolf Wondratschek geht es
  • um eine Aneinanderreihung von Erlebnissen und Gedanken,
  • die aus dem Rückblick heraus einen Ablöseprozess aus der Familie heraus beschreiben.
  • Das Besondere ist die assoziative Anordnung der einzelnen Textelemente.
  • Man hat den Eindruck, dass hier einfach das aneinandergereiht wird, was dem Ich-Erzähler zu dem in der Überschrift genannten Thema einfällt.
  • Insgesamt ein typischer Fall für einen Text, den man kaum linear analysieren kann. Stattdessen sollte man nach thematischen Aspekten suchen und die entsprechenden Signale zu Aussagen bündeln.

    Solche Aspekte können etwa sein:

    1. Der Unterschied zwischen berühmten Gestalten und der schlichten Einfachheit und Begrenztheit der eigenen Familiensituation. Das gilt vor allem für den Vater, der eben keine Heldenfigur ist, wohl aber ein „strenges Labyrinth“ ist, also undurchsichtig, während die Mutter den rettenden, Orientierung gebenden „Ariadnefaden“ darstellt.
      https://de.wikipedia.org/wiki/Ariadnefaden
    2. Die Enttäuschungen über das Verhalten der Eltern: „Ich habe gesehen, wie ich keine Schwester bekam, ich bekam Schläge.“
    3. Die Konsequenz ist ein Lernprozess: „mich zwischen Frühstück, Schule und Tagesschau zurechtzufinden.“
    4. Dazu kommt zu wenig Austausch, Kommunikation und Verständnis zwischen Eltern und Sohn: „Ich wusste nie, wie den Eltern zumute war…“
    5. Dann Rivalität zwischen den Eltern: „Als Kind war ich ein Spielverderber. Mutter sagte dann, das hätte ich von Vater geerbt. Vater behauptete das Gegenteil.“ Später ist von Schreien und Weinen bei den Eltern die Rede. Der Vater übernimmt dabei aber eher die typische Rolle früherer Zeiten: Er weint nicht, zeigt auch den Feinden „die Stirn“. Das verbindet der Erzähler mit dem eigenen Erwachsen-Werden. Später wird deutlich, der Vater, Beamter, ist „wer“.
    6. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass es Spannungen gibt, aber durch die klare Rollenverteilung auch ein Zusammengehörigkeitsgefühl und die Möglichkeit, sich zu entwickeln.
    7. Vor allem von der Mutter kommt die Forderung, etwas aus seinem Leben zu machen.
    8. Sehr negativ werden Familienrituale gesehen: „An Sonntagen sehen Familien aus, als hätte man sie auf dem Friedhof zusammengeklaut.“  Hier wird deutlich, dass es nicht um ein Einzelschicksal geht, sondern allgemein-gesellschaftliche Phänomene. Andererseits geben „Sonnenuntergänge und Feiertage“ dem Erzähler auch das Gefühl, „daß alles nicht so schlimm sein kann.“ Und er wünscht sich, dass die Mutter jeden Tag Geburtstag hat. In diesem Zusammenhang wird auch von „Nestwärme“ gesprochen.
    9. Am Schluss, der ja immer eine besondere Bedeutung hat, wird die Familie mit ihren sechs Personen als „Trost“ gesehen – es gibt verteilte Rollen, bei denen man sich abwechselt. Dies führt dann auch zu einer gewissen Rücksichtnahme.
    10. Vor allem tritt man am Ende geschlossen gegen Gäste auf: „Wir verstehen keinen Spaß.“
    11. Insgesamt zeigt die Geschichte
      1. die Alltagsnormalität einer Familie vor der Studentenbewegung mit ihrer Auflösung traditioneller gesellschaftlicher Normen,
      2. dabei ein Doppelgesicht von Strenge bis hin zu Schlägen und zugleich „Nestwärme“ und am Ende auch die Bereitschaft zum Zusammenhalt und zur Verteidigung gegen „Gäste“.
      3. eine zum Teil feste Rollenverteilung (Vater, Mutter), die aber auch wechseln kann und damit für Toleranz sorgt,
      4. die Möglichkeit für die Familienmitglieder, sich zu entwickeln
      5. und auch selbstständig zu werden

    Wer noch mehr möchte …