Brecht,“ Fragen eines lesenden Arbeiters“ (Mat4400)

  1. Das Thema dieses Gedichtes ist die Frage, wer eigentlich in der Geschichte die herausragenden Leistungen vollbracht hat. Meistens werden Herrscher genannt, vielleicht noch berühmte Baumeister. Aber so gut wie nie wird auf die Leute eingegangen, die die eigentliche Arbeit gemacht haben. Genau nach denen fragt das Gedicht.
  2. Das Gedicht beginnt mit Beispielen für großartige Leistung in der Geschichte. Dabei stellt es jeweils eine Frage oder macht eine Bemerkung, die auf die einfache Bevölkerung abzielt, die dahinter steht. Dabei geht es gar nicht nur um die eigentliche Arbeitsleistung, sondern auch das ganz normalen Leben dieser Menschen, zum Beispiel als Bewohner des sagenhaften Kontinents Atlantis. Am Ende des ersten Abschnittes wird rein sprachlich schon deutlich, wem die Sympathien dessen  gehören, der diese Fragen stellt. Das merkt man deutlich, wenn von den „Ersaufenden“ die Rede ist, die in der Nacht des Untergangs nach ihren Sklaven „brüllten“.
  3. im zweiten Abschnitt geht es dann um weitere Beispiele, die sich vor allem auf militärische Leistungen beziehen. Auch hier merkt man einen ironischen Unterton, wenn der Sprecher im Hinblick auf Cäsar fragt: „ hatte er nicht wenigstens ein Koch bei sich?“ noch bedeutsamer ist sicherlich, wenn im Hinblick auf den Beinen und König von Spanien im Hinblick auf seine untergegangene Flotte gefragt wird: „ Weinte sonst niemand?“
  4. die sechs Schluss Zeilen, die jeweils immer zu zweit zusammengestellt worden sind, bringen dann alles noch mal auf den Punkt: gefragt wird noch einmal bei dem Siegesschmaus nach dem, der ihn gekocht hat, bei den großen Männern wird spöttisch gefragt, wer die Spesen bezahlt hat. Gemeint ist damit: wer hat denen überhaupt die Möglichkeit gegeben, ihre Größe zu zeigen.
  5. Der Schluss gehört – typisch für Bertolt Brecht – den Lesern. Denn ihnen wird überlassen, die ganzen Fragen, die hinter den offiziellen Berichten stehen, selbst zu stellen und auch zu beantworten.
  6. insgesamt ein Gedicht, das an vielen Beispielen und zum Teil mit einem ironischen Unterton aufmerksam macht auf die falschen Gewichtungen in der Geschichte. In den Geschichtsbüchern wird nämlich wenig nach eigentlicher Leistung gefragt und schon gar nicht nach den Spesen, also den Kosten. Vielmehr geht es dort meistens nur sehr oberflächlich um große Männer und Herrscher.
  7. Allerdings unterscheidet das Gedicht wenig nach der Art der Leistung und auch nicht, ob das Geleistete für die Bevölkerung gut war oder nicht.
  8. Ein schönes Beispiel ist Friedrich der Große, der in seinen ersten Regierungsjahren verlustreiche Kriege geführt hat, fast bis zum Untergang seines Landes. am Ende hat er nur Glück gehabt, dass eine Herrscherin der Gegenseite gestorben ist und der Nachfolger den Krieg nicht weitergeführt hat. In den darauf folgenden Jahren hat dieser König aber viel Gutes für die Entwicklung seines Landes und damit auch für die Bevölkerung getan.
  9. Bertolt Brecht war in seinem Denken sehr stark bestimmt von dem Gegensatz zwischen denen, die oben in der Gesellschaft sind, und denen, die unten sind. Dem Gedicht merkt man an, dass das sein eigentliches Thema ist. Das wird auch schon deutlich an der Überschrift. Es geht um die Fragen eines Arbeiters – und zwar eines Arbeiters, der liest. Und Bertolt Brecht glaubte an die Möglichkeit, durch Lesen und Verarbeiten von Informationen zu Lösungen für Probleme zu kommen. Vgl. sein episches Theater und bsd. das Drama „Der gute Mensch von Sezuan“.
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  10. Wenn man von der Geschichte mal absehen will, kann man das im Gedicht angesprochene Problem aber auch auf andere Bereiche unserer Gegenwart übertragen: Kann man das nicht auch in der Schule erleben, dass jemand für eine Gemeinschaftsarbeit gelobt wird und andere werden vergessen.

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