5-Minuten-Tipp: Gellert, „Der wahre Freund“ als Gedicht der Aufklärung (Mat4374)

Tipp 1: Auswertung der Überschrift

Schon der Titel macht deutlich, dass hier eine Erfahrungsweisheit weitergegeben werden soll – ganz im Sinne der Erziehungsideale der Aufklärung. Verfasst worden ist das Gedicht von Christian Fürchtegott Gellert, der von 1715 bis 1769 lebte, also etwas früher als der berühmte Lessing (1729-1781).

Tipp 2: Ausnahmsweise mal der Kern, gleich am Anfang präsentiert

Das ist insofern sehr ungewöhnlich, weil die Schluss-Stellung die wichtigere in Texten ist und man auch nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen sollte – dann ist die ganze Spannung weg.

Auf jeden Fall wissen wir nach der 1. Strophe, dass der ein wahrer Freund ist, der das lyrische Ich auf den Weg der Besserung, der Selbstoptimierung bringt.

Der ist mein Freund, der mir stets den Spiegel zeigt,
den kleinsten Flecken nicht verschweigt,
mich freundlich warnt, mich ernstlich schilt,
wenn ich nicht meine Pflicht erfüllt‘.
Das ist mein Freund – so wenig wie er’s scheint!

Tipp 4: Nun das Gegenmodell – der scheinbare Freund, der zum Feind wird

Hier wird eine Menge aufgezählt, was man als angenehm empfinden kann. Aber wenn man genauer hinschaut, sind das sehr gefährliche Hilfestellung. Vor allem, wenn es auch zu „Fehlern“ verleitet.

Vor allem Leute, die wirklich gut werden wollen, werden der zweiten Zeile zustimmen.

Wichtig ist sicherlich das harte Wort „Feind“, das hier wohl nur der Betonung dient, denn gefährliche Feindschaft sieht sicher noch schlimmer aus.

Diskutieren könnte man allenfalls über die Zeile „und mir vergibt, eh‘ ich bereut“ – denn es gibt ja auch Besserung ohne den schmerzlichen Schritt der Reue.

Doch der, der mich stets schmeichelnd preist,
mir alles lobt, nie was verweist,
zu Fehlern mir die Hände beut,
und mir vergibt, eh‘ ich bereut
– das ist mein Feind –
so freundlich er auch scheint!

Alles in allem ein typisches Lehrgedicht der Aufklärung, das der Erziehung dient, ein zentrales Ziel der Aufklärung.

Wer noch mehr möchte …