5-Minuten-Tipp zu: Mascha Kaléko, „Unabgesandter Überseebrief“ (Mat4306)

Das Gedicht ist u.a. hier zu finden.

  1. Der Titel ist eher ungewöhnlich und erregt das Interesse, wissen zu wollen, warum dieser Brief, der sich als Liebesbrief herausstellt, nicht abgesandt worden ist.
  2. Wer sich ein bisschen auskennt, hat den Anfang des Gedichtes vielleicht schon mal gehört. Er nimmt ein altes Volkslied auf, das anschließend abgewandelt wird.
  3. Dort geht es nur allgemein darum, dass irgendetwas das lyrische Ich daran hindert, zu dem geliebten Gegenüber zu eilen. Hier dagegen sind es keine äußeren Hindernisse, sondern eine innere Schwäche. Das lyrische Ich hat nämlich das Fliegen verlernt, kann sich also aus irgendeinem Grunde nicht aufraffen.
  4. Immerhin bleibt aber die Möglichkeit, einen Luftpostbrief zu verschicken, was die zweite Hälfte der Überschrift erklärt.
  5. Auch in der zweiten Strophe wird nicht erklärt, warum dieser Liebesbrief nicht abgesandt wird. Stattdessen werden andere Varianten durchgespielt, wie man die 7000 Meilen Abstand überwinden könnte.
  6. Das lyrische Ich stellt sich vor, wie groß die Überraschung bei seinem Erscheinen wäre. Der Schluss der Strophe macht dann deutlich, dass ihm als Mensch die notwendige Voraussetzung dazu fehlt.
  7. In der dritten Strophe stellt sich das lyrische Ich vor, wie zumindest die Natur bei seinem geliebten Gegenüber blüht.Es betont dann noch einmal sein Sehnsuchtsleiden, das es nur durch Fantasie ein wenig mildern kann. So bleiben am Ende nur „Hungerträume“ übrig.
  8. Am Ende wird noch einmal betont, dass es sich nicht nur um eine räumliche Distanz handelt, sondern dass das lyrische Ich sich selbst in einer kalten Nacht sieht bei fallendem Schnee. Unklar bleibt, warum das lyrische Ich daran zweifelt, ob es sein Gegenüber jemals wieder sehen wird.
  9. Insgesamt bleibt unklar, warum dieser fantasievolle Liebesbrief nicht abgesandt wird. Aber vielleicht gehört das schon zu dem Fliegen, das das lyrische Ich verlernt hat. Man kann das wohl nur so verstehen, dass der Mut fehlt, seine Gefühle dem anderen zu zeigen.
  10. Das Volkslied sieht dagegen nur äußere Hindernisse und ist sich sicher, dass hier ein beidseitiges Liebesverhältnis vorliegt.
  11. In diesem Gedicht wird deutlich, wie Mascha Kaléko mit Gefühlen und Erfahrungen spielt. Sie nutzt dabei
    1. Anspielungen auf frühere Gedichte,
    2. viel Fantasie,
    3. auch Humor, wenn es um eine in diesem Falle unvollendete Schöpfungsgeschichte geht,
    4. und schließlich auch das Offenlassen der Antwort auf die Frage, warum dieser Liebesbrief nicht abgeschickt wird.
  12. Äußere Form:
    fünfhebiger Jambus
    Reimschema ABAAb, also ein umarmender Reim, dem eine Art Vorspann geliefert wird, der den Innenteil schon mal enthält.

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