Anstoßtext: „Weihnachten – Stichtag für Selbstmörder?“ (Mat281)

  • Im Unterricht braucht man als Lehrer immer wieder Texte, die Nachdenklichkeit erzeugen und Diskussionen „anstoßen“. In diesem Falle geht es um die Frage, ob Weihnachten wirklich nur positiv gesehen werden kann oder nicht vielleicht sogar ein großes Problem darstellt – zumindest für manche Menschen.
  • Das Material ermöglicht ein vertieftes Verständnis des Weihnachtsfestes – ganz gleich, wie sehr man die Themafrage positiv beantwortet.
  • Eine fiktive Mail an Freunde, in der jemand zunächst seinen Frust über das Weihnachtsfest ablässt und seine Haltung am Ende doch wieder öffnet.

Zunächst eine Vorschau

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Der Text mit Aufgaben

Weihnachten – Stichtag für Selbstmörder?

Sorry, wenn ich gerade nicht bei euch bin.
Wahrscheinlich seid ihr gerade auf Weihnachtsmärkten unterwegs, tankt euch mit Glühwein voll und liegt euch bald selig in den Armen – während sich im Hintergrund die Weihnachtslieder drehen. Bei mir läuft gerade keine Musik, mein Zimmer ist auch nicht geschmückt, dafür ist mir eine Gedichtzeile eingefallen, in der das Weihnachtsfest als „Stichtag für Selbstmörder“ bezeichnet wird. So weit will ich nicht gleich gehen – ich werde also noch da sein, wenn ihr zurückkehrt. Aber dennoch habe ich keine Lust, mich an der großen Sammelei in den Innenstädten und dem Stress beim Geschenkekauf zu beteiligen.

Klar, es gab mal eine Zeit, da wussten die meisten Leute noch, warum Weihnachten überhaupt ge10 feiert wird. In unserer Zeit fragt Wolf Wondratschek zu Recht: „Wer lag wo im Stroh?“ Die meisten werden es nicht mehr so richtig wissen.

Nun wäre es mir zu billig, euch und allen anderen in der Stadt vorzuwerfen, dass ihr nur aufs Kaufen aus seid. Ich habe überhaupt nichts dagegen, dass man sich Gedanken macht, was man lieben Menschen schenken kann. Nur – muss das denn gerade zu Weihnachten so konzentriert und gehäuft stattfinden? Wäre es nicht viel schöner, sich in den restlichen ca. 360 Tagen des Jahres

hin und wieder ein bisschen gegenseitig positiv zu überraschen und damit das Leben schöner zu machen?
Wer auch nur ein bisschen Ahnung hat von der schrecklichen Wirklichkeit in vielen Familien, der weiß doch, dass dort die größtmöglichen Erwartungen häufig auf ebenso großes Unvermögen stoßen, dem zu entsprechen. Man nehme einfach ein Geschenk, in das alles hineingelegt worden ist, was der Schenkende für den Beschenkten gut fand – und der soll nach dem Öffnen sein glücklichstes Gesicht aufsetzen, auch wenn er mit dem Geschenk gar nichts anfangen kann und will.

Oder die Eltern, soweit es sie in dieser eindeutigen Form in den modernen Familien noch gibt: Sie haben alles gegeben an Vorbereitung bis hin zum guten alten Festtagsbraten und wollen eigentlich ihre kleinen Kinder wieder sehen – und es kommen ziemlich groß gewordene Söhne und Töchter an mit ganz anderen Gedanken, Interessen, vielleicht auch Sorgen. Vielleicht brechen auch alte Konflikte wieder auf – und sie können nicht einfach raus, weil ja gerade das größte aller Familienfeste alle mit einer stählernen Klammer zur Friedfertigkeit zwingt. In bestimmten Gesellschaften Asiens führt das zum Amoklauf – bei uns eher zum Herzinfarkt.

Bleibt noch die dritte Gruppe: Das sind die Menschen, die keine „weihnachtsfähige“ Familie haben und sich auch in keine funktionierende am Heiligen Abend reindrängen wollen. Denen bleibt nur die Möglichkeit, rechtzeitig eine Abenteuerreise in heiße Länder zu buchen, wo nicht mal Schnee sie an die Probleme zu Hause erinnert. Oder aber sie schütten sich mit irgendetwas zu und warten, bis endlich der zweite Weihnachtstag erreicht ist – da können sie sich ja wieder einigermaßen normal mit Freunden und Bekannten treffen – denn die Weihnachts-Familien-Festungen haben sich dann meist wieder aufgelöst.

Was also tun? Ich werde gleich in mein Auto steigen, in eine Stadt fahren, wo mich keiner kennt, dort werde ich mir – wie viele andere auch – das bunte Treiben anschauen und mich an den Lichtern berauschen. Auf dem Nachhausewege werde ich mir meine Lieblingsmusik einlegen, aber keine Weihnachtslieder – und zu Hause werde ich mir einen schönen alten Film reinziehen – nur nicht im Fernsehen, denn das – nein, es wäre nicht auszudenken.
Max Sahlberg
(entn: „Na endlich“ – Zeitschrift für Schule und Unterricht, © www.schnell-durchblicken.de, 2009)

Aufgaben:
1. Welche drei Probleme sieht der Verfasser beim Weihnachtsfest?
2. Wieso stellt seine eigene Lösung des „Weihnachtsproblems“ einen Kompromiss dar?
3. Was hältst du von seinem Vorschlag, sich gegenseitig lieber im ganzen Jahr zu beschenken?

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Mat281 Anstosstext Weihnachten

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Mat281sd-Weihnachten-Anstoßtext-Dez2016 Text bearb

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