Bettina von Arnim, „Auf diesem Hügel überseh ich meine Welt!“ (Mat4059)

Worum es hier geht:

Vorgestellt wird ein Gedicht, das sich ganz auf eine bestimmte Perspektive bezieht, die für das lyrische Ich eine entscheidende Bedeutung hat.

Es geht um das Gedicht, das man z.B. hier finden kann.

Besonders interessant ist ein anderer Fundort, denn dort steht dieses Gedicht in einem klaren Kontext. Es geht um „Goethes Briefwechsel mit einem Kinde“, womit die Verfasserin sich selbst meint.

Quelle:
Bettina von Arnim: Werke und Briefe. Bde. 1–5, Band 2, Frechen 1959, S. 303-408.

 

Bettina von Arnim

Auf diesem Hügel überseh ich meine Welt!

Strophe 1:

Auf diesem Hügel überseh ich meine Welt!
Hinab ins Tal, mit Rasen sanft begleitet,
Vom Weg durchzogen, der hinüber leitet,
Das weiße Haus inmitten aufgestellt,
Was ist′s, worin sich hier der Sinn gefällt?

  • Die erste Zeile, die auch als Titel des Gedichtes verwendet wird, beschreibt Position und Perspektive des lyrischen Ichs. Es hat eine höhere Position eingenommen und betrachtet das, was es sieht, als seine Welt. Es bleibt erst mal unklar, um was es genau sich handelt. Auf jeden Fall gibt es eine enge Beziehung.
  • Anschließend wird etwas genauer beschrieben, was dabei ins Auge des Betrachters gerät.
  • Das endet schließlich in dem Hinweis auf ein weißes Haus, bei dem die Position in der Mitte und das “aufgestellt”-Sein hervorgehoben werden.
Strophe 2: 

Auf diesem Hügel überseh ich meine Welt!
Erstieg ich auch der Länder steilste Höhen,
Von wo ich könnt die Schiffe fahren sehen
Und Städte fern und nah von Bergen stolz umstellt,
Nichts ist′s, was mir den Blick gefesselt hält.

  • Die zweite Strophe beginnt mit einer Wiederholung des Titels und der ersten Zeile.
  • Durch diese Wiederholung ergibt sich natürlich auch eine Verstärkung.
  • Es folgen drei Reiseerlebnisse, die hier allerdings nur als Vorstellungen existieren können.
  • Während man am Anfang noch nicht weiß, ob es sich bei “Erstieg” um das Präteritum oder einen Konjunktiv handelt, wird das zu Gunsten des Konjunktivs “könnt” anschließend eindeutig geklärt.
  • Letztlich wird vom lyrischen Ich deutlich gemacht, dass es sich um seine Welt um eine gewollte Selbstbegrenzung handelt, die zugleich aber in der Fantasie in einen unbegrenzten Raum weitergeht.
  • Interessantest ist hier Aufnahme des Aspekts des “Stellens.” Allerdings sind hier jetzt die Städte von Bergen umstellt. Aber das gilt natürlich für das Weiße Haus auch, weil es in der Mitte aufgestellt ist.
  • Am Ende wird im Kontrast dazu die Freiheit und Weit räumlichkeit des eigenen Blicks betont.
Strophe 3: 

Auf diesem Hügel überseh ich meine Welt!
Und könnt ich Paradiese überschauen,
Ich sehnte mich zurück nach jenen Auen,
Wo Deines Daches Zinne meinem Blick sich stellt,
Denn der allein umgrenzet meine Welt.

  • In der letzten Strophe wird dann diese Weiträumigkeit noch mal heruntergestuft auf die Ebene des Möglichen.
  • Das wird sogar bis hin zur Ebene eines Paradieses fortgeführt.
  • Entscheidend sind die letzten beiden Zeilen, denn die beziehen nämlich ein nicht näher geschriebenes Du ein.
  • Die reale Wunschwelt des lyrischen Ichs ist genau das, was vor dem Hügel liegt und offensichtlich an einem Fluss.
  • Erneut kommt wohl das Weiße Haus in den Blick, das für das lyrische Ich anscheinend im Zentrum dieser Welt steht.
  • Interessant ist, dass hier erneut die Wortfamilie “stellen” also im Sinne einer bewussten Positionierung hervorgehoben wird.

 Insgesamt zeigt das Gedicht

  1. einen Menschen, der zugleich das lyrische Ich ist, der sich ganz auf einen bestimmten geographischen Ort und seine nähere Umgebung konzentriert.
  2. Deutlich wird, dass alles, was man sich sonst noch an Weltweite vorstellen kann, von geringerer Bedeutung ist.
  3. Nicht nur im Zentrum des benannten Bereichs, sondern auch Mittelpunkt des Blicks und des Bewusstseins ist ein weißes Haus, das sich in der Mitte der Gegend und damit im Zentrum befindet und offensichtlich für das lyrische Ich eine besondere Bedeutung hat.
Auswertung

Dieses Gedicht kann jetzt von jedem Leser auf seine eigene Welt bezogen werden und fordert regelrecht dazu heraus.

Ansonsten liegt der interessante Fall vor, dass es für dieses Gedicht einen biografischen Hintergrund gibt, der aber nur literaturhistorische Bedeutung hat. Wenn man den Text und seine Aussage nur im Hinblick auf die Person der Autorin versteht, verkürzt man sein Aussagepotenzial. Es ist dann nicht mehr Kunst, die ja endgültig erst im Auge des Betrachters entsteht.

Wer Näheres zum Verhältnis von Bettina und Arnim zu Goethe (um dessen weißes Gartenhaus es Bettina ging) und umgekehrt wissen möchte, bekommt in der Abschrift einer Sendung des Bayerischen Rundfunks interessante Informationen:

https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/kalenderblatt/0909-goethe100.html

 Wenn man sich dafür interessiert, was Bettina von Arnim ansonsten im Hinblick auf Goethe und sein Gartenhaus geschrieben hat, braucht man auf der folgenden Seite nur nach dem Wort “Haus” zu suchen:

http://www.zeno.org/Literatur/M/Arnim,+Bettina+von/Romane/Goethes+Briefwechsel+mit+einem+Kinde/Dritter+Teil

Tipps für ein Referat zu Bettina von Arnim

Näher eingegangen sind wir auf diese Frau und ihr Wirken in der Öffentlichkeit sowie ihre Beziehung zu Goethe auf der folgenden Seite:
https://schnell-durchblicken.de/bettina-von-arnim-und-ihre-beziehung-zu-goethe

Weiterführende Hinweise